Kategorien
Uncategorized

Offener Brief von Asilov Edik

Sehr geehrter Herr Thierse! 

Es wen­det sich an Sie der Bürg­er der Rus­sis­chen Föder­a­tion Asilov Edik Erk­iba­je­vitsch. Mein Neffe, Kajrat Batesov, wurde von jun­gen deutschen Ras­sis­ten grausam getötet. 

Meine Mut­ter, Asilo­va (geb. Ret­zlaff) Vera Karlov­na, erzählte, dass unsere Vor­fahren nach Rus­s­land zwecks Wach­s­tum des Kul­tur­niveaus geschickt wur­den. Doch das kom­mu­nis­tis­che Regime entku­lak­isierte (enteignete) nach der Rev­o­lu­tion in den zwanziger Jahren die Deutschen und ließ sie ohne Exis­ten­z­grund­lage. Viele star­ben damals vor Hunger und schw­eren Erkrankun­gen, darunter auch unsere Groß­mut­ter Ret­zlaff (geb. Fitz) Anna Johan­nov­na und ihre jün­gere Tochter. Also blieben meine zehn­jährige Mut­ter und ihre sieben Geschwis­ter mut­ter­los. Später, in der Zeit der stal­in­is­tis­chen Repres­sio­nen wurde im Jahre 1937 ihr Vater — Ret­zlaff Karl Jakovle­vitsch erschossen. In der­sel­ben Nacht wur­den zusam­men mit dem Vater zwei Brüder — Friedrich und Johann — festgenom­men und offen­sichtlich erschossen, da sie danach nicht mehr heimkehrten. Irgendwelche Infor­ma­tio­nen über sie zu fordern, war lebens­ge­fährlich. Während des Zweit­en Weltkrieges geri­eten noch zwei Brüder — Karl und Emil — in eine Arbeit­sarmee. Alle Schwest­ern wur­den aber wegen ihrer nationalen Zuge­hörigkeit nach Kasach­stan gesandt. Doch kamen in Kasach­stan nur zwei Schwest­ern — meine Mut­ter und ihre Schwest­er Elsa — an. Eine der Schwest­ern — Lidi­ja — wurde während eines Bombe­nan­griffs auf ihren Zug getötet. Die andere — Olga — starb an Dysen­terie auf dem Wege dor­thin. Ähn­liche Lei­den erlebte jede deutsche Familie. 

Während meines Lebens als Kind in einem entle­ge­nen Dorfe in Kasach­stan erregte mich das mir und meinen sechs Geschwis­tern ent­ge­genge­brachte harte und unfre­undliche Ver­hal­ten der Mitschüler, Lehrer und Nach­barn und das nur deswe­gen, weil meine Mut­ter eine Deutsche war. Mir schien es unge­heuer­lich, wie man sich zu uns und den anderen Deutschen ver­hielt; wie man ihre Men­schen­würde grob und grausam erniedrigte. Aber die Deutschen sind doch ein hochkul­turelles und fleißiges Volk. Ich war immer auf meine Herkun­ft und meine Mut­ter stolz. 

Meine Fam­i­lie war gezwun­gen, all das zu erdulden. Unsere Belei­di­gung war so groß, dass wir über eine Aus­reise nach Deutsch­land nachzu­denken began­gen. Nach langem Warten gab uns die deutsche Seite solche Möglichkeit. Abge­se­hen von ihrem Alter und der durch ihr schw­eres Leben angeschla­gene Gesund­heit, begab sich meine Mut­ter mit den Kindern und Enkeln in ihr Traum­land — in ihre his­torische Heimat, wo sie Ver­ständ­nis und Schutz für sich und ihre Kinder zu find­en hoffte. Doch dort geschah eine grässliche Tragödie — der Sohn mein­er Schwest­er, Kajrat Batesov, wurde nach einem Dis­cobe­such von ein­er Gruppe Jugendlich­er grausam ver­prügelt. Sie grif­f­en ihn an, als er sich auf den Weg nach Hause machte. Als er schon bewe­gungs­los auf dem Boden lag, nahm ein­er der Angreifer einen 16 kg schw­eren Stein und warf ihn auf die Brust meines Nef­fen. Es musste infolge eine schwere Oper­a­tion vorgenom­men wer­den. Mein Neffe erlitt Ver­let­zun­gen aller inneren Organe, einen Leber­bruch, einen Magen­bruch und ver­lor viel Blut. Nach drei Wochen in der Inten­sivs­ta­tion des Kranken­haus­es Pritzwalk, am 23. Mai 2002, starb Kajrat. 

Wir alle waren tief erschüt­tert nach einem solchen Unglück und Ver­lust. Wir waren schock­iert; unsere Hoff­nun­gen gin­gen zugrunde; wir kon­nten nicht glauben, dass so etwas in einem zivil­isierten und reichen Staate in friedlich­er Zeit geschehen konnte. 

Unsere ganze Fam­i­lie befind­et sich in ein­er starken Stress­si­t­u­a­tion. Meine Schwest­er, Raisa, die Mut­ter von Kajrat — lei­det an Asth­ma, jet­zt ver­schlim­merte sich ihre Krankheit. Nach den Geschehnis­sen hörte unsere Mut­ter auf zu gehen; ihre Parkin­sonkrankheit pro­gressierte; jet­zt ist sie ans Bett gefesselt. 

Schon früher bekam ich von eini­gen schon länger in Deutsch­land leben­den Ver­wandten und Bekan­nten zu hören, dass man auf deutschem Boden, ins­beson­dere in den Län­dern der ehe­ma­li­gen DDR, die aus der ehe­ma­li­gen UdSSR gekomme­nen Deutschen nicht beson­ders gern mag. Man bekommt den Ein­druck, dass Deutsch­land anfangs die Men­schen, die während des kom­mu­nis­tis­chen Regimes und der Kriegszeit nicht ver­nichtet wur­den, auf­nahm. Doch nun wer­den sie von hiesi­gen Ras­sis­ten ange­grif­f­en, erniedrigt und getötet, die davon überzeugt sind unbe­straft davon zu kommen. 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! 

Inständig bitte ich Sie, Ihre Aufmerk­samkeit diesem uner­hörten grausamen Atten­tat seit­ens deutsch­er Ras­sis­ten zu wid­men und alle nöti­gen Maß­nah­men zu tre­f­fen, damit sie ihre ver­di­ente Strafe erhalten. 

Bitte schützen Sie meine Mut­ter und meine Ver­wandten. Sie sind doch jet­zt deutsche Bürg­er und es sollte Ihre beru­fliche und zivile Pflicht sein, die Bürg­er Ihres Staates zu schützen und keine Ver­let­zung der Men­schen­rechte zuzulassen. 

Ich hoffe, dass meine Bitte Sie erre­icht und Sie nicht gle­ichgültig lässt. Ich sehe mich son­st gezwun­gen, mich an die inter­na­tionale Organ­i­sa­tion für den Schutz der Men­schen­rechte zu wenden. 

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! 

Lassen Sie bitte keine Wieder­hol­ung des mit meinem Nef­fen Geschehenen zu. 

Mit Hochachtung 

Ein­wohn­er der Stadt Elek­tro-Stahl der Rus­sis­chen Föderation

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Inforiot