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Peinlicher Potsdamer Parkstreit

Als die kom­mu­nis­tis­che Welt 1989 aus den Fugen ging, verkün­dete der Leit­er des Pla­nungsstabes im US-Außen­min­is­teri­um, Fran­cis Fukuya­ma, etwas vor­eilig das Ende der Geschichte. Zwar richtete sich diese nicht danach, doch aus­gerech­net die Deutschen – von denen ein kluger Beobachter ein­mal bemerkt hat „das deutsche Volk nimmt die ideellen Dinge nicht als Fahne wie andere Völk­er, son­dern um einige Grade wörtlich­er als sie“ –, scheinen es ernst zu meinen mit dem Abschied von der Geschichte. 

Anders lässt sich kaum erk­lären, was sich zurzeit in Pots­dam abspielt. Da ver­sucht eine finanziell aus­ge­blutete Schlösser­s­tiftung die Besuch­er des preußis­chen Arka­di­en daran zu erin­nern, dass die königlichen Gärten wed­er Bolz­plätze, FKK-Strände noch „Pic­nic-Areas“ oder gar Bik­er-Paradiese sind. Doch statt an der Erhal­tung des gemein­samen Erbes mitzuwirken, vertei­di­gen auch son­st vernün­ftige Zeitgenossen die Spaß- und Spiel­frei­heit in und um die Kul­tur­denkmäler als ihr per­sön­lich­es Son­der­nutzungsrecht. Was wed­er im Park von Wind­sor noch in den Gärten von Ver­sailles und Schön­brunn oder in Zarsko­je Selo erlaubt ist, nehmen lupen­reine Demokrat­en für sich in Pots­dam in Anspruch, da sie ja dank ihrer Steuern zur Erhal­tung des Ganzen beitragen. 

Doch dass dieses Ganze ein ideelles Gesamtkunst­werk, ein Lab­sal für die Seele und eine Erin­nerung an eine große Ver­gan­gen­heit ist, scheint sich trotz des schwarz-rot-gold­e­nen Fah­nen­schwenkens anlässlich der Fußball-WM nicht herumge­sprochen zu haben. Es ist eben ein Unter­schied zwis­chen dem anspruch­slosen Kuschel­pa­tri­o­tismus damals und der täglichen Verpflich­tung zum scho­nen­den Umgang mit dem nationalen Erbe heute. 

Von Edmund Burke stammt die Def­i­n­i­tion der Gesellschaft als eine Verbindung der Leben­den mit den Toten und den noch nicht Gebore­nen. In Pots­dam ver­suchen die Nach­lassver­wal­ter der Hohen­zollern das Erbe der Toten für die noch nicht Gebore­nen zu bewahren. Sie stoßen dabei auf das Unver­ständ­nis der Leben­den, deren Ego­is­mus sich in Geschichtsvergessen­heit austobt. 

Manch­mal wün­scht man sich, dass die Preußenkönige, die die Parks einst ihren Unter­ta­nen geöffnet haben, noch da wären, sie auch wieder zu schließen. Im Pots­damer Park­stre­it zeigt sich die volon­té de tous, die unge­ord­nete Vertre­tung viel­er Einzelin­ter­essen. Demokratie funk­tion­iert aber nur, wenn sich eine volon­té gen­erale her­aus­bildet, also die Ein­sicht, dass wir aus Voraus­set­zun­gen leben, die sich nicht beliebig erneuern lassen, weshalb wir scho­nend mit ihnen umge­hen müssen. Das nicht zu sehen, ist eine deutsche Eige­nart und die Folge von Hitlers Zer­störung unser­er Ver­gan­gen­heit. Fran­zosen, Englän­der, Russen und Polen lieben und ehren ihre Geschichte, wir benutzen sie nur als einen Stein­bruch für unsere Freizeitvergnügungen.

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