Sehr geehrte Genoss*Innen,
wir wissen nicht, ob Ihnen diese Anrede außerhalb der DDR-Geschichte etwas bedeutet und auch nicht, ob Ihnen als „Linke“ die Meinung anderer Linker etwas am Herzen liegt? Wir
versuchen es trotzdem…
Zu Uns
Wir sind die Gruppe, die am 21.09.2018, also zwei Tage vor der Bürgermeisterwahl in Potsdam, das Haus in der Gutenbergstraße mit der Nummer 67 besetzt hat. Die Besetzung
fand an diesem Tag statt, um kurz vor der Bürgermeisterwahl, auch in Verbindung mit der am Tag darauf folgenden „Stadt für Alle“ Demonstration, eine kleine Kampagne gegen die Wohnungspolitik der Stadt Potsdam zu initiieren. Mit ca. 1000 Demonstrant*Innen und durch zeitliche Nähe zur Besetzung würden wir dieses Vorhaben durchaus als erfolgreich bezeichnen. Die ehemalige Schule, die wir besetzten, wird, vielleicht auch durch unsere Aktion, als feste Schuleinrichtung geplant und auch die Turnhalle in der Kurfürstenstraße, die vom Verkauf und Umbau zu Luxuswohnungen bedroht war, bleibt nun in kommunaler Hand und wird als Turnhalle für die Schule in der Gutenbergstraße saniert.
Wir und die „Linkspartei“!
An der Demo nach der Besetzung, also am 22.09., nahm auch die Bürgermeisterkandidatin der „Linken“ Martina Trauth mit einer Gruppe anderer Parteimitglieder teil. Zu erkennen waren sie an Fahnen der „Linkspartei“. Sie wurden zu beginn der Demonstration gebeten ihre Fahnen nicht mitzuführen und kamen der Aufforderung auch nach. Auch das Motto unserer Demo „Stadt für Alle“ wird von der Linkspartei genutzt und dadurch eine Nähe zu sozialen Bewegungen in der Stadt suggeriert, die es unserer Meinung nach nicht gibt.
„Die Linke“ als Name beansprucht etwas, das die Realität in Potsdam widerlegt, nämlich noch ein Gespür für Bewegungen ausserhalb von Parlamenten und Gremien zu haben. Die „Linke“, die in Brandenburg Polizeigesetzverschärfungen mit organisiert, die vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen wären, die den Verfassungsschutz mit aufstocken wird, obwohl
im NSU-Ausschuß ein Skandal nach dem anderen ans Licht kommt, die jedem zwielichtigen „Investor“ (RAW Gelände, Schwimmbad, Krampnitz) den Roten Teppich ausrollt, diese Linke hat mit unserer Vorstellung von einer besseren Welt nichts zu tun. Wir sehen sie, angesichts ihres Handels, zusehends als Gegnerin und immer seltener als mögliche Bündnisparterin. Auch wenn wir uns bei Veranstaltungen gegen Nazis, ob Kameradschaften oder AFD, meistens auf der selben Seite der Blockade wiederfinden, hat es sich damit eigentlich schon erledigt. Taktierereien von Scharfenberg um das Schwimmbad, die Fachhochschule, Mercure und Staudenhof werden mit großen Worten als historisch umschrieben, ändern aber grundlegend nie etwas an der Tendenz zu privatisieren, abzureißen oder zu verdrängen. Wir würden behaupten, dass die Besetzung der
Fachhochschule mehr Einfluss auf den Verkauf des Grundstückes darunter genommen hat und die zukünftige Sozialstruktur mit beeinflusst, als irgendeiner von den erwähnten historischen Kompromissen. Im Fall Mercure wird etwas für sich, also für die Potsdamer Linkspartei, beansprucht, das nur Realitäten anerkennt, weil ein Ankauf durch die Stadt wirklichkeitsfremd und ein Abriss nicht zu realisieren gewesen wäre. Das Taktieren im Zusammenhang mit dem Bürgerbegehren gegen die Garnisonkirche kann man durchaus als Verrat an den Initiativen interpretieren, die das Begehren betrieben haben. Unterm Strich hat die Linkspartei durch ihr Abstimmungsverhalten eine Bürger*Innenbefragung aktiv verhindert. Angesichts dieser Fakten haben wir wenig Hoffnung, dass sich an dieser Politik hinsichtlich der Pläne zum Rechenzentrum und Staudenhof etwas ändern wird. Die Potsdamer Linkspartei erweckt eher den Eindruck, als verstehe sie die Ängste vor Verdrängung der ärmeren Potsdamer*Innen gar nicht, geschweige denn, dass sie sie überhaupt noch wahrnimmt.
Ihr könntet auch anders!
Es ist kein Geheimnis, dass die Außerparlamentarische Linke ihre Sorgen und Probleme mit Machtstrukturen und Hierarchien in Parteien hat, uns geht es genauso! Wir sind aber bereit
und dazu in der Lage Bündnisse einzugehen, zum einen mit bürgerlicheren Initiativen, aber auch mit Parteien. Das halten wir angesichts des Rechtsrucks in der Politik für geboten. Der kleinste gemeinsame Nenner darf dabei aber nicht das diffuse GegenRechtsGefühl sein. In Berlin steht die „Linke“ offensichtlich in direkterem Austausch mit Gruppen und Initiativen in der Stadt. Bürgerbegehren nehmen dort Einfluss auf Stadtpolitik, wenn zum Beispiel aktuell vom Senat eine Enteignung der „Deutsche Wohnen“ in Betracht gezogen wird und Vorkaufsrechte in Anspruch genommen werden um Milieus und Strukturen vorm Renditeausverkauf zu beschützen.
Politik muss sich an Ergebnissen messen lassen, was natürlich schwierig ist, wenn unser Kampf gegen Windmühlen hier und da nur kleine Erfolge ermöglicht. Wenn mal ein Bürgerrecht gestärkt oder kommunales Eigentum vergrößert wird, kann der Eindruck entstehen, dass alles gut ist oder zumindest besser werden könnte, aber im großen und ganzen wird dabei die Frage nach der Systematik selten gestellt. Wir fragen uns welche
Utopien eine Linkspartei hat, wenn ihr das Wort Sozialismus nicht mehr über die Lippen rutscht, außer bei Folkloreveranstaltungen wie dem Rosa Luxemburg Gedenken. Rosa
Luxemburg war Revolutionärin, sie wollte nicht ein Stück der Macht im Kapitalistischen Ringelreien, sie wollte den Kapitalismus zerstören und als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg
etwas anderes erschaffen. Dafür wurde sie ermordet! Wenn sie aber als Ikone der Linkspartei herhalten soll, muss sich irgendetwas von ihren Ideen auch im kleinsten Kreisverband wiederfinden und das Paradigma sein nach der sich linke Politik ausrichtet, auch wenn es nur das Bekenntnis ist, Politik für die Opfer dieser Gesellschaft und der
kapitalistischen Ausbeutung zu machen. Eine Utopie für eine bessere Gesellschaft kommt uns angesichts der realen Verhältnisse zu hochgegriffen vor. Also bleiben wir beim hier und jetzt: Statt für Spekulanten lieber mal Politik für Stadtteilinitiativen machen, statt Privatisierung, Rekommunalisierung, statt Miete nach oben, Löhne nach oben.
Auf uns bezogen heißt das, dass in diesem Jahr Gerichtsverfahren anstehen, weil wir uns durch eine Besetzung in die Stadtpolitik eingemischt haben. Die Verfahren kosten Geld und die öffentliche Wahrnehmung bestimmt letztendlich den Erfolg von Bewegungen außerhalb von Parteipolitik. Will die Potsdamer Linkspartei in irgendeiner Form noch Bezugspunkte zu dieser Bewegung haben, sollte sie Gruppen wie unsere unterstützen, Öffentlichkeit schaffen und die Stadt Potsdam auffordern, die Anzeigen zurück zu nehmen. Unser
Anliegen endet natürlich nicht in dem Moment, in dem wir freigesprochen oder nicht verurteilt werden. Wir werden weiter demonstrieren, vielleicht auch wieder besetzen. Ob es
dabei in irgendeiner Weise Sinn macht mit der „Linken“ für eine „Stadt für Alle“ zu demonstrieren, hängt auch davon ab, wie sich die Politik der Partei in Zukunft gestaltet.
In diesem Sinne
Die Besetzer*Innen der Gubbi67