POTSDAM Taschendiebe sind vorsichtiger geworden oder verschwunden,
Automarder fühlen sich beobachtet, und wer eine Schlägerei anzetteln
oder im
Vorbeigehen kurz mal ein paar Fensterscheiben einschmeißen will,
überlegt
sich das dreimal. Zumindest auf den Bahnhöfen in Potsdam, Erkner und
Bernau
sowie vor einer Großdisko in Rathenow. Grund: Das Videoauge des
Gesetzes
wacht dort rund um die Uhr und sieht (fast) alles.
Seit anderthalb Jahren läuft dieses Pilotprojekt, das auf fünf Jahre
angelegt ist. Für Technik und Schulung der Polizisten investierte das
Land
345 000 Euro, der Betrieb kostet monatlich 21 305 Euro. Das Geld sei
gut
angelegt, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) — was die
Gewerkschaft
der Polizei (GdP) jedoch anzweifelt.
Laut Schönbohm gab es 2001 im Potsdamer Hauptbahnhof 280 Straftaten,
2002
nur 113. Auf dem Gelände vor dem Bahnhof wurden 2001 noch 739 Delikte
registriert, im vergangenen Jahr 330. Ähnlich gut sei die Quote am
Bahnhof
Erkner. Beschwerden von Bürgern gegen die Kameras gebe es bisher nicht,
betonte Schönbohm. Ohnehin würde nur bei Verdacht aufgezeichnet und das
Band
nach drei Tagen gelöscht. Ein detaillierter Erfahrungsbericht werde
derzeit
erarbeitet.
GdP-Landeschef Andreas Schuster hält trotz dieser Zahlen an seiner
Kritik
fest: «Die Straftaten finden nur woanders statt, gehen nach meiner
Kenntnis
jedoch insgesamt nicht zurück.» Also, so Schuster, werde Kriminalität
nicht
bekämpft, sondern verdrängt. Zudem betrachte er Schönbohms Zahlen «mit
größter Skepsis», denn bisher habe man z. B. die Straftaten im
Schutzbereich
Potsdam nur insgesamt ausgewiesen. «Für den Hauptbahnhof gab es noch
keine
gesonderte Erfassung.»
Frank Domanski, Vorsitzender des Landesverbandes der Deutschen
Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, hält das Projekt für sinnvoll.
«Doch die
Videoüberwachung ist nur eine von vielen Maßnahmen der Polizeiarbeit.»
Wie
er aus Bürgerversammlungen wisse, fühlten sich vor allem Frauen auf den
überwachten Bahnhöfen sicherer. Seine Einschränkung: «Ich denke, es
lässt
sich kaum exakt feststellen, welche Straftat ausschließlich durch
Videoüberwachung vereitelt wurde.»
Und was sagen die Bürger? «Ich finde die Kameras gut, denn es gibt sie
schon
lange an Tankstellen, in der Bank und auf einigen Parkplätzen, und kein
Mensch regt sich darüber auf», sagt Bianca Hanisch, die täglich von
Potsdam
nach Zehlendorf fährt. Auch Klaus-Peter Weyrauch fühlt sich unter den
Videoaugen sicherer: «Schon mal gut zu wissen, dass es die Dinger
gibt.»
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