Ein Gespräch mit Heinrich Fink, Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA).
F: Am kommenden Sonntag findet im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen die zentrale Gedenkveranstaltung zum 61. Jahrestag der Befreiung der Häftlinge statt. Einer der Redner wird der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm (CDU), sein. Ist er der geeignete Mann dafür?
Nein, das ist er nicht. Der ehemalige Bundeswehrgeneral Schönbohm hat schon öfter Stimmung gegen Antifaschisten gemacht und die Gefahren verharmlost, die durch den erstarkenden Neonazismus entstehen. Er trägt z. B. die politische Verantwortung für die Demütigungen und Kriminalisierungsversuche, die Antifaschisten im vergangenen Monat im brandenburgischen Halbe widerfahren sind. Die vornehmlich jungen Menschen, die dort gegen die Glorifizierung von Naziverbrechern durch neofaschistische Gruppen demonstrieren wollten, wurden in unverhältnismäßiger Manier durchsucht und schikaniert. Einige mußten sogar barfuß im Schnee stehen, weil ihre Schuhe untersucht wurden. Ein solcher Politiker sollte nicht auf einer Veranstaltung sprechen, die an die Befreiung eines KZs erinnert.
Der ehemalige KZ-Häftling Mark Tilevitschule aus Rußland wird Schönbohm am Sonntag das politische Vermächtnis der ehemaligen Gefangenen überreichen. Darin fordern sie unter anderem, allen Erscheinungen von Faschismus, Militarismus, Rassismus und Antisemitismus, jeglicher Unterdrückung und Ausgrenzung von sozialen Gruppen oder Einzelpersonen aufgrund ihrer Weltanschauung, ihres Glaubens oder ihrer Herkunft entschlossen entgegenzutreten. Ich bin sehr gespannt, wie der Minister damit umgehen wird.
F: Schönbohm machte zudem im vergangenen Jahr von sich reden, als er eine angebliche Proletarisierung der ehemaligen Bürger der DDR als Ursache dafür bezeichnete, daß Ostdeutsche eher zu Straftaten neigten.
Mit dieser Äußerung hat sich Schönbohm selbst enttarnt. Dieser Unsinn ist eine Verunglimpfung der Errungenschaften des Sozialismus, der seinem Wesen nach dem Humanismus verpflichtet ist.
F: Am 16. April wurde in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam ein 37-jähriger Deutscher äthiopischer Herkunft durch bislang unbekannte Täter lebensbedrohlich verletzt. Der Innenminister fordert nun die Aufklärung dieses Falles und stellt sich auf die Seite des Opfers. Wie glaubwürdig ist das?
Das ist überhaupt nicht glaubwürdig. Schönbohm ist ja als rechter Hardliner in der CDU bekannt. Wer sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit für die rasche Abschiebung von angeblich nicht integrationswilligen Migranten ausspricht, sollte jetzt nicht versuchen, sich einen humanistischen Anstrich zu verpassen. Außerdem könnte man durchaus die Frage aufwerfen, wie es um den Integrationswillen mancher Deutscher bestellt ist. Innenminister Schönbohm hat das politische Klima in Brandenburg seit Jahren mitgeprägt und ist somit auch für derlei feige Mordversuche politisch verantwortlich.
F: Ab Juni findet die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland statt. Zur Zeit wirbt die BRD mit dem Slogan »Die Welt zu Gast bei Freunden«. Kann man nichtdeutschen Fußballfreunden nach all den rassistischen Gewalttaten der vergangenen Monate noch zumuten, nach Deutschland zu reisen?
Was wir in der letzten Zeit an brutaler und teils schon alltäglicher rassistischer Gewalt erlebt haben, ist Deutschland, um es mal mit den Worten der widerlichen »Du-bist-Deutschland«-Kampagne auszudrücken. Die Fußballweltmeisterschaft ist bereits jetzt dadurch gestört, daß Teile der Bevölkerung im Vorfeld der WM eindeutig gezeigt haben, was sie von Nichtdeutschen halten: nämlich gar nichts. Anstatt aus politischer Überzeugung gegen die Aktivitäten der Neonazis und Rassisten vorzugehen, haben die deutschen Politiker jedoch nur Angst um das Image des Landes. Man wird sehen, daß das Thema Rassismus in wenigen Tagen kaum noch eine Rolle spielt.
Interview: Markus Bernhardt