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Potsdam reagiert auf Serie von Gewalt


Seit eini­gen Wochen häufen sich in der bran­den­bur­gis­chen Haupt­stadt brutale
Über­griffe vor allem aus der Neon­azi-Szene. Der Ober­bürg­er­meis­ter ist
alarmiert von der Gewalt, aber auch von der Jus­tiz, die Recht­sex­treme trotz
Haft­be­fehls laufen ließ

Erst vor rund zwei Wochen wurde ein Pots­damer Neon­azi von Jugendlichen aus
der linken Szene bru­tal zusam­mengeschla­gen, nun erschüt­tert ein weiterer
gewalt­tätiger Über­fall von Recht­sex­tremen auf Linke die Ver­ant­wortlichen in
der Stadt: Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs (SPD) zeigte sich gestern “entset­zt
und äußerst beun­ruhigt über die zunehmende Gewalt und neue Qual­ität der
Auseinan­der­set­zun­gen zwis­chen recht­en und linken Grup­pen”. Die Stadt müsse
“alles tun, um eine weit­ere Eskala­tion zu verhindern”. 

In der Nacht zum Son­ntag hat­te eine Gruppe von etwa 15 Neon­azis aus Potsdam
und Berlin in ein­er Straßen­bahn in der Innen­stadt zwei junge Linke mit
Flaschen ange­grif­f­en, zu Boden geschla­gen und gegen den Kopf getreten. Nach
Polizeiangaben brüll­ten die Täter dabei Parolen wie: “Scheiß Zecke, ich mach
dich alle!” Bei­de Opfer mussten im Kranken­haus behan­delt wer­den. Die
Staat­san­waltschaft erließ neun Haft­be­fehle wegen des Ver­dachts des
ver­sucht­en Mordes, unter den Verdächti­gen sei auch eine Frau. Gestern wurde
nach Polizeiangaben der let­zte Gesuchte festgenom­men und dem Haftrichter
vorgeführt. 

Für Diskus­sio­nen in der Lan­deshaupt­stadt sorgte nicht nur der neuerliche
bru­tale Über­griff aus dem Neon­azi-Milieu, son­dern auch die Reak­tion der
Jus­tiz: Während das Amts­gericht nach dem Über­fall vor zwei Wochen vier
Tatverdächtige aus der linken Szene wegen ver­sucht­en Mordes in U‑Haft
geschickt hat­te, set­zten die Richter die Haft­be­fehle gegen sechs
festgenommene Recht­sex­treme sofort außer Vol­lzug. Für Oberbürgermeister
Jakobs ist diese Entschei­dung “nicht nachvol­lziehbar”. Die verdächtigen
Neon­azis seien der Polizei “lange bekan­nt”. Es dürfe “nicht der Eindruck
entste­hen, dass Straftat­en von recht­en und linken Jugendlichen mit zweierlei
Maß beurteilt wer­den”, warnt der SPD-Politiker. 

Laut Staat­san­walt Jörg Wag­n­er legte die Ermit­tlungs­be­hörde eine Beschwerde
ein, um doch noch einen Haft­be­fehl durchzuset­zen. Inzwis­chen habe das
Amts­gericht immer­hin zwei weit­ere festgenommene Recht­sex­treme in U‑Haft
geschickt. 

Sorge über die Serie von Gewalt herrscht nicht nur im Pots­damer Rathaus.
Seit dem bru­tal­en Über­fall im Juni habe es “etliche” recht­sex­treme Vorfälle
in der Stadt gegeben, sagte ein Sprech­er des Polizeiprä­sid­i­ums der taz. “Wir
haben es mit ein­er neuen Sit­u­a­tion zu tun.” Die Polizei richtete inzwischen
eine elfköp­fige Son­der­ermit­tlungs­gruppe ein, die sich auss­chließlich darum
bemüht, den Fällen von “Jugend­grup­penge­walt” nachzuge­hen. Außer­dem sind vor
allem nachts 30 zusät­zliche Polizeibeamte in der Stadt im Einsatz. 

Auch das Mobile Beratung­steam gegen Recht­sex­trem­is­mus beobachtet seit
einiger Zeit “ver­stärk­te Aktiv­itäten” von Neon­azis in Pots­dam. “Wir deuten
diese Aktiv­itäten als Ver­such, Präsenz in der Stadt zu zeigen”, sagt Frauke
Pos­tel. Sie warnt davor, die Gewalt­tat­en als Über­griffe “besof­fen­er Rechter”
zu bagatel­lisieren. Denn die Recht­sex­tremen benötigten keine festen
Organ­i­sa­tion­sstruk­turen für ihren so genan­nten Kampf um die Straße.
Aus­drück­lich lobte Pos­tel den Umgang Pots­dams mit der Prob­lematik: “Die
Stadt schläft nicht und fühlt sich ver­ant­wortlich.” Das sei in anderen
Städten Bran­den­burgs lei­der immer noch keine Selbstverständlichkeit.

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