POTSDAM. Eigentlich wollte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) noch einmal so
richtig das Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung attackieren.
Schönbohm hatte bereits zugesagt, als CDU-Vertreter im Unterausschuss des
Bundesrates zu agieren. Doch nach einem Gespräch mit Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) steht Schönbohm nun nicht mehr für jenen
Arbeitskreis zur Verfügung, der im Streit um das Zuwanderungsgesetz die
Position der CDU klar machen soll — er will lieber den Koalitionsfrieden in
Potsdam wahren. “Schönbohm hat den Druck auf dem Kessel unterschätzt”, sagte
CDU-Parteisprecher Alexander Richter am Montag.
Pikant: Platzeck selbst sitzt als SPD-Vertreter im Vermittlungsausschuss, wo
ein abschließender Zuwanderungskompromiss ausgearbeitet werden könnte. Eine
Konfrontation zwischen Regierungs-Vize Schönbohm und Regierungschef Platzeck
im Streit um die Zuwanderung wäre da eher “unklug”, so Richter. Zumal die
Verhandlungen sich länger hinziehen dürften und so in den Landtagswahlkampf
2004 geraten könnten.
Stattdessen überlässt Schönbohm nun seinem bayerischen CSU-Amtskollegen
Günther Beckstein sowie dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller
und dem CDU-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach das Feld. Gerade mit
Beckstein steht Schönbohm seit langem im Wettbewerb, wer von beiden nun der
profiliertere “law-and-order”-Politiker in der Union ist. Parteiintern heißt
es, dass Schönbohm auf Druck von Platzeck zurückstecken musste.
Schönbohm hat das rot-grüne Zuwanderungsgesetz stets heftig kritisiert: Das
Gesetz sorge für zu viel Zuwanderung und leiste es nicht, die Einwanderer in
die Gesellschaft zu integrieren, so der CDU-Landeschef.
Unvergessen ist die Bundesratsabstimmung über das Zuwanderungsgesetz vom
März 2002. Schönbohm (“Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident!”) hatte
damals anders als Ministerpräsident Manfred Stolpe mit Nein gestimmt und in
der Folge eine Art Verfassungskrise heraufbeschworen. Im Bundesrat kam es
damals auf die Stimmen Brandenburgs an. Als das Bundesverfassungsgericht
dann im Dezember 2002 das Zuwanderungsgesetz wegen des fragwürdigen
Abstimmungsverhaltens der Brandenburger wieder kassierte, lud Schönbohm
demonstrativ zu einer Feier in sein Privathaus nach Kleinmachnow ein, seine
Frau Eveline servierte hausgemachte Pizza zum Sekt. Vor der Sommerpause aber
brachte die Bundesregierung das Zuwanderungsgesetz erneut in den Bundesrat
ein, wo es durch die inzwischen entstandene Mehrheit der Unions-geführten
Länder abgelehnt wurde. Nun wird im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss
gesucht — ohne Schönbohm, dafür aber mit Platzeck, der sich endlich einmal
im Vermittlungsausschuss bundespolitisch profilieren darf.
Die neue Friedfertigkeit
Es gibt offenbar eine Absprache in der Landesregierung, dass die große
Koalition sich künftig Gesetzesentwürfe erst einmal genau anschaut, bevor
sie sich im Bundesrat der Stimme enthält. “Das gilt sicherlich für die
weiteren Hartz-Gesetze und für das Gemeindefinanzierungsgesetz”, sagte
Regierungssprecher Manfred Füger am Montag. Erst einmal wolle die große
Koalition prüfen, ob jene Gesetze mit den Landesinteressen übereinstimmen.
Beobachter in Potsdam sprechen bereits von einem “neuen Szenario der
Friedfertigkeit” zwischen Platzeck und Schönbohm.