(Junge Welt, 3.9.07) Mehrere tausend Menschen gingen am Samstag für Abrüstung und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr auf die Straßen. Auch Neofaschisten nutzten den Weltfriedenstag, um ihre Propaganda unter das Volk zu bringen. Dafür bekamen sie in Neuruppin und Dortmund Polizeischutz und freies Geleit.
Im brandenburgischen Neuruppin trafen sich rund 60 Neofaschisten des »Kampfbundes deutscher Sozialisten« (KDS). Obwohl sie sich Augenzeugenberichten zufolge teilweise vermummt hatten und volksverhetzende Parolen wie »Nie wieder Krieg – Nach unserm Sieg« skandierten, sah die Polizei, die mit rund 200 Beamten im Einsatz war, keinen Grund, den Aufzug abzubrechen. Statt dessen gingen die Beamten mit brachialer Gewalt gegen friedlich protestierende Antifaschisten vor. Knapp 1000 Menschen beteiligten sich an einer Demonstration gegen rechts. Als am Nachmittag etwa 100 Antifaschisten versuchten, den Neofaschisten mit einer Sitzblockade den Weg zu versperren, griff die Polizei ein. Ohne erkennbaren Grund setzten sie Reizgas ein und verletzten dadurch mindestens sieben Personen – darunter zwei zehnjährige Kinder und die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Kirstin Tackmann. Auf Nachfrage von jW bestätigte Tackmann die brutalen Attacken der Beamten. Ein derart rüdes Vorgehen der Polizei habe sie noch nie erlebt und auch »nie für möglich gehalten«, so die Bundestagsabgeordnete am Sonntag. Gemeinsam mit drei weiteren Antifaschisten erstattete Tackmann Strafanzeige gegen die Polizei und kritisierte deren »toleranten Umgang« mit den Rechten.
Daß Neofaschisten mit Samthandschuhen angefaßt werden, ist in Dortmund eine langjährige Erfahrung. Am Samstag kam es dort erneut zu einem neofaschistischen Aufmarsch von etwa 400 Rechten unter dem Motto »Gegen imperialistische Kriegstreiberei und Aggressionskriege«. An einer vom »Bündnis Dortmund gegen rechts« und dem örtlichen Friedensforum organisierten Kundgebung auf dem Platz der alten Synagoge nahmen über 1000 Antifaschisten teil. In Redebeiträgen verurteilten die Musikerin und Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano und Oberstleutnant a. D. Helmuth Prieß vom Darmstädter Signal die neofaschistische Provokation wie auch die aggressive deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Ursula Richter, Sprecherin des Bündnisses, übte vor allem Kritik an Dortmunds Polizeipräsident Hans Schulze, der sich erneut geweigert hatte, die Provokation zu verbieten. Nur aufgrund des Einsatzes von mehreren polizeilichen Einsatzhundertschaften, Räumpanzern und Hubschraubern war es möglich, daß die Neofaschisten ungestört bis in die Abendstunden hinein in der Ruhrgebietsmetropole aufmarschieren konnten.
Im Gegensatz dazu wurde eine Demonstration, mehrheitlich von sogenannten antideutschen Gruppen getragen, an der rund 900 Personen teilnahmen, mehrfach durch die Polizei behindert. 46 Personen wurden in Gewahrsam genommen. Vier Antifaschisten und zwei Neonazis wurden zudem festgenommen. Bei solch beherztem Einsatz der Polizei: Ein Angriff auf eine linksalternative Dortmunder Szenekneipe wurde nicht verhindert. So hatten in der Nacht zum Sonntag rund 15 Neonazis die in der Innenstadt gelegene Gaststätte angegriffen, auf die Gäste eingeprügelt, Pfefferspray versprüht und die Fensterfront des Ladenlokals zertrümmert. Lediglich drei Männer, die offenbar an dem Angriff beteiligt waren, wurden festgenommen. Zu weiteren Übergriffen kam es am Wochenende in Stolberg bei Aachen und in Halberstadt (Sachsen Anhalt).