Polizei verteidigt Einsazu in Kirche
(MAZ) POTSDAM Die Odyssee einer kurdischen Familie zwischen Asylbewerberheim,
Kirchenasyl und Abschiebehaft ist vorerst beendet. Landrat Klaus Richter (SPD)
setzte ihre Abschiebung nach massiver Kritik — unter anderem von der
Evangelischen Landeskirche — aus. “Am Montag setze ich mich mit Vertretern vom
Amtsgericht, von der Polizei und von der Kirche zusammen”, sagte Richter gestern. Die
Abschiebung sei auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Die fünfköpfige Familie kehrte in das Asylbewerberheim Hohenleipisch zurück,
wo sie vor dem Kirchenasyl untergebracht war. Die mittlere Tochter feierte
dort am Samstag ihren dritten Geburtstag.
Die Familie war am Donnerstag aus der Zuflucht der Kirchgemeinde Tröbitz
(Elbe-Elster) geholt und getrennt worden. “Die Polizei fährt hier immer noch
Streife”, berichtete der Tröbitzer Pfarrer Stefan Branig. Die Polizei teilte am
Sonntag mit, sie habe auf das Hilfeersuchen eines Gerichtsvollziehers
reagiert, der die Familie auf Anordnung des Amtsgerichtes Bad Liebenwerda vorführen
sollte. “Es handelte sich somit nicht um eine polizeiliche Maßnahme”, hieß
es. Auch der CDU-Innenpolitiker Sven Petke verteidigte das Vorgehen der
Polizei.
Das Ehepaar war nach dem Polizeieinsatz in Abschiebehaft nach
Eisenhüttenstadt gebracht worden. Die zwei, vier und sechs Jahre alten Kinder waren
in ein
Heim in Fürstenwalde gekommen. Landrat Richter betonte: “Die Trennung war
nicht zu verantworten.
Es gibt kein Recht auf Kirchenasyl”
Justizministerin Richstein: Wenn es Urteile gibt, müssen diese auch
vollzogen werden
(Tagesspiegel) Tröbitz /Potsdam. Am vergangenen Sonnabend lachte die kleine Bucra Filiz
schon wieder. Schließlich konnte sie ihren dritten Geburtstag nicht nur mit den
beiden Geschwistern, sondern auch mit ihren Eltern feiern. Zwei Tage zuvor
waren diese aus dem Kirchenasyl im Elbe-Elster-Kreis geholt, von den Kindern
getrennt und in die Abschiebehaft nach Eisenhüttenstadt gebracht worden (der
Tagesspiegel berichtete). Bucra, ihr fünfeinhalb Jahre alter Bruder Süleymann
und ihre eineinhalbjährige Schwester Zeynep kamen in ein Kinderheim. Erst nach
massiven Protesten der Öffentlichkeit hatte der zuständige Landrat die
Abschiebung der kurdischen Familie ausgesetzt. Die Eltern kehrten zusammen mit
ihren Kindern in das Asylbewerberheim in Hohenleipisch zurück.
Heute will der Landrat gemeinsam mit Vertretern des Amtsgerichts in Bad
Liebenwerda, der Polizei und der evangelischen Kirche über das weitere Vorgehen
beraten. Justizministerin Barbara Richstein (CDU) sagte dem Tagesspiegel:
„Es gibt kein Recht auf Kirchenasyl. Deshalb sind solche Fälle immer
problematisch. Wenn es rechtskräftige Urteile gibt, dann müssen diese auch
vollzogen werden.“ Die Evangelische Kirche hatte der Familie Asyl gewährt, weil
die 24-jährige Mutter des Jungen unter Depressionen leidet. Die Gemeinde
regte ein Gutachten durch einen Berliner Spezialisten für traumatische
Erkrankungen von Flüchtlingen an. Die Ausländerbehörde des Landkreises lehnte dies ab,
obwohl der Chefarzt des Klinikums Niederlausitz darauf hingewiesen hatte,
dass es im Land Brandenburg keine entsprechenden Experten gebe. Der Landrat war
über diesen Vorgang und die Trennung der Eltern von den Kindern
offensichtlich unzulänglich informiert gewesen. Er bedauerte inzwischen das harte
Vorgehen gegen die Familie und setzte die Abschiebung aus.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen forderten Politiker erneut die
Einrichtung einer Härtefallkommission im Land. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern
wie Berlin, gibt es in Brandenburg keine solche Institution. Deshalb kam es
immer wieder zu spektakulären Aktionen im Zusammenhang mit drohenden
Abschiebungen. So sammelten die Einwohner von Guben tausende Unterschriften, um die
Abschiebung von zwei Familien aus dem Kosovo, die in der Neißestadt integriert
waren, zu verhindern. Im Januar dieses Jahres waren Polizisten auf der Suche
nach vietnamesischen Asylbewerbern in ein Pfarrhaus in Schwante eingedrungen.
Damals hatte Ministerpräsident Platzeck nach Gesprächen mit Innenminister
Jörg Schönbohm (CDU) versichert, dass Kirchenasyl künftig vom Land respektiert
werde.