Kategorien
Antifaschismus

Oranienburg: Oberhavel Nazifrei protestiert mit 300 Menschen gegen Fackelmarsch von 250 Asylgegner_innen

Am Mittwochabend protestierten unge­fähr 300 Men­schen  in Oranien­burg (Land­kreis Ober­hav­el) gegen einen so genan­nten „Abendspazier­gang“ für eine ange­blich „angemessene Asylpoli­tik“. An diesem, von der Social­me­dia-Kam­pagne „Nein zum Heim in Oranien­burg“ bewor­be­nen Fack­el­marsch durch den Innen­stadt­bere­ich nah­men unge­fähr 250 Per­so­n­en, davon unge­fähr 200 mut­maßliche Hooli­gans und Neon­azis und 50 augen­schein­liche „Bürger_innen“, teil. Die Proteste dage­gen konzen­tri­erten sich am Bahn­hof und am Schloss. Dort kam es auch zu ein­er kleinen Blockadeaktion.
Ober­hav­el Naz­ifrei protestiert
2014.12.17 Oranienburg Fackelmarsch und Proteste (5)
Die Protestier­er waren offen­bar einem Aufruf des Bünd­niss­es „Ober­hav­el Naz­ifrei“ gefol­gt, das hin­ter dem „Abendspazier­gang“ eine gezielte Aktion ver­mutete, um „rechte Het­ze auf die Straße“ zubrin­gen. Die Ver­anstal­tung sei, in Anspielung auf die „Nein zum Heim“ –Seite, zu dem „der Höhep­unkt ein­er andauern­den Denun­zierung, Her­ab­würdi­gung und Krim­i­nal­isierung hil­fs­bedürftiger Asyl­suchen­der im Netz“, so „Ober­hav­el Naz­ifrei“. Zudem gin­ge es den Heimgeg­n­ern gar nicht darum „für eine angemessene Asylpoli­tik auf die Straße“ zu gehen, der „Auf­marsch“ sei vielmehr „eine offene ras­sis­tis­che Mobil­isierung gegen Asyl­suchende, in der sich eine Allianz zwis­chen NPD, AfD und Recht­spop­ulis­ten sowie schein­bar unpoli­tis­chen Bürg­ern her­aus­bildet“, so das Bünd­nis in seinem Aufruf zu den Protesten weit­er. Eine Ein­schätzung, die, so zeigt es die Unterzeichner_innenliste, von vie­len, auch namhaften Per­so­n­en aus Stadt und Umland geteilt wird. Unter den Erstunterzeichner_innen find­en sich so beispiel­weise  der Bürg­er­meis­ter von Oranien­burg, Hans Joachim Laesicke, der Vor­sitzende der Oranien­burg­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung, Hol­ger Mücke, der Bun­destagsab­ge­ord­nete Har­ald Pet­zold (DIE.LINKE), der Vor­sitzende der Oranien­burg­er SPD, Dirk Blet­ter­mann, der Vor­sitzende der Oranien­burg­er B90/Die Grü­nen, Hein­er Klemp, und viele andere mehr. Der Aufruf  von „Ober­hav­el Naz­ifrei“ wurde im Übri­gen sog­ar auf der offiziellen Social­me­dia-Seite der Stadtver­wal­tung Oranien­burg veröffentlicht.
Für „Ober­hav­el Naz­ifrei“ erfreulich und für einige neu­trale Beobachter erstaunlich, kamen dann tat­säch­lich auch mehrere hun­dert Men­schen für Protes­tak­tio­nen zusam­men. Bere­its ab 18 Uhr hat­ten sich über 200 Men­schen am Bahn­hof einge­fun­den, deren Anzahl bis zum Start der „Nein zum Heim“ Ver­anstal­tung auf 300 anwuchs. Es wurde Fah­nen und Trans­par­ente gegen Nazis und Ras­sis­mus gezeigt und die Teilnehmer_innen des Abendspazier­gangs laut­stark aus­ge­buht. Die Polizei tren­nte, wie üblich bei Ver­samm­lun­gen kon­trären Inhalts, weit­ge­hend bei­de Lager, durch Git­ter und Polizeiket­ten, von einan­der ab. So blieb den Sym­pa­thisan­ten von „Ober­hav­el Naz­ifrei“ zunächst nur der Bahn­hofs­bere­ich um in Hör- und Sichtweite zu demon­stri­eren. Doch damit woll­ten sich viele Protestier­er nicht zufrieden geben und zogen zum Oranien­burg­er Schloss weit­er, um aber­mals ihren Unmut über den vor­beiziehen­den Fack­el­marsch auszudrücken.
Vier Per­so­n­en gelang es dabei auch auf die Strecke zu gelan­gen und eine Miniblock­ade durchzuführen. Allerd­ings ohne die Marschier­er aufzuhal­ten, diese wur­den von der Polizei daran vorbeigeleitet.
Mit Brand­fack­eln für eine „angemessene Asylpolitik“?
2014.12.17 Oranienburg Fackelmarsch und Proteste (23)
Der so genan­nte „Abendspazier­gang“ der Heimgegner_innen hat­te sich, ent­ge­gen des betont bürg­er­lichen Mobil­isierungscharak­ters, der­weil eher zu einem Auf­marsch entwick­elt, bei dem mut­maßliche Hooli­gans und Neon­azis nicht nur einen erhe­blichen Teil der Versammlungsteilnehmer_innen aus­macht­en, son­dern offen­bar auch einen großen Teil der Infra­struk­tur des Aufzuges zur Ver­fü­gung stell­ten. JN Funk­tionäre waren als Ord­ner eingeteilt, der Schön­walder NPD Gemein­der­at Burkhard Sah­n­er stellte seine Pkw als Laut­sprecher­wa­gen für die Abschlusskundge­bung zur Ver­fü­gung und die Bernauer NPD Stadtverord­nete Aileen Rokohl hielt einen Redebeitrag.
Die weni­gen mit­ge­führten Fack­eln mocht­en zwar hinge­gen nur ent­fer­nt an die nation­al­sozial­is­tis­che Märsche zum 30. Jan­u­ar 1933 erin­nern, zeich­neten aber den­noch ein sehr bedrohlich­es Bild: Sollen Brand­fack­eln die angemessene Antwort auf die derzeit­ige Asylpoli­tik sein?
Bemerkenswert ist auch das aber­ma­lige auftreten der Ini­tia­tive „Ein Licht für Deutsch­land gegen Über­frem­dung“, deren Anhänger_innen in den let­zten Wochen u.a. bei ähn­lichen Märschen in Schnee­berg (Erzge­birge), Wittstock/Dosse und erst am Mon­tag in Dres­den mitliefen sowie am Volk­strauertag unangemeldet mit zahlre­ichen Fack­eln durch Gransee marschierten.
Während des Auf­marsches in Oranien­burg gaben sie sich durch ihr braun­weißes Ban­ner und Schilder mit aufge­mal­ter Fack­el zu erkennen.
Weit­ere Neon­azis stammten aus dem Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin und sind als Sym­pa­thisan­ten der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ bekan­nt. Die NPD war außer mit den bere­its erwäh­n­ten Abge­ord­neten, u.a. noch durch die Stadtverord­neten Detlef Appel aus Oranien­burg, Robert Wolin­s­ki aus Vel­ten, Uwe Goss­lau aus Hen­nigs­dorf, Dave Trick aus Neu­rup­pin und Pas­cal Stolle aus Bad Belzig vertreten.
„Nein zum Heim“ beansprucht „das Volk“ zu sein
2014.12.17 Oranienburg Fackelmarsch und Proteste (10)
Seit den dur­chaus teil­nehmer­starken Demon­stra­tio­nen und Kundge­bun­gen der islamkritischen/islamfeindlichen Ini­tia­tiv­en „HoGeSa“ („Hooli­gans gegen Salafis­ten“) und PEGIDA („Patri­o­tis­che Europäer gegen die Islamisierung des Abend­lan­des“) hof­fen offen­bar auch Bran­den­burg­er Neon­azis einen großen Teil, der durch die gesellschaftliche Debat­te der let­zten Monate anpoli­tisierten Bürger_innen für ihre Zwecke zu gewin­nen. Offen zu erken­nen geben will sich die neon­azis­tis­che Szene dabei jedoch anscheinend nicht, son­dern lässt sich eher über zwielichte Ini­tia­tiv­en vertreten, deren Anliegen nur sel­ten die Auseinan­der­set­zung mit dem Phänomen der mil­i­tan­ten Islamist_innen ist. Tat­säch­lich wird vor allem die Asylpoli­tik der Bun­desre­pub­lik und konkret die Art  der Unter­bringung von Asyl­suchen­den scharf kri­tisiert. Genauer betra­chtet hat aber keine dieser Ini­tia­tiv­en ein tat­säch­lich­es Inter­esse, Men­schen, die aus den Krisen­her­den dieser Welt in die Bun­desre­pub­lik kom­men und in der Bun­desre­pub­lik Asyl suchen,  zu helfen. Da macht auch die Social­me­dia-Kam­pagne „Nein zum Heim in Oranien­burg“, hin­ter der mut­maßlich die lokale NPD steckt, keine Aus­nahme. Neu ist lediglich, dass sich die seit 2013 existierende und eigentlich gescheit­erte Ini­tia­tive durch PEGIDA und Co wieder im Aufwind sieht und nun eben­falls mit dem bekan­nten Slo­gan der DDR-Bürg­er­rechts­be­we­gung „Wir sind das Volk“ auftritt.
Doch die Demon­stra­tion am Mittwochabend in Oranien­burg zeigte ein­mal mehr, dass hier kein bürg­er­lich­es Auf­begehren gegen eine ver­meintlich ver­fehlte Asylpoli­tik stat­tfand, son­dern mehr eine Pro­pa­gan­dashow von Hooli­gans und Neon­azis zele­bri­ert wurde.
Fotos:
Press­eser­vice Rathenow
Sören Kohlhu­ber

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Inforiot