70 Straftaten seit Jahresbeginn / Verhandlung gegen mutmaßliche Cottbuser
Täter
(LR) Große Hoffnung setzt die Cottbuser Polizei in einen Prozess am Amtsgericht.
Am 17. Juni stehen dort zwei Cottbuser vor dem Richter, die im Herbst des
vergangenen Jahres die Fassade des ehemaligen Kinos «Weltspiegel» mit Farbe
besprüht haben sollen. «Vielleicht hilft dieser Prozess, weiteren Tätern die
Lust an ihren Schmierereien zu nehmen», sagt Polizeisprecher Berndt
Fleischer. Seit Jahresbeginn ereigneten sich in Cottbus 70
Graffiti-Straftaten — und nur elf Täter wurden gefasst.
Mit einer bunten Farbpalette sollen sie am 17. Oktober des vergangenen
Jahres zum ehemaligen Kino «Weltspiegel» gezogen sein, ein 24-Jähriger und
sein 22-jähriger Komplize, um es rot, weiß und schwarz zu besprühen. Für den
Schaden von 2570 Euro werden sie sich Mitte des Monats vor dem Cottbuser
Amtsgericht verantworten. Falls ihnen die Tat nachgewiesen wird, müssen sie
mit 100 Sozialstunden rechnen.
Allein im Mai dieses Jahres ereigneten sich etliche ähnliche Fälle. Ein
beschmierter Bagger, eine beschmierte Brücke, beide am Energie-Stadion,
Schaden: 5000 Euro. Graffiti-Zeichnungen auf einer Wand in der Sachsendorfer
Straße, 500 Euro Schaden. Ein fünf Meter langer Lastwagen in der
Carl-von-Ossietzky-Straße, über und über mit Graffitis bedeckt, Graffitis an
der Wand des Konservatoriums in der Puschkinpromenade — nur einige
Beispiele.
252 Graffiti-Straftaten zählte die Cottbuser Polizei 2002, 69 Täter wurden
im gleichen Zeitraum gefasst. «Es handelt sich immer um Mehrfachtäter» ,
erklärt Polizeisprecher Berndt Fleischer, «man wächst in diese Szene hinein,
und wer die anderen beeindrucken will, hat einen Fotoapparat dabei. Mit dem
verewigt er seine Schmierereien.»
«Überall hinterlassen sie Spuren»
Offenbar lassen sich die Sprayer auch nicht von der immer ausgeklügelteren
Spurentechnik der Polizei und der Staatsanwälte beeindrucken, von der
Amtsgerichts-Direktor Wolfgang Rupieper erzählt: «Wir können alles Mögliche
vergleichen, wenn es zu einer Hausdurchsuchung kommt. Die Lackmischung, die
Schriftzeichen — hier hat die Technik in den letzten Jahren enorme
Fortschritte erzielt.» Rupieper rechnet vor: In einer der drei zuständigen
Abteilungen des Amtsgerichts kam es 2002 insgesamt zu 470 Verhandlungen,
sechs davon wegen Graffiti-Straftaten. «Ein Hauseingang, eine Grundschule,
ein Keller, eine Straßenbahn, eine Gaststätte, eine Haustür — überall
hinterlassen die Sprayer ihre Spuren.» In dreien der sechs Fälle sei es zu
Verurteilungen gekommen. «Die anderen wurden eingestellt, vor allem, weil
die Täter auch wegen anderer Delikte vor Gericht standen, die um einiges
schwerer wogen.»
Beliebte Großstadt-Anonymität
Dabei richten Graffiti-Straftaten nach Einschätzung der Polizei in Cottbus
jährlich Schäden in Millionenhöhe an. «Auf dem Land passiert viel weniger» ,
sagt Polizeisprecher Fleischer, «die Täter schätzen die anonyme Atmosphäre
größerer Städte, wo sie sich schnell aus dem Staub machen können.»
Besonders leidgeprüft zeigt sich das Unternehmen «Cottbusverkehr» , dem Jahr
für Jahr rund 30 000 Euro an Graffiti-Schäden entstehen. Auch Schulen
gehören zu beliebten Zielen der Sprayer. So gingen der Polizei am
vergangenen Wochenende drei Jugendliche ins Netz, die mit ihren Sprühdosen
am Heinrich-Heine-Gymnasium Spuren hinterlassen wollten (die RUNDSCHAU
berichtete). «Wir kommen nicht damit hinterher, die Schmierereien zu
entfernen» , erklärt Bernd Weiße, Chef des Schulverwaltungsamts, «uns bieten
zwar Firmen an, eine Beschichtung an den Wänden aufzubringen, damit wir die
Graffitis leichter entfernen können — aber das kostet auch viel Geld.»
Manche Schulen besinnen sich deshalb auf originelle Ideen. An der Wand des
Leichhardt-Gymnasiums rankt sich wilder Wein — so dicht, dass den Sprayern
dort die Lust verging.
Hintergrund Aus der Polizei-Statistik
# 1999 registrierte die Polizei insgesamt 170 Graffiti-Straftaten.
# 2000 waren es 253.
# Im Jahr 2001 stieg die Zahl weiter auf 336 Straftaten.
# Zu den Schwerpunkt-Straßen zählten in den vergangenen Jahren: Berliner
Straße, Zielona-Gora-Straße, Am Fließ, Gerhart-Hauptmann-Straße,
Parzellenstraße, Poznaner Straße.