Am 19. Juni wollten die sogenannten „Langen Kerls“ eine öffentliche Rekrutierung auf dem Potsdamer Kutschstall abhalten. Diese öffentliche Inszenierung preußischen Militarismus‘ ist keinesfalls eine pädagogische, „anfassbare“ Form der Geschichtsvermittlung, sondern Geschichtsklitterung auf Höchststand. Und so fand sich eine Gruppe von fünfzig Potsdamer_innen zusammen um die öffentliche Inszenierung preußisch-deutschen Geschichtsrevisionismus zu verhindern.
Mit Transparenten blockierten sie den Blick der Zuschauer_innen auf die Langen Kerls und verunmöglichten ihnen somit die ungestörte Fortsetzung ihrer Rekrutierung. Die anwesenden Beamt_innen, vor allem diejenigen in Zivil, zogen sich zwar schon einmal ihre Lederhandschuhe über, beschränkten sich aber auf das Abfilmen der Proteste. Sie dürften ebenso wie die Langen Kerls sehr viel Freude daran gehabt haben, denn der gesamte Kutschstall roch erbärmlich nach Buttersäure.
Der reale Kern an der Darstellung der langen Kerls ist wohl einzig die, immer wieder betonte, Orginalitätsnähe der Kostüme. So gingen in Preußen zur Zeit der Langen Kerls kaum eine Rekrutierung ohne Zwangsmaßnahmen voran. Auf den Alkohol, welchen sich die preußischen Soldaten genehmigten, standen damals empfindliche Strafen. Gegen zwölf Uhr verließen die Langen Kerls ihren Posten um Mittag zu essen. Dabei sprachen sie auch den Protestierer_innen eine Einladung aus, die könnten sich einmal „ordentlich durchschnorren“ auf Kosten der „preußischen Toleranz“. Schon die Wortwahl macht deutlich, wie weit es her ist mit dieser Toleranz.
Was dann folgte ist ein Paradebeispiel für die Unfähigkeit der Potsdamer Polizei. Den Linken, welche die Einladung zum Mittagsmahl annehmen wollten, wurde die Tür vor der Nase zugeschlagen. Gegen die dann einsetzenden Empörungsrufe, ging der Einsatzleiter der Polizei gemeinsam mit zwei seiner Kollegen äußerst rabiat vor. Innerhalb weniger Sekunden variierte er seine „Taktik zur Beruhigung der Lage“ von der einfachen Bitte die Musik abzustellen hin zum unkontrollierten Schubsen und Treten der Protestierer_innen. Von dem dann entstehenden Tumult waren wohl auch die anderen Beamt_innen überrascht, sie zückten ihre Schlagstöcke, bzw. Tonfas und begannen ihrem Einsatzleiter nachzueifern. Daraufhin setzten sich die Linken unter Rufen wie „Nie wieder Preußen“ auf den Boden. Dies war zumindest kurzzeitig dazu geeignet, die Lage zu deeskalieren und Übersichtlichkeit herzustellen. Aber auch damit waren der Einsatzleiter und seine Scherg_innen überfordert.
Der Einsatzleiter besann sich noch (nach Hinweis durch die Protestier_innen), dass er die Veranstaltung erst als beendet erklären muss um körperliche Gewalt einzusetzen. Bei der Räumung der Sitzblockade allerdings, war alles Fachwissen schon wieder dahin. Zivilbeamte schlugen mit ihren Schlagstöcken auf die Arme sitzender, passiv Widerstand leistender Menschen, es gab mehrere Beamt_innen welche durch Würgegriffe oder Griffe in die Augenhöhle versuchten die Linken aus der Toreinfahrt des Kutschstalls zu entfernen. Letztendlich gelang ihnen das auch. Bemerkenswert ist auch eine Beamtin, welche wohl als einzige die Sinnlosigkeit der Gewalt bemerkte und rief: “Warum lassen wir sie nicht einfach sitzen?“. Dazu sagt Sarah Beckett vom ak_antifa_potsdam: „Es ist dem reinen Zufall zu verdanken, dass die Teilnehmer_innen der Sitzblockade keine schwereren Verletzungen davongetragen haben bei ihrem Versuch der Glorifizierung des preußischen Militarismus mit friedlichen Mitteln etwas entgegenzusetzen.
Bis auf die völlige unnötige Eskalation am Ende der Veranstaltung durch die Potsdamer Polizei, sehen wir die Aktion allerdings als vollen Erfolg an. Wir konnten verhindern, dass die Langen Kerls unkommentiert eine Art preußisches Disneyland nachspielen und den wahren Kern ihrer hochgelobten preußischen Toleranz als gewalttätigen Ausschluss von Kritiker_innen entlarvt.“