Die Mühlen der Justiz: Rechtsradikale im märkischen Neuruppin wegen schwerer Angriffe auf Polizisten vor Gericht
(Junge Welt, Harald Mühle) Es ist ein mühseliges Verfahren, das sich seit dem 8. März vor dem Neuruppiner Landgericht dahinschleppt. Richter, Schöffen und Verteidiger leisten Schwerstarbeit, um herauszufinden, in welchem Maße sich neun junge Männer am 13. Oktober 2001 im Wittstocker Club »Havanna« strafbar gemacht haben. Die Delinquenten weisen sich mit ihrem Äußeren demonstrativ als Anhänger der rechten Szene aus – kaum einer, der nicht im Verlaufe der vergangenen drei Verhandlungstage ein Sweatshirt mit Runenaufdruck getragen hätte; glatzköpfig sind die meisten ohnehin.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern im Alter zwischen 18 und 28 Jahren gemeinschaftlichen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall, Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall und gemeinschaftlich versuchte schwere Körperverletzung vor, dem Angeklagten Christopher H. darüber hinaus die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer Organisation der deutschen Faschisten. Der 19jährige soll bei einem als Geburtstagsfeier angemeldeten Treffen der rechten Szene den Hitlergruß gezeigt haben. Zudem sollen die Angeklagten Musik volksverhetzenden Charakters so laut abgespielt haben, daß sie auf der Straße zu hören war. Als die Polizei die Veranstaltung auflösen wollte, so die Anklage, verbarrikadierten sie sich mit weiteren etwa 20 Personen im Gebäude und warfen volle Bierflaschen, Stühle und einen Feuerlöscher auf die Beamten, die nur dank ihrer Schutzuniformen unverletzt blieben.
Als die Polizisten das Gebäude stürmten, zertrümmerten die Veranstaltungsteilnehmer das Inventar des Clubs und richteten dabei einen Sachschaden von rund 5000 Euro an. Fast alle Angeklagten sind einschlägig vorbestraft. Auf zwei warten noch im März Prozesse vor dem Neuruppiner Amtsgericht. Der Angeklagte Mathias W. (24) ist Abgeordneter im Wittstocker Stadtrat, wollte sich aber wie alle anderen weder zu seiner politischen Betätigung noch zum Tatvorwurf äußern. Denis F. (28) und Ricardo S. (22) bestritten ihre Beteiligung an der Tat.
Die meisten bisherigen Zeugen, die das Tatgeschehen miterlebt haben, klagen über »Gedächtnislücken«. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sind mehrere Zeugen anonym bedroht worden. Der Zeuge Karl P. erzählte am Montag dem Gericht, ihm sei zugetragen worden, man würde ihn zusammenschlagen, wenn er aussage. Er glaube, daß das keine leere Drohung sei. Auch die Zeugin Ulrike M. war extrem verunsichert und konnte einfachste Fragen nicht klar beantworten. Das Publikum baute eine zusätzliche Drohkulisse auf. Eine Zuschauerin protzte am Montag mit einem Shirt, das den Aufdruck »Rudolf Hess – ein Märtyrer für den Frieden« und »Ich bereue nichts« trug. Am Freitag wird die Beweisaufnahme mit der Vernehmung von beteiligten Polizeibeamten fortgesetzt. Das Urteil wird für den 7. April erwartet.