Am Donnerstag begann am Landgericht Potsdam der Prozess gegen die Brandenburger Neonazis Maik Schneider, Dennis W., Christopher L., Thomas Frank E., und Sebastian F. Den Sechs Angeklagten wird vorgeworfen eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben und als diese zwischen dem 12. Februar 2015 und dem 25. August 2015 mehrere, zum Teil schwere Straftaten in Nauen (Landkreis Havelland) begangen zu haben.
Nicht alle Delikte kamen zur Anklage
Aus einer langen Liste von strafbaren Vergehen hat die Staatsanwaltschaft allerdings nur folgende für ausreichend belegbar zur Klageerhebung gesehen:
1.) Am 12. Februar 2015 soll Maik Schneider eine Stadtverordnetenversammlung, die auf dem Gelände des evangelischen Gemeindezentrums Nauen stattfand, durch Rufen von ausländerfeindlichen Parolen so gestört haben, dass die Sitzung aus Angst vor weiterer Eskalation abgebrochen wurde.
2.) Am 17.05.2015 soll Dennis W. aufgrund eines zuvor gefassten Plans mit Maik S. mit einer Axt eine Scheibe des Fahrzeugs des Geschädigten K. eingeschlagen und das Fahrzeug später mittels einer Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben, was der Maik S. beobachten haben soll.
3.) Am 01.06.2015 soll Dennis W. gemäß dem Willen der Gruppe eine Zylinderbombe vor einer LIDL — Filiale in Nauen gezündet haben, wodurch ein Sachstanden in Höhe von mehr als 9.000,00 € an dem Gebäude entstand.
4.) Im Zeitraum Ende Mai/Anfang Juni 2015 soll Maik S. den Christopher L. beauftragt haben, das Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Farbbeuteln zu bewerfen. Christopher L. und Thomas Frank E. sollen dies sodann in die Tat umgesetzt haben, wodurch an der Fassade des Hauses ein Schaden in Höhe von ca. 6.000,00 € entstanden ist.
5.) Dennis W. soll zudem am 09.06.2016 in Wahrnehmung des Gruppenwillens das Türschloss, und das Briefkastenschloss zu dem Büro der Partei Die Linke in Nauen mit Sekundenkleber verklebt haben, wodurch diese unbrauchbar wurden.
6.) Christopher L. soll zudem in der Nacht vom 30.07.2015 auf 31.07.2015 in Entsprechung des Gruppenwillens auf die Baustelle für ein neues Übergangsheim am Waldemardamm, wo er die Dixi-Toilette mittels Brandbeschleuniger in Brand gesetzt haben soll.
7.) Den Angeklagten Maik S., Dennis W., Christian B., und Sebastian F., — Letzterer soll zumindest als Mitglied einer whatsapp-Gruppe insoweit eingebunden gewesen sein — wird schließlich vorgeworfen, in der Nacht vom 24. zum 25.08.2015 eine Sporthalle des OSZ Nauen, die als Notunterkunft für Asylsuchende vorgesehen war, durch das Anzünden davor gelagerter Materialien in Brand gesetzt zu haben, wodurch die Sporthalle vollständig zerstört wurde und ein Sachschaden von ca.3.500.000,00 € entstand. Die Angeklagten Christian B., Christopher L. und Frank E. sollen bei der Tat „Schmiere“ gestanden haben.
Keine für die Klageerhebung ausreichenden Ermittlungsergebnisse gab es hingegen u.a. bei dem Angriff auf einen Kleinbus eines Nauener Jugendclubs, dem versuchten Brandanschlag auf den privaten Pkw von Mitglieder der Partei Die Linke sowie vielen weiteren Angriffen auf Parteibüros der Linkspartei und Propagandadelikten.
Wirre Geständnisse
Bereits am ersten Verhandlungstag kam es gleich zu den ersten Überraschungen. Trotz der konspirativen Organisation ihrer Aktionen trat die Nauener Neonazizelle weniger geschlossen auf als erwartet.
Als erstes lies der Angeklagte Sebastian F. bezüglich der ihm vorgeworfenen Tatbeteiligung am Brandanschlag auf die als Flüchtlingsnotunterkunft vorgesehene Turnhalle durch seinen Anwalt eine Erklärung vorlesen. Darin belastete der 33-jähriger Wachmann den mutmaßlichen Rädelsführer der Tat, Maik Schneider, schwer. Demnach habe Sebastian F. in der Nacht zum 25. August 2015 gemeinsam mit den Mitangeklagten Fässer mit Öl und Benzin sowie eine Propangasflasche vor die Sporthalle geschafft. Außerdem seien Autoreifen und Paletten vor dem Eingang gestapelt worden, um den Brand zu entfachen. Alle Anweisungen habe Schneider gegeben, so 33-Jährige. Zur Zeit des Entzündens des Brandes will Sebastian F. nicht mehr dabei gewesen sein.
Auch der Angeklagte Christian B. erklärte, dass Schneider die Idee zu dem Anschlag gehabt und die Vorbereitungen gesteuert habe. Am Abend vor dem Brandanschlag habe er beobachtet, wie Schneider und weitere Angeklagte Reifen in einen Transporter geladen hätten. Gemäß PNN soll der der 32 Jährige vor Gericht ausgesagt haben, das ihm “bei den Reifen (…) definitiv klar“ war „dass sie zum Anzünden der Halle genutzt werden sollen“. Schneider habe ihn zudem angewiesen, bei Autofahrten durch die Stadt die Augen offen zu halten, ob Polizei unterwegs sei.
Ebenfalls nur „Schmiere“ gestanden haben wollte der Angeklagte Christopher L. Er soll dafür von Schneider später als „Feigling“ beschimpft worden sein. „Mutiger“ war L. dagegen im „Suff“. Nach einem Saufgelage in der Stammkneipe „Zum Karpfen“ habe er, laut seinem Geständnis, ein Dixie-WC auf dem Baugelände, auf dem die neue Flüchtlingsunterkunft in Nauen errichtet werden sollte, mit Spiritus in Brand gesetzt.
Auch Maik Schneider selbst ließ sich zu den Tatvorwürfen ein. Bezüglich des Brandanschlages auf die Turnhalle sprach der NPD Stadtverordnete von einem „Unfall“. Er habe nur ein Zeichen setzen wollen. Gemäß seiner Einlassung wollte Schneider die geplante Flüchtlingsnotunterkunft nur anrußen, um damit auf die menschenunwürdige Unterbringung von Asylsuchenden hinweisen wollen. Im Übrigen sei er kein Ausländerfeind.
Marschieren für die weiße Rasse
Ein paar Monate vorher sah dies freilich noch ganz anders aus. Dort führte Maik Schneider am 16. April 2015 einen gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft initiierten Aufmarsch an, bei dem auch ein Schild mit der Aufschrift: „Nauen bleibt weiss“ gezeigt wurde. Ein weiteres Plakat forderte: „Mut zur Tat“. An diesem Aufmarsch beteiligten sich nachweislich auch die Angeklagten Christopher L. und Thomas Frank E.
Auch an einem weiteren, gegen die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft gerichteten Aufmarsch am 29. Mai 2015 nahmen Angeklagte aus dem Prozess am Landgericht teil – und zwar alle. Auf Fotos der Versammlung sind sowohl Maik Schneider, Christopher L. und Thomas Frank E. als auch Dennis W., Christian B. und Sebastian F. zu erkennen.
Das insbesondere Letztere ihre Rolle vorgestern vor dem Landgericht herunterspielten und hauptsächlich Schneider belasteten erscheint somit mehr denn je als Schutzbehauptung. In Nauen gab es im letzten Jahr, zumindest auf den Veranstaltungen der Heimgegner_innen mehr als deutliche Bekenntnisse zu rassistischen Ressentiments, die mit gescheiterten Existenzen und Spielsucht, wie es im Fall eines Angeklagten angeklungen ist, allein nicht erklärbar sind.
Verfahrensfehler könnte zu neuem Prozess führen
Trotz der akribischen Vorbereitung durch die Ermittlungsbehörden und des Gerichtes scheint der Prozess bereits nach dem ersten Verhandlungstag wieder zu platzen. Ein Schöffe hatte die wirren Aussagen der Angeklagten, insbesondere die des mutmaßlichen Rädelsführers Maik Schneider, während der Verhandlung u.a. als „Quatsch“ bezeichnet. Schneiders Rechtsanwalt stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag. Der Schöffe dürfte in Folge dessen ausgetauscht werden. Damit müsste auch der Prozess neu aufgerollt werden.
Fotos: hier
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