ORANIENBURG Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten lud am
Sonnabendvormittag zu einer Sonderführung in die Gedenkstätte Sachsenhausen
ein — zu der Zeit, als die Schmachtenhagener Straße in
Carl-Gustav-Hempel-Straße umbenannt wurde. Geschichte und Ausdehnung des
KZ-Komplexes war Thema dieser kurzfristig anberaumten und außerordentlich
gut besuchten Führung, die damit verdeutlichen sollte, dass jene Straße
mitten durch das einstige Areal des Konzentrationslagers führte.
Deshalb forderte die Stiftung bereits 1994, als das heute jenseits dieser
Straße befindliche Gewerbegebiet entstand, dass die Namen der dort geplanten
Straßen auf die nicht mehr sichtbare historische Bedeutung dieses Areal
hinweisen könnten. Stiftungsdirektor Günter Morsch betonte, dass es damals
Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke gewesen sei, der den Vorschlag
einbrachte, die Straßen in dem neu entstehenden Gewerbegebiet nach
Häftlingen des Konzentrationslagers zu benennen. Bei der Stiftung traf diese
Idee “auf große Begeisterung”, so Morsch. Die damaligen Stadtverordneten
jedoch schmetterten den Vorschlag ab. Die Gedenkstätte hatte für die dann in
Schmachtenhagener Straße benannte Umgehung sogar einen Namen parat, an dem
sie auch heute noch festhält. Aus Rücksicht auf die in Deutschland bekannte
Familie jenes Widerstandskämpfers solle der Name jedoch nicht in die
Öffentlichkeit geraten.
Er selbst habe auch Philosophie studiert, leitete Günter Morsch die Führung
ein, daher sei ihm Hempel ganz und gar kein Unbekannter. Umso befremdlicher,
dass die Stadt ihren großen Sohn nicht auffälliger zu würdigen wisse.
Animositäten zwischen der Stiftung und der Stadt gäbe es nicht, weist er
aktuelle Vorwürfe zurück. Niemand wolle das Gewerbegebiet verdrängen, “das
soll sich entwickeln”, so Morsch. “Aber, bitte schön, lasst uns die
Geschichte in Erinnerung behalten.”
“Gleichgültig und leichtsinnig wurde nicht an die Gedenkstätte gedacht”,
kritisierte Gerhard Semper die Rückweisung eines Antrages der
Stadtverordneten Cornelia Berndt durch die übrigen Mitglieder im städtischen
Hauptausschuss. Darin hatte sie gebeten, vor der Entscheidung zur
Umbenennung noch einmal die Gedenkstättenstiftung anzuhören. Seit der
Neu-Konstituierung der Stadtverordnetenversammlung existiere keine
Expertenkommission mehr, die Straßenbenennungen begleite. Lediglich eine
Umbenennungs-Kommission gebe es, nur zuständig für die Belange der
Koordination. “Wenn wir gefragt werden, würden wir uns beteiligen”, bot
Günter Morsch Unterstützung von Historikern der Stiftung an.
So die Familie jenes ermordeten Widerstandskämpfers bereit sei, den wohl
unvermeidlichen Konflikt durchstehen zu wollen, werde der internationale
Beirat der Gedenkstätte Sachsenhausen entscheiden, ob die Stiftung erneut
einen Antrag an die Stadt stellen wird. Der Beirat tagt am 24. Januar. “Dann
werden wir in die Offensive gehen”, kündigt Günter Morsch an.