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Open Air-Treff für Neonazis?

Das geplante „Rock for Roots“-Festival in Nauen hat Über­schnei­dun­gen in die rechte Black Metal-Szene

Nauen — Base­bal­lkap­pen mit Auf­schriften wie „Fresst keine Dön­er“, Händler mit CDs ein­deutig ras­sis­tis­ch­er Bands, die Verk­lärung ein­er hei­d­nisch-ger­man­isch-nordis­chen Ver­gan­gen­heit mit­tels Runen und Sym­bol­en wie dem Thor­sham­mer, dazu fin­ster-düstere Musik von vor allem Bands aus Deutsch­land. Es hat Chris­t­ian Dorn­busch erschreckt, was er im ver­gan­genen Sep­tem­ber in Nauen beim „Rock for Roots“-Festival gese­hen und erlebt hat. 400 Besuch­er kamen damals. In ein­er Neuau­flage sollen nun am 2. und 3. Sep­tem­ber wieder 25 Bands aus dem Black-Met­al-Spek­trum spielen.

Dorn­busch – der ein in der Met­al-Fankreisen viel disku­tiertes Buch über die Ver­strick­ung von Teilen der Black Met­al-Szene und dem recht­sex­tremen Milieu geschrieben hat – fürchtet, dass auch das geplante „Rock for Roots“ (RfR) ein Tre­ff­punkt für Neon­azis wird. Er fordert deswe­gen von den Ver­anstal­tern – dem so genan­nten Sem­nonen­bund e.V. und ihrem Vor­sitzen­den Rico Krüger aus Nauen – eine klare Abgren­zung von dieser Art von Pub­likum. Zus­tim­mung erhält der Autor dabei etwa von Ange­li­ka Thiel-Vigh, der Lei­t­erin des Aktions­bünd­niss­es Bran­den­burg gegen Rechts: „Ger­ade im Black Met­al ver­schwim­men für Außen­ste­hende oft Gren­zen – deswe­gen sollte sich der Sem­nonen­bund im Vor­feld sehr viel klar­er von Recht­sex­tremen dis­tanzieren als bish­er geschehen.“

Doch der Sem­nonen­bund ste­ht selb­st im Ver­dacht, recht­sex­tremen Ide­olo­gien zumin­d­est nah zu ste­hen. In Nauen möchte er – auch mit Hil­fe der Ein­nah­men aus dem RfR-Fes­ti­val – ein his­torisches Dorf wieder­auf­bauen: „Gan­na­hall“ soll eine Art Muse­ums­dorf über die ger­man­is­che Kul­tur wer­den. Linke Kri­tik­er wer­fen den Heimat­forsch­ern in Bezug auf das Pro­jekt jedoch Geschicht­sklit­terung vor: Das Ger­ma­nen­tum werde ide­al­isierend wahrgenom­men, die Nähe zu völkischem Denken und „Blut und Boden“-Idealen sei unübersehbar.

Auch in der Stadt Nauen selb­st ist man sich des heiklen The­mas bewusst. „An sich ist dieses Dorf ja eine gute Sache, aber auch uns ist die Abgren­zung von recht­en Ideen noch nicht genug“, sagt SPD-Bürg­er­meis­ter Detlef Fleis­chmann. In der Ver­wal­tung sei klar, dass das RfR-Fes­ti­val eine „beliebte Andock­stelle“ für Recht­sex­treme darstelle. Deshalb habe man klare Aufla­gen erteilt: So dürfte es nicht mehr passieren, dass wie im ver­gan­genen Jahr Händler Alben ein­deutig recht­sex­tremer Bands verkaufen.

Allerd­ings tun sich die Fes­ti­valver­anstal­ter mit der geforderten klaren Dis­tanzierung vom Recht­sex­trem­is­mus schw­er. „Wir stellen klar, dass das RfR kein­er­lei poli­tis­chen Inter­essen dient, wed­er der einen noch der anderen Seite“, heißt es auf der Home­page. Zudem werde jed­er – ob Kün­stler, Band oder Zuschauer – sofort „ohne Vor­war­nung“ vom Ver­anstal­tung­sort ver­wiesen, wenn sie das Fes­ti­val zu „poli­tis­chen Aktiv­itäten“ miss­brauchen. Die für den Ver­anstal­ter arbei­t­ende Berlin­er Agen­tur Dark­side Pro­mo­tion, die das Open Air organ­isiert, ver­weist dage­gen auf die Zusam­me­nar­beit mit Polizei und Staatss­chutz, um „gegen Straftäter jeglich­er Coleur“ vorzuge­hen, wie Agen­tur-Chef Erwin Rudolph betont. Zudem wür­den viele der Kri­tik­er „dem link­sex­trem­istis­chen Lager“ ange­hören. Auch beim Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz glaubt man nicht, dass sich sehr viele Recht­sex­treme auf den Weg nach Nauen machen wer­den. Die Teil­nahme einzel­ner Ange­höriger der recht­sex­trem­istis­chen Szene beim RfR sei zwar nicht auszuschließen, dies belege aber nicht, dass die dort auftre­tenden Bands selb­st recht­sex­trem­istisch sind, sagt Wolf­gang Brandt, Sprech­er des Bran­den­burg­er Innenministeriums.

Doch ist zum Beispiel ein Part­nerun­ternehmen der RfR-Ver­ant­wortlichen äußerst zweifel­haft: So hat der aus Sach­sen stam­mende Ver­sand­han­del „UEu­ropa“ exk­lu­siv den Tick­etvorverkauf für das Fes­ti­val über­nom­men. Daneben han­delt „UEu­ropa“ aber auch mit Alben wie von der ukrainis­chen Black Met­al-Band „Nok­tur­nal Mor­tum“: Auf deren Home­page find­en sich hun­dert Gründe, warum weiße Men­schen bess­er als schwarze seien. Auch andere recht­sex­treme Bands find­en sich im Pro­gramm von „U€pa“, etwa die pol­nis­chen „Grav­e­land“, deren Sänger Rob Dark­en in Inter­views zum Hass auf Juden aufruft. Daneben wird von dem RfR-Vorverkäufer das neon­azis­tis­che Fanzine „Blutvergießen“ vertrieben.

Auch bei der Wahl der auftre­tenden Bands haben Ver­anstal­ter und Organ­isatoren zum Teil poli­tisch beden­kliche Musik­er ein­ge­laden. So etwa die Black Met­al-Band „Infaust“ aus Thürin­gen, deren Debüt beim thüringis­chen Label Don­ner­schlag erschien: Dessen Labelchef taucht mit sein­er Band Toten­burg jedes Jahr im thüringis­chen Ver­fas­sungss­chutzbericht als recht­sex­treme Gruppe auf.

Die Entwick­lung in der Black Met­al-Szene – die auch vom Bran­den­burg­er Ver­fas­sungss­chutz erkan­nte stück­weise Unter­wan­derung von Rechts – ist der Band „Geist“ eben­falls bekan­nt: Sie spielt trotz­dem beim RfR und hat sich bewusst für die Teil­nahme entsch­ieden. „Wenn keine guten unpoli­tis­chen Bands mehr auf solchen Black Met­al-Fes­ti­vals spie­len, aus Angst, in die falsche Ecke gestellt zu wer­den, gibt es für die Szene bald nur noch Naz­ifes­ti­vals“, begrün­det ihr Band­grün­der mit Kün­stler­na­men Alboin. Idioten gäbe es immer – doch wenn seine Band nicht in Nauen spie­len würde, wären es „fünf anständi­ge Ker­le“ weniger und der Prozentsatz von Anhängern rechter Bands höher. Solange es mit den „kahlen Schafen“ nicht über­hand nehme, werde er nicht daran denken, nicht seinen Spaß zu haben und mit unprob­lema­tis­cheren Bands zu trinken und zu grillen.

Doch Kri­tik­ern wie Dorn­busch reicht eine solche, eher unpoli­tis­che Herange­hensweise – typ­isch für die Black Met­al-Szene – nicht aus: Er will klare Beken­nt­nisse und Tat­en gegen recht­sex­tremes Gedankengut, damit sich Neon­azis auf Fes­ti­vals wie dem RfR nicht willkom­men fühlen. „Die pauschale Dis­tanzierung nach allen Seit­en zeigt aber, dass man an ein­er kri­tis­chen Aufk­lärung über das poli­tis­che Gedankengut der Fes­ti­val­teil­nehmer nicht inter­essiert ist“, so Dorn­busch. Bloße Lip­pen­beken­nt­nisse blieben solche Aus­sagen, falls Zustände wie beim let­zten Mal herrschen wür­den: „Mit­glieder von Freien Kam­er­ad­schaften tum­melten sich auf dem Gelände.“ Gegen solche Besuch­er müsste das Sicher­heitsper­son­al kon­se­quent einschreiten.

Denn dass sich dieses Mal das Pub­likum ändern wird, daran glaubt Dorn­busch nicht. Schon das Konzept des Fes­ti­vals sei so angelegt, dass Recht­sex­treme ange­zo­gen wür­den. „Der über­set­zte Titel ’Rock für die Wurzeln’ deutet an, dass hier eine ver­meintlich eigene ur€päische Kul­tur zele­bri­ert wer­den soll: Diese völkische Kom­po­nente lockt natür­lich auch extreme Rechte an.“ Die völkische Gemein­schaft werde pseudo­his­torisch aus ein­er hei­d­nisch-ger­man­is­chen Ver­gan­gen­heit abgeleit­et, die als pos­i­tives Gegen­bild zur mod­er­nen west­lichen Gesellschaft erhoben werde. „Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund wer­den so expliz­it nicht ange­sprochen und sind nicht willkom­men“, kri­tisiert Dorn­busch den ver­anstal­tenden Semnonenbund.

Doch noch fehlt von den Ver­anstal­tern die klare Posi­tion­ierung gegen Rechts – obwohl diese auch Nauens Bürg­er­meis­ter Fleis­chmann ein­fordert. „Wir haben uns zudem mit den Ver­anstal­tern geeinigt, dass sie sich an die Mobilen Beratung­steams (MBT) gegen Recht­sex­trem­is­mus wen­den“, sagt Fleis­chmann. Doch der Kon­takt ist noch
nicht hergestellt, obwohl die Forderung schon zwei Wochen alt ist. Auch eine Anfrage der PNN per E‑Mail blieb unbeant­wortet. Bürg­er­meis­ter Fleis­chmann hofft jedoch noch auf Ein­sicht: „Der Bund darf sich solche Zustände wie im ver­gan­genen Jahr ein­fach nicht nochmal erlauben.“ Doch ist sich Fleis­chmann bewusst, dass auch die Mit­tel ein­er Stadt begren­zt sind: „Das Fes­ti­val spielt sich in ein­er Grau­zone ab, manch­es dabei ist zum tolerieren zu viel und zum ver­bi­eten zu wenig.“

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