(gegenrede.info) Templin (ipr) Templins Bürgermeister Bürgermeister Ulrich Schoeneich wird sich warm anziehen müssen. Verkündete er doch gestern erneut, dass es keine rechte Szene in seiner Stadt gäbe. Dummerweise behauptet Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) genau das Gegenteil. Bei Verfassungsschutz und Polizei sei Templin schon seit längerer Zeit als Stadt mit einer rechten Szene bekannt, und „entsprechend haben wir reagiert“.
Schönbohm sagte aber auch, „die Polizei allein kann solche erschütternden Taten nicht verhindern“. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus sei „ein gesamtgesellschaftliches Problem“. Das sah wohl Pfarrer Ralf-Günther Schein auch so und lud für Freitagabend zu einer ökumenischen Andacht, um des Opfers zu gedenken. „Wir wollen die Menschen wachrütteln“, sagte er. Etwa 60 Menschen folgten seinem Ruf. Ein trauriges Häuflein, das sich da in der St.- Maria- Magdalenen- Kirche versammelte. Zu wenig Bürger zum Wachrütteln, auch wenn oder besser gerade weil Templins Bürgermeister Ulrich Schoeneich unter den Anwesenden war.
Mauern vor dem Kopf
Templin, umgeben von seiner historischen Stadtmauer, ist eine enge Stadt. Es gibt wenig Plätze auf denen sich Jugendliche bis spät abends treffen können, ohne dass sich die Anwohner gestört fühlen und die Polizei alarmieren.
Die rechte Szene in Templin besteht aus kleineren Gruppen und Cliquen, die sich an den wenigen möglichen Orten in Templin treffen. Sei es am Busbahnhof, in den Parkanlagen an der Anlegestelle der Touristenboote oder in der Umgebung des „Irish Pub“ mit seinen Supermarktparkplätzen., nur 300 Meter entfernt vom Mühlentor, dem Ort an dem Bernd K. ermordet wurde.
Im „Pub“, wie die Gaststätte knapp von den Jugendlichen genannt wird, treffen sich die Alternativen und die Punks. Vor seiner Tür treffen die Szenen aufeinander. Dieser Ort ist oft ein Ausgangspunkt rechter Gewalt. Die auf ihre Opfer wartenden Nazis haben dann „zufällig“ Teleskopstangen in der Tasche oder kurze Holzknüppel im Jackenärmel. „Nur einzelne Auffällige“, nennt das der Bürgermeister. Und die Opfer sind meistens Punks, die am Wochenende aus der Umgebung nach Templin kommen.
Justus, der mittlerweile in Berlin lebt, um dort seinen Zivildienst zu leisten – aber auch, weil er „die Schnauze voll hat von den ständigen Streitereien mit den Rechten“ – erzählt, dass es schon vorkomme, wenn die Rechten am Tag Punks entdecken, dass sie in der Nacht mit dem Auto jagt auf die Bunten machen.
Es kann aber auch schon Mal einen dunkelheutigeren Deutschen erwischen oder auch mehrfach wie im letzten Jahr geschehen. Mit dabei immer Sven P., der mutmaßliche Mörder von Bernd K.
Mit von der Partie war damals der 22-jährige M., der gemeinsam mit seinem Bruder eher im Bereich Propagandadelikte aufgefallen war. Ein Punk berichtete, dass die Brüder mit ihrer Gruppe sogenannte Spuckies am Busbahnhof verklebten und auch Flugblätter verteilten.
Dass die Nazis kurzfristig 25 Leute mobilisieren können, beweist ihr Vorgehen gegen die Konzertveranstaltung „Reggae, Rock und Pop für den Frieden“, die im November 2007 in der St.- Maria- Magdalenen- Kirche. Die Rechtsextremisten versammelten sich vor dem Gotteshaus und grölten „Heil Hitler“ und andere rechtsextreme Parolen. Die Polizei vertrieb die Nazis und nahm vier von ihnen mit. Darunter war auch Sebastian F., der als damals 17-Jähriger an dem bestialischen Mord von Potzlow beteiligt war, und der noch unter Bewährung stand. In dessen Hosentasche fanden die Beamten einen Schlagring.
Polizei reagiert — Stadt nicht
Auf den spürbaren Anstieg von rechtsextremen Straftaten in ihrem Gebiet hat die Polizei reagiert. Im November wurde für den Schutzbereich Uckermark eine Konzeption zur Prävention rechtsextremer Straftaten beschlossen. Sandra Karstädt, Pressesprecherin des Schutzbereich Uckermark listet die Maßnahmen im einzelnen auf: „Dazu gehören Streifen mit Hundeführern, die schon einige Male einen Ausbruch von Gewalt verhindert haben.“ Dazu gehöre auch der Einsatz von Spezialkräften der Brandenburger Polizei wie Mega (mobile Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit) beziehungsweise Tomeg (täterorientierten Maßnahmen gegen extremistische Gewalt). Bei größeren Veranstaltungen werde der Veranstalter und die Schutzdienste über die Situation in Templin unterricht. Man halte engen Kontakt und man spreche sich ab. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass sie rechtsextrem wirkende Personen gar nicht erst einlassen sollen.
Noch im September 2007 konnte Sebastian F. umgeben von seiner Gang ungehindert den Hitlergruß zeigen und war trotzdem eingelassen worden. Das Ergebnis war, dass er einen Punk, der über das Zeigen des Hitlergrußes gelacht hatte, während der Veranstaltung attackierte und nach Ende der Veranstaltung Niederschlug. Zwei Dinge hat Sebastian F. mit seiner Prügelei erreicht. Für sich mehr Zeit zum Nachdenken im Knast. Sein Opfer wird die Stadt Templin in Zukunft meiden — so weit es geht.