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Antifaschismus

Ofenstadt Velten wehrt sich gegen Neonazis

Am gest­ri­gen 01. Sep­tem­ber führ­ten die Jun­gen Na­tio­nal­de­mo­kra­ten (JN) eine Kund­ge­bung mit rund 70 Teil­neh­mer*innen am Vel­te­ner Rat­haus durch. An­lass dafür war die Ab­leh­nung der Nut­zung des Sport­plat­zes des ört­li­chen Rug­by­ver­eins durch den Ver­ein und der Stadt. Schon im De­zember 2011 be­schlos­sen Vel­te­ner Ab­ge­ord­ne­te in ein­er Sat­zung, dass die Nut­zung von städ­ti­schen Räume für po­li­ti­sche Ver­an­stal­tun­gen ver­bo­ten sei. Durch diese Re­ge­lung konn­te die JN aus­ge­sperrt wer­den. Etwa 12 Mann­schaf­ten waren an­ge­mel­det und woll­ten mit Zel­ten an­rei­sen. Das in rech­ten Sze­ne­krei­sen als „an­ti­im­pe­ria­lis­tisch“ be­kann­te Fuß­ball­tur­nier wird jedes Jahr um den 01. Sep­tem­ber ver­an­stal­tet und fand in der Ver­gan­gen­heit in Ora­ni­en­burg (2007), Pots­dam (2009), Tel­tow Flä­ming und wei­te­ren Städ­ten statt und galt als wich­ti­ge Ver­net­zungs­ver­an­stal­tung. Am 1. Sep­tem­ber 1933 über­fiel Deutsch­land Polen und lei­te­te damit den An­fang des zwei­ten Welt­krie­ges und somit den Be­ginn der Shoa und den Ver­nich­tungs­krieg gegen seine Geg­ner*innen ein. Heute wird an die­sen Datum öf­fent­lich für Frie­den und gegen Krieg ein­ge­stan­den. Bun­des­weit ver­su­chen Neo­na­zis den 1. Sep­tem­ber, für ihre Zwe­cke zu in­stru­men­ta­li­sie­ren. So wol­len sie linke Po­si­tio­nen be­set­zen und ver­schlei­ern den mör­de­ri­schen Im­pe­ria­lis­mus Deutsch­lands in der Zeit von 1933 – 1945.

An der Kund­ge­bung nah­men Per­so­nen aus Vel­ten, Ora­ni­en­burg, Ber­lin, Neu­rup­pin, Witt­s­tock, Nauen, Ra­the­now, Pots­dam, Bar­nim, Mär­kisch-?Oder­land und Ham­burg teil. Der An­mel­der der Kund­ge­bung war der Ber­li­ner NPD-?Lan­des­vor­sit­zen­de und Füh­rungs­ka­der des NW-?Ber­lin, Se­bas­ti­an Schmidtke. Schmidtke er­schien je­doch wie an­ge­kün­digt nicht zur Ver­an­stal­tung. Als Ver­samm­lungs­lei­ter und Red­ner war der vor kur­zen nach Lübt­he­en ver­zo­ge­ne JN-?Bun­des­vor­stands­mit­glied und ört­li­che JN-?Ka­der Se­bas­ti­an Rich­ter an­we­send. Rich­ter sprach mehr­fach von der „Volkstreu­en Ju­gend Ober­ha­vel“, denen das Recht auf Fuß­ball­spiel ver­wehrt wurde. Wei­te­re an­we­sen­de Neo­na­zis aus Ober­ha­vel waren Phi­lip Bad­czong (JN Ora­ni­en­burg), Rene Do­wall (JN Ora­ni­en­burg), Chris­ti­an Fritz (JN Ora­ni­en­burg), Hen­ry Pran­g (JN Ora­ni­en­burg), Burk­hard Sah­ner (NPD Ober­ha­vel, Schön­wal­de) und Stef­fen Gram­mel (NPD Ober­ha­vel, Hen­nigs­dorf). Ein wei­te­rer an­we­sen­de NPD Funk­tio­när, der kurz­zei­tig eine Bran­den­burg Fahne hoch hielt, war Mike Schnei­der aus Nauen, wel­cher in Nauen Stadt­ver­ord­ne­ter ist. Als An­ti-?An­ti­fa-?Ak­ti­vist be­tä­tig­te sich der Vel­te­ner und Mit­glied der Ka­me­rad­schaft “Freie Kräf­te Neu­rup­pin/Ost­ha­vel­land” Toni Mel­chert. Aus Ber­lin waren Neo­na­zis des ver­bo­te­nen “Front­bann 24”, der NPD und des “Na­tio­na­len Wi­der­stand Ber­lin” an­we­send, dar­un­ter be­kann­te Per­so­nen wie Ge­si­ne Henn­rich, Ron­ny Schr­a­der, Björn Wild,  Oli­ver Oelt­ze, Da­ni­el Schie­fer, Da­ni­el Mei­nel, Roman Ki­sche, Gor­don Bodo Dreisch und Mar­cus Bi­sch­off. Aus Bar­nim waren Mit­glie­der der auf­ge­lös­ten “Ka­me­rad­schaft Mär­kisch Oder Bar­nim” und des “Bar­ni­mer Freun­des­kreis 25” an­ge­reist, die zum Teil Pull­over mit der Auf­schrift tru­gen. Eine der Per­so­nen trug einen Pull­over mit ein­er Schwar­zen Sonne, auf der­Hän­de zum Hit­ler­gruß ge­legt waren. Das Bild, wie auch wei­te­re Ver­stö­ße, waren kein Ein­lass für die Po­li­zei straf­recht­lich zu in­ter­ve­nie­ren. Aus Mär­kisch-?Oder­land waren die „Au­to­no­men Na­tio­na­lis­ten – Oder Spree“ mit einen Trans­pa­rent ver­tre­ten. Auch die „Wei­ßen Wölfe Ter­ror­crew“ waren mit der Sek­ti­on Ham­burg und Witt­s­tock ver­tre­ten. Unter den Witt­s­to­ckern war der Füh­rungs­ka­der und mehr­fach ver­ur­tei­le Ge­walt­tä­ter Sandy „Lui“ Lud­wig an­we­send. Sek­ti­on Ham­burg muss­te kurz nach Auf­takt der Kund­ge­bung ihr Trans­pa­rent mit der Auf­schrift „BRD Zer­schla­gen“ an die Po­li­zei über­ge­ben. Neu­rup­pin und Ost-?Pri­gnitz waren zu dem mit zwei Schwar­zen Fah­nen vertreten.

Aus­weich­kund­ge­bung für Dortmund?

Neben Grup­pen­trans­pa­ren­ten zeig­ten die Teil­neh­mer*innen der Na­zikund­ge­bung eines mit der Auf­schrift „Schö­ne Grüße nach Dort­mund. So­li­da­ri­tät ist nicht nur ein Wort“. Spä­ter hin­ter­lie­ßen sie mit Krei­de eine wei­te­re Gruß­bot­schaft: „So­li­da­ri­tät mit dem NWDO“, so wie „Na­tio­na­ler Wi­der­stand“ mit Namen ver­bo­te­ner Ka­me­rad­schaf­ten und Neo­na­zi­netz­wer­ke. Mut­maß­lich stell­te die Kund­ge­bung für Neo­na­zis aus der Re­gi­on eine Er­satz­kund­ge­bung für die De­mons­tra­ti­on in Dort­mund dar, wel­che nach dem Ver­bot des Na­tio­na­len Wi­der­stan­des Dort­mund (NWDO) durch die Stadt eben­falls ver­bo­ten wurde. Der An­mel­der der Vel­te­ner Kund­ge­bung, Se­bas­ti­an Schmidtke, war in Dort­mund als Red­ner vor­ge­se­hen und am mor­gen der Kund­ge­bung rief er auch noch zu bun­des­wei­ten Ak­tio­nen gegen Re­pres­si­on auf. Der sog. „Na­tio­na­le An­ti­kriegs­tag“ in Dort­mund gilt als gro­ßes Event der bun­des­wei­ten Neo­na­zi­sze­ne. Neben den So­li­da­ri­täts­be­kun­dun­gen ist der Mo­bi­li­sie­rungs­er­folg bin­nen der kur­zen Zeit ein wei­te­res Indiz dafür.

Ehe­ma­li­ger Rechts­ter­ro­rist Bi­sch­off auf der Kundgebung

Mit einem freund­li­chen Han­schlag be­grüß­te der Ver­samm­lungs­lei­ter Se­bas­ti­an Rich­ter den Ber­li­ner Mar­kus Bi­sch­off. Bi­sch­off war in den 90ern Mit­glied des „Weis­sen­se­er Ari­scher Wi­der­stand (WAW)“ aktiv. In der Zeit zwi­schen 1992 und 1993 ver­such­ten Neo­na­zis nach dem Vor­bild von Ros­tock-?Lich­ten­ha­gen Asyl­be­wer­ber­hei­me in den Be­zir­ken Pan­kow, Wei­ßen­see und Ho­hen­schön­hau­sen mit Brand­sät­zen nie­der­zu­bren­nen. Die On­line Zei­tung „Scharf Links“ schrieb dazu:

Der Hö­he­punkt die­ser At­ta­cken war 1993 er­reicht, als die Neo­na­zi­grup­pe “Wei­ßen­se­er Ari­scher Wi­der­stand (WAW)” Hand­gra­na­ten in ein Flücht­lings­heim in Wei­ßen­see warf. Zudem ver­üb­te die Grup­pe in die­sem Zeit­raum An­schlä­ge auf Par­tei­bü­ros der PDS, der Vor­gän­ge­rin der heu­ti­gen Links­par­tei. Im Zu­sam­men­hang mit dem WAW fiel der Name des Neo­na­zis Mar­cus Bi­sch­off. Er wurde 1994 für die Pu­bli­ka­ti­on der Pro­pa­gan­da­schrift “NS-?Kampf­ruf” an­ge­klagt, die in di­rek­tem Zu­sam­men­hang mit dem WAW stand.?“

Heute ist Bi­sch­off fes­tes In­ven­tar der NPD Ber­lin. Im Som­mer 2011 un­ter­stütz­te er per­so­nell den Wahl­kampf der NPD in Ber­lin-?Pan­kow.

JN-Vize-?Chef hat­te Tri­kot des Ora­ni­en­bur­ger FC an

In Mit­ten der Kund­ge­bung ver­such­ten Mit­glie­der der JN Ora­ni­en­burg den Ein­druck der un­schul­di­gen Ju­gend­li­chen, die le­dig­lich Fuß­ball spie­len wol­len, zu ver­mit­teln. So for­der­te Rich­ter die “volk­streue Ju­gend” auf: “geht raus, geht auf die Sport­plät­ze! Spielt Fuss­ball”! Zehn Per­so­nen, dar­un­ter auch Rich­ter, spiel­ten dem­ent­spre­chend Fuß­ball in vol­ler Fuß­ball­klei­dung. Teile der Spie­ler hat­ten Tshirts mit der Auf­schrift „Sport Frei!“ und „Bran­den­burg“ an. Rich­ter trug hin­ge­gen ein Shirt des „Ora­ni­en­bur­ger FC Ein­tracht 1901“, aus­ge­rech­net eines Ver­eins, des­sen Sta­di­on „Ca­rol­lis To­le­ranz-?Are­na“ heißt. Das Spiel wurde laut Rich­ter mit dem Er­geb­nis „BRD 14 – Volk­streue Ju­gend 88“ be­en­det. Die Zah­len 14 und 88 ste­hen hier­bei für die Zah­len­codes “14 Words” und “Heil Hitler”.

Laut­star­ke Proteste

Mit lau­ter Musik und kräf­ti­gen „Nazis Raus“ rufen wurde die Neo­na­zikund­ge­bung über­tönt. Zum Ge­gen­pro­test in Sicht-? und Hör­wei­te waren knapp 150 An­ti­fa­schist*innen er­schie­nen und zeig­ten deut­lich, dass die Neo­na­zis in Vel­ten nicht will­kom­men sind. Zum Pro­test hat­te das Bünd­nis „Obeha­vel Na­zi­frei“, be­ste­hend aus lin­ken Par­tei­en und Ju­gend­ver­bän­den, An­ti­fa und Zi­vil­ge­sell­schaft, auf­ge­ru­fen. Neben die­sen waren auch die „In­itia­tiv­grup­pe gegen Ras­sis­mus und Ge­walt Vel­ten“ und das Ak­ti­ons­bünd­nis „Neu­rup­pin bleibt bunt“ an­we­send, so wie wei­te­re Bür­ger*innen. Hinzu kamen pro­mi­nen­te Po­li­ti­ker*innen wie Ger­rit Große (Die Linke, Vi­ze-?Land­tags­prä­si­den­tin), An­ge­li­ka Krü­ger-?Leiß­ner (SPD, MdB) und Hel­muth Mar­kov (Die Linke, stell­ver­tre­ten­der Mi­nis­ter­prä­si­dent und Fi­nanz­mi­nis­ter des Lan­des Bran­den­burg) und hiel­ten Reden. Auch die am­tie­ren­de Bür­ger­meis­te­rin Ines Hüb­ner mel­de­te sich zu Wort. Nicht kri­tik­los muss fest­ge­stellt wer­den, dass Hüb­ner zuvor noch ge­hofft hat, dass der Neo­na­zikund­ge­bung keine Be­ach­tung ge­schenkt wird und die Vel­te­ner*innen sich lie­ber dem Knei­pen­fest wid­men.

Faz­it

Die Na­zikund­ge­bung hat ge­zeigt, dass die Neo­na­zi­struk­tu­ren Ober­ha­vels kei­nes­wegs in­ak­tiv sind – ganz in Ge­gen­teil! Eben­falls zeig­te es, wie stark diese mit dem NW-?Ber­lin und an­de­ren Struk­tu­ren ver­netzt sind. Zudem ver­här­tet sich der Ver­dacht, dass der NW-?Ber­lin den Ver­such star­tet sich auf das Ber­li­ner Um­feld aus­zu­brei­ten. Die Neo­na­zikund­ge­bung hat al­ler­dings auch ge­zeigt, dass an­ti­fa­schis­ti­sche In­ter­ven­ti­on und zi­vil­ge­sell­schaft­li­ches En­ga­ge­ment in Vel­ten und Ober­ha­vel wei­ter­hin eine hohe Not­wen­dig­keit be­sitzt. Nur durch eine Zu­sam­men­ar­beit von vie­len Ak­teur*innen, wie sie in Vel­ten ges­tern be­stand, kann Neo­na­zis Pa­ro­li ge­bo­ten und der öf­fent­li­che Raum ent­zo­gen wer­den. Doch das reicht nicht dau­er­haft. Auf allen Ebe­nen muss Neo­na­zis eine klare Ab­sa­ge er­teilt wer­den – in den Schu­len, Par­la­men­ten, Ver­ei­nen etc.

Keine Räume für Neo­na­zis! Wed­er in Vel­ten, noch anderswo!

Wei­te­re Bil­der:
www.?flickr.?com/?photos/?boeseraltermannberlin/?sets/?7215763135521585
http://?www.?flickr.?com/?photos/?presseservice_?rathenow/?sets/?721576313569340
http://?www.?flickr.?com/?photos/?soerenkohlhuber/?sets/?72157631358622710/?
http://?www.?flickr.?com/?photos/?rassloff/?sets/?72157631367026350/?
http://?www.?demotix.?com/?news/?1418970/?protest-against-neo-nazi-rally-velten-brandenburg#?slide‑1

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