Polizei ermöglicht Nazidemo
Neuruppin: 300 bei Sitzblockade, von Polizei geräumt / insgesamt protestierten 600 Menschen / 180 Neonazis marschierten (Updated)
INFORIOT Die Polizei hat am Samstag in Neuruppin eine Demonstration von etwa 180 Neonazis mit Gewalt durchgesetzt. Eine etwa 300 Personen starke Sitzblockade wurde durch die Polizei aufgelöst. Dabei kam es teilweise zu brutalen Szenen. Immerhin verzögerte sich der Ablauf des Neonaziaufmarschs um knappe zwei Stunden. Insgesamt waren rund 600 Personen an den Protesten beteiligt.
Antifaschistische Demonstration mündet in Blockade
Am Vormittag, lange vor der Anreise der auswärtigen Neonazis, war eine antifaschistische Demonstration durch Neuruppin gezogen. Vom Alten Gymnasium aus brach dieser Aufzug auf die Friedrich-Engels-Straße aus und startete dort — nur ein paar hundert Meter vom Startpunkt der Neonazis am Rheinsberger Tor entfernt — die Blockade.
Schnell wuchs die Menge an — es herrschte beste Stimmung.
Hartes Vorgehen der Polizei
Dann jedoch räumte die Polizei. Zahlreiche BeobachterInnen zeigten sich über das unangemessen rüde Vorgehen der Polizei empört. Immer wieder wurden Handhebel und ähnliche Polizeigriffe genutzt. Dennoch: Erst kurz vor 14 Uhr, also zwei Stunden nach dem geplantem Demobeginn trafen die Neonazis an der Stelle der dann schon aufgelösten Blockade ein.
Zu den Protesten und Blockaden hatten das “Netzwerk Neuruppin”, das “Aktionsbündnis Neuruppin bleibt bunt” sowie zahlreiche weitere Initiativen und Einzelpersonen aufgerufen.
Gekesselte ex-BlockiererInnen stundenlang festgehalten
Die Polizei hielt derweil die ehemaligen BlockiererInnen am Rande fest — erst gegen 17:30 Uhr wurden die letzten Personen wieder freigesetzt. Dieser Kessel lag indes direkt an der Route der Neonazis.
Dementsprechend wurde dann den vorbeilaufenden Neonazis ein lautstarker Empfang bereitet. Ersten Informationen zufolge gab es acht Ingewahrsamnahmen gegen BlockiererInnen. Über die Zahl der Verletzten ist bis jetzt nichts bekannt. (Stand: Samstag, 17.45 Uhr)
Nazis vor allem aus der Region
Veranstalter der rechten Demo waren die “Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland”. Die Route führte vom Rheinsberger Tor durch die Innenstadt ins Neubaugebiet und von dort den gleichen Weg wieder zurück. Redebeiträge wurden von der Neuruppiner Neonazistin Beatrice Koch sowie von Tino Müller, NPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern, gehalten.
Es nahmen vor allem Neonazis aus der Region Berlin-Brandenburg teil. Der erst Ende August gegründete NPD-Stadtverband in Neuruppin trat mit einem Transparent auf. Tatsächlich ist von einer weitgehenden Personalunion zwischen dieser NPD-Struktur und den “Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland” auszugehen.
Präsent waren dabei Neonazis aus Neuruppin wie Dave Trick, Beatrice Koch und Dennis Franke. Der NPD-Kreischef aus Havel-Nuthe, Michel Müller, war ebenso vor Ort.
Später noch misslungene Spontandemo der Neonazis
Nach Abschluss ihrer Demonstration versuchten etwa 60 Neonazis, eine weitere, “spontane” Demonstration vom Neuruppiner Westbahnhof aus durchzuführen. Dies wurde ihnen von der Polizei verwehrt.
Nazis im Juli erfolgreich blockiert
Schon im Juli diesen Jahres hatten die “Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland” versucht, in der Stadt zu demonstrieren. Auch damals gab es eine Sitzblockade, die von der Polizei allerdings nicht aufgelöst wurde. Die etwa 200 Rechten mussten nach einem Bruchteil ihrer Wegstrecke wieder kehrt machen.
Der neuerliche Aufmarsch sollte den misslungenen ersten Versuch wieder gut machen. Er stand wie im Juli unter dem kryptischen Motto “Vom Schuldkult zur Mitschuld”.
Der Verlauf des Tages aus Sicht der Protestierenden kann anhand des Twittertickers vom Netzwerk Neuruppin nachvollzogen werden.
Rechte Demo in Frankfurt/Oder fiel aus
Eine weitere Neonazidemonstration am gleichen Tag in Frankfurt/Oder war von der Polizei verboten worden. Diese sollte an den Todestag des britischen Rechtsrock-Sängers Ian Stuart erinnern. Einige der Neonazis in Neuruppin trugen dann auch Ian-Stuart-Motive auf ihren T‑Shirts, die auf Polizeianweisung mit Klebeband abgedeckt werden mussten.
Nachträge 25. September:
Die Polizei schreibt in einer Pressemitteilung von “weit über 100” Identitätsfeststellungen wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Der Vorfall am Neuruppiner Westbahnhof wird nicht als Versuch einer Spontandemonstration, sondern als Notstop des Zugführers wegen randalierender Neonazis dargestellt.
Das Netzwerk Neuruppin berichtet von “angeblich” über 350 Anzeigen, die aufgenommen worden sein sollen.
In einem ersten Bericht des RBB zu den Ereignissen in Neuruppin war unrealistischerweise von lediglich 400 Protestierenden und 100 SitzblockiererInnen die Rede.