Impressionen vom diesjährigen Stadtfest in Rathenow
Am vergangenen Wochenende fand inzwischen zum 13. mal das berüchtigte Stadtfest in Rathenow statt. Berüchtigt weil es in den letzten Jahren immer wieder zu Übergriffen und Ausschreitungen von Rechtsextremisten, wie 1995, 1998 und 1999, kam.
Deshalb war es z.B. auch für nicht rechtsorientierte Jugendliche immer schwierig bzw. kaum möglich sich nur in der Nähe dieser Großveranstaltung aufzuhalten.
Erst im letzten Jahr gelang es diese auch symbolisch anzusehende Dominanz der regionalen Naziszenerie in Rathenow zu brechen.
Auch in diesem Jahr sollte dies fortgesetzt werden. Und so kamen am ersten Festtag, dem vergangenen Freitag, auch zahlreiche Jugendliche, vorwiegend Hopper und Skater an der Rathenower Galerie in der Goethestraße zusammen.
Lange dauerte es allerdings nicht bis sich die ersten Nazis von ihrem Treffpunkt vor einem Kaufhauskomplex in der Berliner Straße zur Goethestraße begaben um zunächst die Lage aufzuklären und dann gezielt durch verbale Beschimpfungen und das Skandieren von Parolen zu provozieren.
Da die Polizei kaum Anstalten machte dies zu unterbinden wurden die verbalen Aggressionen mit „Nazis Raus“-Rufen beantwortet. Trotz dieser
Anspannungen blieb es friedlich.
Erst gegen 1.30 Uhr spannte sich die Lage richtig an. Polizeibeamte der Landeseinsatzeinheit (LESE) aus Potsdam postierten sich an der Galerie und erteilten Platzverweise für alle sich dort aufhaltende Jugendliche.
Lediglich die Nazis durften bleiben.
Da der Platzverweis aus der Sicht der Jugendlichen unverständlich war,
blieben die meisten stehen. Daraufhin wurde das Gelände vor der Galerie geräumt und die Jugendlichen in die Goethestraße getrieben, wobei es auch zu Ingewahrsamnahmen kam. Mehrere Nazis die hinter der Polizei hinterher liefen und den vertriebenen Jugendlichen noch „Ausländer raus“
und „Sieg Heil“ lautstark hinterher riefen blieben jedoch unbehelligt.
Offensichtlich waren die Beamten an diesem Abend unvorbereitet und völlig überfordert. Nicht einmal ihre Namen und Dienstnummern wollten ihnen auf Nachfrage einfallen.
Weniger unvorbereitet und mit deutlich mehr Beamten war die Polizei am zweiten Stadtfesttag, dem vergangenen Samstag, präsent. Und auch die Eingreifschwelle war deutlich geringer. Nach dem die Nazis wieder versuchten an der Galerie zu provozieren,
wurde sofort ein Korridor durch LESE–Beamte gezogen und ein 16-jähriger Jungnazi verhaftet.
Als dann Unbekannte eine Flasche von einem Gebäude an der Galerie in den Polizeikorridor warfen, wurde dann von einem Einsatzfahrzeug in der Goethestraße mehrfach der Befehl erteilt den Platz vor der Galerie zu räumen, ohne jedoch einen eigentlichen Platzverweis auszusprechen.
Trotzdem wurde der Platz wie angesagt geräumt und alle Jugendlichen vertrieben. Jugendliche die der Maßnahme nicht nachkamen oder nur über die Rechtmäßigkeit der Anordnung diskutieren wollten wurden brutal in Gewahrsam genommen, auch 13-Jährige.
Der Polizeiknüppel saß in dieser Nacht besonders locker und als einige Jugendliche ihren Ärger in der Goethestraße verbal rausließen kam er zum Einsatz. Das dabei aber auch mehrere unbeteiligte 14- und 15-Jährige
brutal umgerannt und u.a. eine 14-Jährige unterhalb des Auges verletzt wurde, war den Beamten offensichtlich egal – Kollateralschaden.
Den ganzen Abend über wurden noch einzelne Jugendliche brutal abgehaftet, weil sie dem nicht ausgesprochenen Platzverweis nicht Folge leisteten, als sie durch die Goethestraße liefen. Besonders widerlich war aber in der Nacht zum Sonntag der Platzverbot für dunkelhäutige Jugendliche und deren peinliche und natürlich
erfolglose Durchsuchung nach Drogen durch Polizeibeamte der LESE.
Die Verantwortung für den Polizeieinsatz trägt übrigens der Rathenower Wachleiter Wolfgang Wegwerth. Der Hardliner war schon in der DDR Polizist und ist für seine Kompromisslosigkeit und Schlagfreudigkeit
bekannt. Als Wachleiter versagte er aber bereits Anfang der 1990er Jahre in der Bekämpfung der ersten Nazigeneration in Rathenow. Erst im letzten Jahr wurde der Fastpensionär wieder als Wachleiter eingesetzt.
Antirepressionsgruppe Rathenow
Einsätze beim Stadtfest
Polizeibericht der Märkischen Allgemeine Zeitung (MAZ) von Dienstag, dem 16.09.2003
RATHENOW Am Rande des Rathenower Stadtfestes kam es zu zahlreichen
Einsätzen der Polizei. So unterbanden Beamte am Freitag eine
Auseinandersetzung am Bierstand. Gegen zwei der Beteiligten, die bei der
Klärung des Sachverhaltes Widerstand leisteten, wurden Anzeigen
aufgenommen. Mehrmals konnte die Polizei durch Aussprechen von
Platzverweisen Eskalationen zwischen rivalisierenden Jugendgruppen
verhindern.
Aus einer Gruppe heraus waren am Sonnabend Flaschen geworfen worden.
Verletzt wurde niemand. Bei einem Flaschenwurf am Freitag erlitt ein
ziviler Beamter leichte Verletzungen am Kopf. Bei einer 16 – Jährigen,
die einen Platzverweis nicht Folge leistete, entdeckten Polizisten auf
der Wache einen Schlagring. Gegen die Jugendliche wird nun zum Verdacht
des Verstoßes gegen das Waffengesetz ermittelt. Insgesamt nahm die
Polizei während des drei Tage dauernden Stadtfestes acht Strafanzeigen
auf, unter anderem zu Widerstandshandlungen (3–mal), Körperverletzung
(2–mal) und zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger
Organisationen (einmal).