Berliner Zeitung, Jürgen Schwenkenbecher) POTSDAM. Geht es nach den Vorstellungen von Detlef Roggan, wird die
politische Landschaft in Brandenburg schon bald anders aussehen. Roggan ist Gründungsmitglied der Unabhängigen Bürgerliste (UBL) von Dahme-Spreewald, er
ist Chef der sechsköpfigen UBL-Fraktion im Kreistag, er ist Bürgermeister von Groß Köris, und er will nun etwas versuchen, was nach Auskunft des renommierten Berliner Parteienforschers Richard Stöss in der Bundesrepublik
noch nie gelang. Roggan, Elektro-Handwerksmeister mit einem kleinen Geschäft, möchte eine gemeinsame Plattform für Wählervereinigungen und
Bürgerinitiativen schaffen, die schon im nächsten Landtag ihren Platz haben
soll. “Ganz klar, wir wollen eine Alternative bieten zu den etablierten
Parteien”, sagt Roggan.
Für diesen Sonnabend hat die UBL fast 50 Wählergemeinschaften zum
Gründungstreffen eines landesweiten Vereins geladen, der künftig die Politik
in Brandenburg mitbestimmen will. Eingeladen wurden zunächst alle
Nicht-Parteien, die seit der Kommunalwahl im Oktober bereits in den 14
Kreistagen oder vier Stadtverordnetenversammlungen vertreten sind. Möglicher
Name des neuen Vereins: Allianz Unabhängiger Bürger (AUB).
Das Treffen hinter verschlossenen Türen, bei dem in die neue Ära gestartet
werden soll, ist Ausdruck einer wachsenden Unzufriedenheit. Ob die
Gemeindegebietsreform, der Kita-Rechtsanspruch, die “Verspargelung” der
Landschaft mit Windrädern, das Festhalten am Flughafenausbau oder die vielen
lokalen Streitigkeiten — die Vertreter von Parteien haben an Vertrauen
verloren. Sven Pautz, Chef des Cottbuser Vereins Aktive Unabhängige Bürger
(AUB) glaubt: “Es geht nur noch um Macht. Der Bürger steht nicht mehr im
Vordergrund.” Er hält die Zeit für gekommen, eine “politische Vereinigung”
zu schaffen, die im Landtag vertreten ist.
Zur Kommunalwahl gewann die AUB in der Lausitzstadt 14 Prozent der Stimmen,
nur sechs Prozent weniger als die SPD. Insgesamt entfielen in Brandenburg
auf die rund 70 zumeist nur lokalen Gruppierungen knapp 20 Prozent.
Die unterschiedlichsten Interessen bergen jedoch auch das Risiko des
Scheiterns in sich — es allen recht zu machen, wird kaum gelingen.
“Regionale Spezifika müssen erhalten, dürfen aber nicht zum Programm
werden”, sagt der Cottbuser Sven Pautz.
Schon im Vorfeld des Treffens am Sonnabend gab es Reibereien. Denn seit
November existiert bereits ein Bürgerbündnis Brandenburg (BBB), das von
Teltow-Fläming aus ebenfalls Wählergruppen bündeln will und schon einen
Landesvorsitzenden ernannte. Der BBB hatte für den 14. Februar ein großes
Treffen anberaumt — die Initiatoren aus Groß Köris waren schneller.
Im Streit um die Meinungsführerschaft rückte ein BBB-Vertreter die
Konkurrenten aus Groß Köris sogar in die rechte Ecke. “Wir haben 1999
tatsächlich Unterschriften gegen ein Asylbewerberheim bei uns gesammelt”,
räumt Roggan die Vorwürfe ein. “Aber wir haben dazugelernt.” Jungen aus dem
Heim würden heute im örtlichen Fußballverein spielen, die ausländischen
Kinder “ganz normal” die Schule besuchen. Anders als der BBB, der sich schon
mal gegen die Länderfusion aussprach und Bundeshilfen für Berlin ablehnt,
hält Roggan sich mit inhaltlichen Aussagen zurück.
“Bürgerbewegungen sind dazu da, Parteien an ihre eigentliche Rolle zu
erinnern”, sagt der Berliner FU-Professor Hans-Joachim Mengel. Der
Politikwissenschaftler führte die Anti-Windkraft-Bewegung “Rettet die
Uckermark” im Oktober in den Kreistag. Nach Groß Köris wird er aber wohl
nicht reisen. “Grundsätzlich bin ich dafür, den Parteien in einer Demokratie
ihre Aufgaben nicht zu nehmen. Auch wenn die Parteien in Brandenburg einen
Nasenstüber bräuchten.”