(BM, 25.6.) Potsdam — Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sorgt sich um
die Sicherheit in der Landeshauptstadt: “Ich werde alle mir zur
Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um eine weitere Eskalation zu
verhindern”, sagte er. Alarmiert hat das Stadtoberhaupt der Überfall von
Angehörigen der radikalen Linken auf einen Jugendlichen von Rechtsaußen.
Immerhin wegen versuchten Mordes sind gegen vier Tatverdächtige
Haftbefehle erlassen worden; zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft,
die beiden anderen sind gegen strikte Auflagen auf freiem Fuß. Noch
brisanter macht den Fall, daß er eine Vorgeschichte hat und — wie Jakobs
offenbar befürchtet — eine gewalttätige Fortsetzung finden könnte.
Das Opfer des jüngsten Überfalls ist wegen rechtsextremer
Propagandadelikte bei der Polizei bekannt. Der Überfall auf den
17jährigen ereignete sich vor einer Woche gegen 1.20 Uhr am Nauener Tor.
Mindestens fünf Vermummte stürmten auf ihn zu und traktierten ihn mit
einem Teleskopschlagstock. Zeugen sahen die Täter in Richtung Hegelallee
flüchten, liefen ihnen nach und konnten einige von ihnen bis zum
Eintreffen der Polizei festgehalten. Der Überfallene hatte eine
Platzwunde am Kopf, Abschürfungen und andere Blessuren erlitten.
Bemerkenswert ist, daß sich unter den Tatverdächtigen eine erwachsene
Frau befindet, die Mitarbeiterin des “Chamäleon” sein soll. Dieser linke
Jugendklub in der Potsdamer Hermann-Elflein-Straße war in der
Silvesternacht 2002 von etwa 20 Neonazis mit Holzlatten und
Feuerwerkskörpern überfallen worden. Dazu fielen erst kürzlich vor dem
Landgericht in Potsdam die Urteile. Bei den rechtsextremen
Hauptangeklagten Danny L. und Michael G. stellte der Richter “eine
besondere Schwere der Schuld fest”; L. erhielt eine Freiheitsstrafe von
14 Monaten, G. eine Jugendstrafe von 17 Monaten, die zur Bewährung
ausgesetzt wurde.
Am Rande dieser Verhandlung war es zu verbalen und tätlichen
Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten gekommen; so
mußten am 1. Juli 60 Polizisten etwa 50 Angehörige beider Lager im
Gericht voneinander fernhalten.
Vor diesem Hintergrund schließen die Behörden einen Zusammenhang
zwischen den Überfällen auf das “Chamäleon” und auf den Rechtsradikalen
nicht aus. Die CDU-Landtagsfraktion sieht deshalb sofortigen
Handlungsbedarf: Sollte es zutreffen, daß an dem Überfall auf den
Rechtsradikalen Personen beteiligt waren, die sich über den Jugendklub
organisieren oder dort gar über öffentliche Fördergelder beschäftigt
waren, “ist schnelles Handeln erforderlich”, sagt Sprecher Heiko Homburg.
In der linken Szene wird der jüngste Angriff heiß diskutiert. Wie man so
“bedeppert” sein kann, “so ne Aktion direkt vor nem Cafe der
bürgerlichen Zivilgesellschaft zu veranstalten und sich auch noch
festhalten zu lassen?” fragt man in einem Internetforum.