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Antifaschismus

Pleiten, Pannen, Prügel

INFORIOT — Auch in Bran­den­burg geht die NPD auf Stim­men­fang. Zeit einen Blick auf die Kandidat_innen und die Wahlkampf­s­trate­gie der Neon­azi­partei zu werfen.

Die Kandidat_innen: Brand­s­tifter, Bie­der­män­ner und eine hohe Frauen­quote
Bei der Bun­destagswahl 2009 kam die NPD auf ein beschei­denes Ergeb­nis von 1,8 Prozent der Erst­stim­men und 1,5 Prozent der Zweit­stim­men. In Bran­den­burg bekam die NPD 2,5 Prozent der Zweit­stim­men, 0,7 Prozent weniger als bei der Bun­destagswahl 2005, und 2,6 Prozent der Erst­stim­men. Das höch­ste Ergeb­nis, 4,0 Prozent, erhielt Klaus Beier, Bran­den­burg­er Lan­desvor­stand und Bun­de­spress­esprech­er der NPD, als Direk­tkan­di­dat in der Uckermark.

Klaus Beier
Auch dieses Jahr führt Klaus Beier als Spitzenkan­di­dat die Lan­desliste an und tritt als Direk­tkan­di­dat für den Wahlkreis Frank­furt (Oder) – Oder-Spree an. Das ehe­ma­lige Mit­glied der mil­i­tan­ten Deutschen Alter­na­tive (DA) fiel in der Ver­gan­gen­heit des öfteren wegen offe­nen Ras­sis­mus und ander­er Eska­paden auf. Im Zuge der Fußball­welt­meis­ter­schaft 2006 veröf­fentlichte die NPD u.a. in seinen Namen einen WM-Plan­er. In diesem wurde der deutsche Nation­al­spiel­er Patrick Owom­oyela mit den Worten „Weiß – nicht nur eine Trikot-Farbe? Für eine echte NATION­AL-Mannschaft“ unter seinem Trikot  ras­sis­tisch diskri­m­iniert. Er scheute nicht davor zurück, in ein­er Wahlsendung des Fernsehsenders RBB den Fußball­na­tion­al­spiel­er Mesut Özil ras­sis­tisch als „Plas­tik-Deutschen“ zu beschimpfen. Auch wegen weit­er­er anti­semi­tis­ch­er und ras­sis­tis­ch­er Aus­fälle musste Beier sich juris­tisch ver­ant­worten.

Stel­la Häh­nel
Eine auf­fäl­lig hohen Frauenan­teil schickt die bran­den­bur­gis­che NPD ins Ren­nen: Von den zehn Kandidat_innen der Lan­desliste, sind die Hälfte Frauen. Als Num­mer zwei auf der Liste ist Stel­la Häh­nel aufge­führt. Die ex-Frau von Jörg Häh­nel ist seit Beginn der 1990er Jahre ein festes Mit­glied der Berlin-Bran­den­bur­gis­chen Neon­aziszene. Sie war eine der führen­den Köpfe des „Skingirl — Fre­un­deskreis –Deutsch­land“ (SFD) und grün­dete nach dessen Auflö­sung die „Gemein­schaft Deutsch­er Frauen“, sowie die NPD-Frauenor­gan­i­sa­tion „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) mit. Außer­dem war sie aktiv in der später ver­bote­nen „Heimat­treuen Deutschen Jugend“ (HDJ).

Stel­la Häh­nel verkör­pert mit ihrem öffentlichen Auftreten die NPD Strate­gie, bei der Frauen durch gesellschaft­spoli­tis­ches Engage­ment und unschein­baren sozialen Kon­takt, Zugang zu päd­a­gogis­chen und bil­dungspoli­tis­chen Ein­rich­tun­gen erlan­gen sollen. In Hohen Neuen­dorf engagierte sie sich zwei Jahre unbe­merkt in einem Kinder­turn­vere­in und einem Familienzentrum.

Ron­ny Zasowk
Auf den drit­ten Platz find­et sich der NPD-Mul­ti­funk­tionär Ron­ny Zasowk. Er ist stel­lvertre­tender Lan­desvor­sitzen­der der bran­den­bur­gis­chen NPD, Mit­glied des Bun­desvor­standes und ver­ant­wortlich für die Schu­lungsar­beit der Partei. Zasowk tritt häu­fig als Red­ner auf NPD-Ver­anstal­tun­gen auf, bei denen er sich NS-Rhetorik, antizigan­is­tis­ch­er Ressen­ti­ments und offen­er nation­al­sozial­is­tis­ch­er Gesin­nung bedi­ent.

Manuela Kokott
Auf den vierten Platz fol­gt Manuela Kokott, die Schatzmeis­terin des Lan­desver­ban­des und des Kreisver­ban­des Oder­land. Neben der Organ­i­sa­tion des Preußen­t­ages, eines geschicht­sre­vi­sion­is­tis­chen NPD-Großevents, pflegt sie Kon­tak­te in die gewaltaffine Kameradschaftsszene.

Dieter Brose, Frank Knuf­fke und Flo­ri­an Stein
Auf den Plätzen fünf, sieben und neun treten Dieter Brose (ehem. Lan­dessprech­er, Kreiss­chatzmeis­ter NPD Hav­el-Nuthe und Kreistagsab­ge­ord­nete in Havel­land), Frank Knuf­fke (Dahme-Spree­wald) und Flo­ri­an Stein (Lan­dessprech­er, Kreis­geschäfts­führer und Press­esprech­er der NPD Oder­land, Vor­sitzen­der Orts­bere­ich Schöne­iche) an. Flo­ri­an Stein war Mit­glied der mil­i­tan­ten „Kam­er­ad­schaft Oder-Spree“. Immer wieder fiel er wegen Bedro­hun­gen und Pöbeleien gegenüber poli­tis­chen Gegner_innen auf.

Lore Lierse, Aileen Rokohl und Bar­bara Weiß
Auf Platz sechs und acht ste­hen Lore Lierse, Koor­di­na­torin für Kom­mu­nalpoli­tik, und Aileen Rokohl, die Lan­des­geschäfts­führerin. Als Direktkandidat_innen sind sie außer­dem für den Wahlkreis Uck­er­mark – Barn­im I und Wahlkreis Märkisch-Oder­land — Barn­im II wählbar. Ähn­lich wie Stel­la Häh­nel geben sich bei­de in der Öffentlichkeit bürg­er­nah. Lore Lierse engagiert sich neben­bei in diversen Hun­dezuchtvere­inen und organ­isiert Sin­gle-Tre­f­fen in Barn­im. Aus der Hun­deszucht kon­nte sie die zuvor nicht öffentlich in Erschei­n­ung getretene Kan­di­datin Bar­bara Weiß zum Wahlkamp­fantritt für die NPD ani­mieren. Aileen Rokohl hinge­gen ist für den KV Barn­im-Uck­er­mark und dessen Inter­net­präsenz ver­ant­wortlich. Sie grün­dete zusam­men mit anderen Neon­azis den Vere­in „Märkisches Fam­i­lien- und Hil­f­swerk“ (PDF-Link). Ihr Ehe­mann, Andreas Rokohl, fällt des öfteren durch Gewalt- und Alko­holeska­paden auf.  

Weit­ere Direk­tkan­di­dat­en
Für den Wahlkreis Prig­nitz — Ost­prig­nitz — Rup­pin — Havel­land I tritt der ex-Repub­likan­er Peter Börs, welch­er im NPD-Stützpunkt in Per­leberg aktiv ist, an. Für den Wahlkreis Bran­den­burg an der Hav­el – Pots­dam-Mit­tel­mark I – Havel­land III – Tel­tow-Fläming tritt Maik Schnei­der, Stadtverord­neter von Nauen und Abge­ord­neter im Kreistag Havel­land, an. Im Wahlbezirk Ober­hav­el – Havel­land II ste­ht der Oranien­burg­er Stadtverord­nete und Kreistagsab­ge­ord­nete Detlef Appel auf der Liste. Er begleit­ete das „NPD-Flag­gschiff“ auf der „Deutsch­land-Tour“ 2012. Anfang 2013 wurde er Bun­desvor­standsmit­glied der „Kom­mu­nalpoli­tis­chen Vere­ini­gung“ (KPV) der NPD. Im Feb­ru­ar 2010 fiel er durch ras­sis­tis­che Äußerun­gen im Oranien­burg­er Stadt­par­la­ment auf.

Der Wahlkampf
Schon rel­a­tiv frühzeit­ig begann die NPD Bran­den­burg ihren Wahlkampf. Es geht ver­mut­lich nicht nur um die Bun­destagswahlen, son­dern auch darum, mit­tel­fristig, Wähler_innen zur Land­tags- und Kom­mu­nal­wahl 2014 an die Partei zu binden. Somit will sie die Lücke zwis­chen Sach­sen und Meck­len­burg Vor­pom­mern schließen.

Aktion Klee­blatt“
Das kon­ven­tionelle Konzept der Mobil­isierung der Straße mit­tels Demon­stra­tio­nen erwies sich als großer Flopp. Die „Aktion Klee­blatt“ 2011/2012, bei der die NPD ver­sucht hat Demon­stra­tio­nen zum The­ma Euro und Europa­poli­tik in den Städten Frankfurt(Oder), Pots­dam, Cot­tbus, Witt­stock und Brandenburg/Havel durchzuführen, bracht­en nicht den gewün­scht­en Erfolg. Der größte Teil der Demon­stra­tio­nen kon­nte durch Sitzblock­aden ver­hin­dert oder mas­siv gestört wer­den. Die Unzufrieden­heit in den eige­nen Rei­hen spiegelte sich auch in den des­o­lat­en Teilnehmer_innenzahlen wider.

Pro­jekt „Tausend­füßler“
Auf der Demon­stra­tion in Bran­den­burg an der Hav­el am 31. März 2012 kündigte Klaus Beier an, „bei Bedarf in Hin­blick auf die Kom­mu­nal- und Land­tagswahlen in das Pro­jekt „Tausend­füßler“ überzuge­hen“. Nach dem Scheiter
n der „Aktion Klee­blatt“ schien dieser Schritt geboten. Mit dem Pro­jekt „Tausend­füßler“ ver­sucht die NPD, durch kurzfristig angekündigte Wan­der-Mah­nwachen und Kundge­bun­gen, oft an ver­schiede­nen Orten inner­halb eines Tages, Protesten zu ent­ge­hen. In mehreren Städten in West­havel­land und Ober­hav­el kon­nte die NPD ohne große Störun­gen Mah­nwachen gegen zu hohe Ben­z­in­preise durch­führen. Zunehmend haben sich allerd­ings Antifas und Zivilge­sellschaft darauf eingestellt, sodass die NPD zunehmend auch bei den Kundge­bun­gen auf spon­ta­nen Protest stößt.

Ras­sis­tis­che Asyl-Kam­pagne
Im Rah­men der bun­desweit angelegten NPD Kam­pagne „Ein­mal Deutsch­land und Zurück. Asyl ist kein Selb­st­be­di­enungsladen“ führt die NPD Bran­den­burg mehrere Kundge­bun­gen in ver­schiede­nen Städten durch. Wie bei der „Tausendfüßler“-Strategie wur­den die Aktio­nen, außer in Eisen­hüt­ten­stadt und Fürsten­walde am 3. August, öffentlich nicht bewor­ben und nur kurzfristig angemeldet. Das aggres­sive Aus­maß dieser Strate­gie zeigt sich in der Pro­voka­tion, direkt vor den Asyl­heimen ihre men­schen­ver­ach­t­ende Het­ze ver­bre­it­en zu wollen. Für den Abschluss der Kam­pagne kündigte die NPD mehrfach an eine Großak­tion zum „Zen­trum des Asylmiss­brauchs“ durchzuführen. 

Zunehmende Aggres­siv­ität
Die Bran­den­burg­er NPD war in der Ver­gan­gen­heit stets bemüht ein Bild der „Küm­mer­erpartei“ zu ver­mit­teln. Durch zunehmende Gewal­taus­brüche in der Öffentlichkeit begin­nt das Image jedoch zu bröckeln.

Am 3. August 2013 wurde in Eisen­hüt­ten­stadt die direk­te Eskala­tion gesucht. Laut dem Bericht des Bünd­niss­es „Kein Ort für Nazis Frank­furt (Oder)“ sprangen mehrere Nazis mit den Rufen „Juden“ und „die Straße frei der deutschen Jugend“ aus den drei Klein­bussen und attack­ierten die Gegendemonstrant_innen, welche den Platz vor der Zen­tralen Auf­nahmestelle (ZAST) vor der Ankun­ft der NPD beset­zt hat­ten, mit Pfef­fer­spray und Fah­nen­stan­gen. Laut Zeug_innenberichten waren bei dem Angriff NPD-Funk­tionäre wie Frank Maar, Frank Odoy, Mar­cel Teske sowie Markus Noak (NPD-Abge­ord­neter im Kreistag Spree-Neiße) beteiligt. Das Bun­desvor­standsmit­glied der Jun­gen Nation­aldemokrat­en (JN) und Chef der JN Lausitz, Pierre Dorn­brach, zeigte bei der Ver­anstal­tung den Hitlergruß.

Eine Woche später fiel Frank Odoy wegen ver­fas­sungs­feindlich­er Äußerun­gen auf der NPD-Kundge­bung am 10. August in Brandenburg/Havel auf. Auf der sel­bi­gen Kundge­bung griff laut einem Bericht von Bran­den­burg­er Antifas Michel Müller, Lan­des­or­gan­i­sa­tion­sleit­er und Kreisvor­stand der NPD Hav­el-Nuthe, vor Augen der anwe­senden Polizei einen Pas­san­ten an. Das ehe­ma­lige Mit­glied der ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft „Hauptvolk“ und der Grup­pierung „Arische Kämpfer – White Pow­er Rathenow“ wurde 2002 wegen Bei­hil­fe zu ver­sucht­en Mordes zu dreiein­halb Jahren Haft verurteilt (PDF-Link).

Aus­blick
Nach dem steti­gen Abwärt­strend der let­zten Wahlen ist es schw­er vorstell­bar, dass die NPD einen großen Erfolg bei der Bun­destagswahl ver­buchen wird. Hinzu kommt die Konkur­renz durch die Repub­likan­er, die recht­spop­ulis­tis­che Partei „Pro Deutsch­land“ und der neuen, kon­ser­v­a­tiv­en „Alter­na­tive für Deutsch­land“, die mit der NPD und ihren Anti-Euro-Kurs im sel­ben Teich fis­cht. Fest ste­ht: der Bun­destagswahlkampf dient der bran­den­bur­gis­chen NPD als Vor­bere­itung für ihr eigentlichen Ziel, den Einzug in den Land­tag und die Kom­mu­nal­par­la­mente. Hier wird sich zeigen, ob die Arbeit Früchte getra­gen hat. Inter­es­sant wird hier der Wahlkampf in Konkur­renz mit der Partei „Die Rechte“, dessen Antritt zur Land­tags- und Kom­mu­nal­wahl abse­hbar ist.

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