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Potsdam: Asylbewerber demonstrieren

Gegen Sozialkürzun­gen und einen Abbau ihrer Rechte gin­gen gestern erstmals
Asyl­be­wer­ber aus Pots­dam bei ein­er eige­nen Demon­stra­tion auf die Straße. Rund
100 Men­schen — darunter auch Deutsche — forderten auf dem Weg zum
Sozialmin­is­teri­um die Sicherung sozialer Min­dest­stan­dards. Im Mit­telpunkt stand
dabei die dro­hende Ver­teuerung der Nahverkehrs-Sozial­fahrkarte. Die
Demon­stran­ten forderten einen Zuschuss, der die Beibehal­tung des Ticketpreises
von 27 Mark ermöglicht. Außer­dem ging es um Abschiebung und Residenzpflicht. 

Die Sozial­staatssekretärin Ange­li­ka Thiel-Vigh warf eini­gen linken Demonstranten
vor, die Sor­gen der Asyl­be­wer­ber für eigene poli­tis­che Ziele miss­brauchen zu wollen. 

“Wir bekom­men 80 Mark Taschen­geld im Monat, wie sollen wir davon leben, wenn
das meiste Geld für das Tick­et drauf geht?”, fragten Betrof­fene die
Sozial­staatssekretärin sowie Bär­bel Eichen­müller, Fach­bere­ich­slei­t­erin Soziales der
Stadt. Thiel-Vigh wies die Ver­ant­wor­tung von sich: “Das Tick­et ist Sache der Stadt,
geht das Land nichts an.” Die Betrof­fe­nen reagierten mit Unver­ständ­nis: “Warum hilft
das Land nicht, wenn die Städte diese sozialen Leis­tun­gen nicht mehr bezahlen
kön­nen”, fragte Flo­rence Sissako. 

Beklagt wur­den immer neue Geset­ze und zu wenig Rechte. “Mein fünf Monate altes
Kind wurde in Deutsch­land geboren. Ich habe keine Papiere. Jet­zt ist das Kind krank
und ich habe Prob­leme, eine Behand­lung zu bekom­men”, berichtete ein
Asylbewerber. 

Ein Prob­lem für viele ist die Unter­bringung an der Michen­dor­fer Chaussee und am
Lerchen­steig. Um von dort in die Innen­stadt zu kom­men, braucht man den Bus. Noch
1999 zahlten die 150 Bedürfti­gen für ihr Sozialtick­et 18 Mark im Monat. Trotz
Preisanstiegs auf derzeit 27 Mark ist das Taschen­geld gle­ich geblieben. Lebensmittel
kaufen die Asyl­be­wer­ber mit Gutscheinen — Tabak, Alko­hol, Telefonkarten,
Brief­marken oder gar den Anwalt für das Asylver­fahren kön­nen sie davon nicht
bezahlen. “Entwed­er die Fahrpreise bleiben gle­ich, oder wir brauchen mehr
Unter­stützung”, sagte ein Demonstrant. 

Vor­erst wer­den die Asyl­be­wer­ber ganz auf das Sozialtick­et verzicht­en müssen. Zwar
soll die Unter­stützung in Höhe von 43 000 Mark in den Haushalt aufgenommen
wer­den, der wird aber früh­estens am 23. Jan­u­ar beschlossen und muss danach noch
von der Kom­mu­nalauf­sicht genehmigt wer­den, damit die Zahlung freiwilliger
Leis­tun­gen — das Sozialtick­et gehört dazu — erfol­gen kann, erk­lärte Eichen­müller. Das
führte 1999 dazu, dass erst ab Juli der Zuschuss zur Sozial­fahrkarte gewährt werden
konnte. 

Bei der Unter­bringung der Asyl­be­wer­ber gebe es Verbesserun­gen, so Eichenmüller.
200 Men­schen lebten bere­its in nor­malen Woh­nun­gen. Fam­i­lien, die seit mehr als
drei Jahren, und Alle­in­ste­hende, die seit mehr als fünf Jahren hier sind, sollen eine
eigene Woh­nung bekom­men. (KLAUS D. GROTE)

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