Stefan Sarrach, rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Linke.PDS, besuchte gestern Julia S. in der JVA Luckau-Duben, um sich einen Eindruck von den Bedingungen ihrer Untersuchungshaft zu machen. Damit bereitete er
sich auf die nächste Sitzung des Rechtsausschusses vor, an den Sarrach am 20.Oktober einige Fragen richten will.
Die 21-jährige Julia S. sitzt seit Juni 2005 wegen Verdachts des „gemeinschaftlichen Mordversuches“ in Untersuchungshaft. Am Abend des 18.Juni war sie mit einer Gruppe weiterer Personen in Potsdam fest genommen worden, nachdem es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen der Gruppe und einem bekannten Neonazi gekommen war. Letzterer wurde dabei leicht verletzt, jedoch hatte die Gruppe angeblich einen Teleskopstab benutzt, was die Staatsanwaltschaft zu dem schwer wiegenden Verdacht veranlasste.
Die anderen Personen sind mittlerweile aus der Untersuchungshaft entlassen. Um Julia S. bildete sich eine Unterstützergruppe. Am 5.Oktober übergab diese einen offenen Brief an Potsdams Oberbürgermeister Jann Jacobs, mit dem die Freilassung von Julia S. gefordert wurde. Viele Unterstützer aus Kultur, Medien und Politik unterzeichneten den Brief. Kritisiert wurde darin auch die von Medien reproduzierte vermeintliche „Gewaltspirale“ von Links und Rechts sowie die juristische Ungleichbehandlung rechter Straftäter.
Nach dem Gespräch mit Julia S. will Sarrach den offenen Brief mit seiner Unterschrift unterstützen. Die politische Einschätzung des Briefes teile er, sagte er gegenüber ND. Er kritisiere vor allem den Postverkehr. Es dauere regelmäßig mehr als zwei Wochen, bis Briefe zugestellt werden, weil sie erst über den Richtertisch gehen. Es gebe darüber hinaus Vermutungen, dass Post verschwunden sei. Zukünftig werde er darauf achten, dass die Post, die er ihr als Abgeordneter schickt oder von ihr empfängt, ungeöffnet bleibt.
Als zweiten wichtigen Punkt nannte Sarrach die Auswertung der Beweismittel. Ihn interessiert, ob der Teleskopstab mittlerweile ausgewertet wurde. Es gehe weniger um Ergebnisse, sondern darum, wie zügig die Ermittlungen vorangehen, um endlich zu einer Aufhebung der Untersuchungshaft zu kommen.
Diese beiden Hauptfragen wird Sarrach in den Rechtsausschuss tragen. Dazu kämen die Frage der angeblichen Gewaltspirale zwischen Linken und Rechten in Potsdam und die Vorwürfe der Ungleichbehandlung rechter Gewalttaten.
Unbefriedigend an dem Besuch fand Sarrach, dass das Amtsgericht zwar kurzfristig eine Besuchserlaubnis erteilte, aber die Zeitdauer beschränkte und die Anwesenheit eines Beamten anordnete, obwohl er als Abgeordneter einen unbeaufsichtigten Besuch beantragt hatte. Schon oft habe er Gefangene in U‑Haft besucht, aber noch nie diese Auflage bekommen, empörte sich Sarrach. Aus seiner Sicht verletzten die Auflagen die Rechte von Julia S., unüberwacht mit ihm als Mitglied der Volksvertretung zu kommunizieren. Er sei der Anstalt aber dankbar, dass vor Ort eine für alle zufrieden stellende Lösung gefunden wurde.
Julia S. informiere sich mit Zeitungen und einem Fernseher in ihrer Zelle und habe die Kundgebungen ihrer Solidaritätsgrupppe vor dem Knast im August und September akustisch wahrgenommen, berichtete Sarrach. Sein nächster Besuchstermin ist nach der Rechtsausschusssitzung geplant.