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Polizeigewalt in Ausländerbehörde in Märkisch-Oderland

Heute berichtete die TAZ über einen Fall von Polizeige­walt im Sozialamt im Land­kreis Märkisch-Oder­land, der am ver­gan­genen Mon­tag stattge­fun­den haben soll. Ein Video zeigt, wie mehrere Beamte einen Geflüchteten mit Gewalt zum Ver­lassen der Behörde zwin­gen wollen. Auf dem Video ist zu sehen, wie min­destens drei Beamte ver­suchen, den Mann gewalt­sam zu Boden zu drück­en, an seinen Armen und seinem Kopf zer­ren, im Ver­lauf sieht man Schläge, die offen­bar Rück­en und Kopf tre­f­fen. Während des Über­griffes schir­men andere Beamte die Sit­u­a­tion ab, Zeug_innen wer­den in den Flur gedrängt.

Laut Bericht der TAZ sei der Mann von den Beamten bewusst­los geschla­gen und später ein Kranken­wa­gen gerufen wor­den. “Der Flüchtlingsrat ist bestürzt angesichts der mas­siv­en Gewalt, die hier durch Polizeibeamte gegen einen Men­schen angewen­det wurde”, sagte Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Brandenburg.

Sel­ten Kon­se­quen­zen für die Polizei 

Men­schen, die in das ras­sis­tis­che Raster der Polizei durch ver­meintliche Herkun­ft oder Merk­male wie Haut­farbe und Sprache fall­en, erleben immer wieder ähn­liche Szenar­ien. Aggres­sio­nen der Beamt_innen, diskri­m­inierende Beschimp­fun­gen und Belei­di­gun­gen, gewalt­same Fes­t­nah­men, Mis­shand­lun­gen und Über­griffe bleiben jedoch in der Regel ohne Kon­se­quen­zen. Eineak­tuelle Studie zeigt, dass Polizeige­walt in 80 Prozent der Fälle nicht zur Anzeige gebracht wird. Betrof­fene haben Angst vor solchen Anzeigen, in den aller­meis­ten Fällen wer­den die Ermit­tlun­gen eingestellt. Das liegt vor allem daran, dass es keine unab­hängige Ermit­tlungsin­stanz gibt, son­dern Polizist_innen gegen die eige­nen Kolleg_innen ermit­teln und aus­sagen müssen. Außer­dem müssen die Betrof­fe­nen mit Gege­nanzeigen rech­nen. So offen­sichtlich auch im Fall des Geflüchteten aus Märkisch-Oder­land: Direkt nach dem Über­griff soll laut TAZ gegen den Mann Anzeige wegen Haus­friedens­bruch, Wider­stand und Kör­per­ver­let­zung erstat­tet wor­den sein.

Geflüchtete befind­en sich gegenüber Behör­den in ein­er beson­ders vul­ner­a­blen Sit­u­a­tion. Ihr Aufen­thaltssta­tus und ihre Zukun­ft sind von den Entschei­dun­gen von Behördenmitarbeiter_innen abhängig. Das macht es für sie umso schwieriger, sich gegen Über­griffe und Gewalt zu wehren. Die Dunkelz­if­fer im Fall von Polizeige­walt ist groß”, erk­lärt Lot­ta Schwedler weiter.

Der Flüchtlingsrat fordert eine Unter­suchung und die Aufk­lärung des polizeilichen Über­griffes. Das bekan­nt gewor­dene Video weist darauf hin, dass es sich um Kör­per­ver­let­zung im Amt han­deln kön­nte. Dafür müssen die Ver­ant­wortlichen zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den. “Wir begrüßen, dass der Vor­fall auf die Tage­sor­d­nung der näch­sten Sitzung des Innenauss­chuss­es im Land­tag geset­zt wer­den soll. Auch die im Koali­tionsver­trag vorge­se­hene Beschw­erdestelle kön­nte zu der Aufk­lärung solch­er Fälle beitra­gen“, so Lot­ta Schwedler. Dem Betrof­fe­nen muss eine Entschädi­gung zukom­men. Die vorgenomme­nen Leis­tungskürzun­gen müssen rechtlich über­prüft werden.

Der Hin­ter­grund: Leis­tungskürzun­gen häu­fig rechtswidrig und existenzbedrohend 

Der Geflüchtete war nach Medi­en­bericht­en am ver­gan­genen Mon­tag in die Behörde gekom­men, um seine Sozialleis­tun­gen abzu­holen. Diese seien ihm gekürzt wor­den, worüber er sich beschw­ert habe. Der­Flüchtlingsrat beobachtet seit eini­gen Monat­en, dass Leis­tungskürzun­gen zunehmend genutzt wer­den, um Men­schen unter Druck zu set­zen und sie zur Aus­reise zu zwin­gen. Diese zum Teil willkür­lich scheinende und aufen­thalt­srechtlich motivierte Prax­is der kom­mu­nalen Aus­län­der­be­hör­den sowie der Zen­tralen Aus­län­der­be­hörde wird flankiert durch Geset­zesver­schär­fun­gen, die auf Bun­de­sebene in diesem Som­mer ver­ab­schiedet wor­den sind. Häu­fig wer­den Betrof­fene unzure­ichend darüber aufgek­lärt, aus welchen Grün­den ihnen Leis­tun­gen gekürzt wer­den. Leis­tungskürzun­gen erweisen sich regelmäßig als rechtswidrig und wirken exis­tenzbedro­hend für die Betrof­fe­nen. Der Land­kreis Märkisch-Oder­land fiel in der Ver­gan­gen­heit immer wieder durch seine restrik­tive Hand­habung auf: Der Flüchtlingsrat, Ehre­namtsini­tia­tiv­en und andere Akteure im Land­kreis kri­tisieren seit Jahren die regelmäßig rechtswidri­gen Leis­tungskürzun­gen und das Nicht­gewähren von Leis­tun­gen durch das Sozialamt. Auch dass die Empfänger_innen ihre Leis­tun­gen bei der Behörde per­sön­lich abholen müssen und diese ihnen nicht auf ihr Kon­to über­wiesen wer­den, beze­ich­nen Ini­tia­tiv­en als „umständlich und demütigend“.

Leis­tungskürzun­gen sind grund­sät­zlich abzulehnen, da hier die erforder­liche Ver­sorgung zugun­sten aufen­thalt­srechtlich­er Über­legun­gen zurück­gestellt wird. Die Ver­weigerung sozialer Rechte ist rechtlich frag­würdig und ver­stößt bei beson­ders schutzbedürfti­gen Per­so­n­en gegen die EU-Aufnahmerichtlinie.

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