In fünf brandenburgischen Haftanstalten wird ab Januar ein vielversprechendes Modellprojekt anlaufen. Bisher ist es bundesweit einmalig. Bei der Vorstellung dieses Projekts berichtete Justizminister Schelter, dass junge Strafgefangene mit rechtsextremistischer Orientierung an einem Bildungs- und Trainingsprogramm teilnehmen werden. Dabei erfahren sie mehr über Nationalsozialismus und Rassismus, über germanische Mythologie und Skinheadmusik. Vor allem aber müssen sie sich mit ihrer Rolle als Täter, mit den Erlebnissen ihrer Opfer und mit ihrer eigenen Zukunft auseinandersetzen. In offenen, auch kontroversen Diskussionen werden Rädelsführer — denen regelmäßig sehr schnell die Argumente ausgehen — entzaubert und Mitläufer zum Nachdenken gebracht. Ein sechsmonatiges Vorprojekt hatte bereits Erfolge gezeigt.
Von den Strafgefangenen, die nach Jugendstrafrecht verurteilt sind, gilt mindestens ein Drittel als rechtsextremistisch beeinflusst; einige sind bekennende Neonazis. Und die rechtsextremistische Propaganda macht vor den Gefängnismauern nicht Halt.
Die neonazistische “Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige”(HNG) betreut inhaftierte Rechtsextremisten durch Kontaktpflege: Die als “politische Gefangene” heroisierten Gesinnungskameraden erhalten aufmunternde Post, nur selten allerdings Besuche und fast nie Geld. Die Namen bekannter Aktivisten aus dem In- und Ausland, aber auch weiterer Häftlinge, die Briefkontakte wünschen, werden in den monatlich erscheinenden “Nachrichten der HNG” listenförmig veröffentlicht. Regelmäßig sind auch Häftlinge aus Brandenburg dabei. Die “Nachrichten der HNG” sind voll von Briefen, in denen Gefangene — auch aus brandenburgischen Justizvollzugsanstalten — ihre Haftsituation schildern.
Vergleichbare Gefangenenlisten und Haftberichte erscheinen auch in unabhängigen neonazistischen Publikationen, etwa der “Kameradenhilfe”, oder in Fanzines der Skinhead-Szene.
Aber auch in den Gefängnissen selbst gibt es hin und wieder Versuche von Rechtsextremisten, sich zu organisieren. Seit 1995 wurden Selbsthilfegruppen aufgebaut, die sich “Knast- und Kerkerkameradschaften” (KKS) nennen. Ein Mitinitiator der KKS war in Brandenburg inhaftiert. Seit er 1997 aus der Haft entlassen wurde, zerfielen, jedenfalls in Brandenburg, die KKS wieder. Die frühere KKS-Zeitschrift “Der weiße Wolf” erscheint inzwischen unabhängig von der rechtsextremistischen Gefangenenhilfe.
Ob mit oder ohne ideologische Munitionierung von außen — bei Rechtsextremisten steigert sich in der Haft leicht die Wut auf das “System”, das sie hinter Gitter gebracht hat. Und dann gibt es junge Häftlinge, die womöglich gar nicht wegen eines politisch motivierten Delikts verurteilt sind, aber schon früher für rechtsextremistische Denkklischees anfällig waren. Wenn sie im Gefängnis an die falschen Kameraden geraten, besteht die Gefahr, dass sich ihre Vorurteile und Fehlhaltungen verfestigen.
Hiergegen ist das demnächst beginnende Projekt ein wirksames Gegenmittel.
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