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Potsdam: Toleranzedikt wird übersetzt

Kleger: Bis zu 30 000 Unter­schriften als Ziel / Schüler möcht­en The­sen für Jugend ver­ständlich machen

(Hen­ri Kramer)Nicht jede Zuschrift zum Tol­er­anzedikt spricht von Weltof­fen­heit. „Ich bin so tol­er­ant, dass alle Aus­län­der dahin gehen sollen, wo sie her kamen“, ist eine anonyme Mei­n­ung, die in diesen Tagen an das Team des Medi­en­labors geschickt wor­den ist. Den­noch find­et sich das Beken­nt­nis auf der Inter­net­seite zur Diskus­sion um die Neu­fas­sung des his­torischen Pots­damer Tol­er­anzedik­ts wieder. Ganz bewusst sollen dabei auch extreme Mei­n­un­gen öffentlich wer­den. „Bish­er wur­den uns mehrere hun­dert Postkarten zuge­sendet“, sagte gestern Daniel Wet­zel, der mit seinem Medi­en­la­bor die Diskus­sion um das Tol­er­anzedikt strukturiert.

Die Ini­tia­toren der stadtweit­en Aktion hat­ten gestern zu einem beson­deren Ter­min ins Pots­damer Stadthaus geladen: Schüler und Lehrer soll­ten vom Sinn des Pro­jek­ts überzeugt wer­den, das das Jahr über die öffentliche Diskus­sion in Pots­dam prä­gen soll. Ein erste Ini­tia­tive junger Leute gibt es schon: Die Schüler der 12. und 13. Klasse der Goethe-Schule in Babels­berg wollen sich in den kom­menden Wochen mit dem Entwurf und den The­sen des Tol­er­anzedik­ts beschäfti­gen – und sie in eine ein­fach, für Jugendliche ver­ständliche Sprache über­set­zen. „Wir ste­hen erst am Beginn“, sagte Rai­ka Seipold, Lehrerin an der Gesamtschule.

Solch­es Engage­ment wün­scht sich Daniel Wet­zel an vie­len Orten der Stadt – und ger­ade bei jun­gen Men­schen. So erzählte er von einem Pro­jekt des pri­vat­en Pots­damer Schiller-Gym­na­si­ums: Schüler hät­ten einen Film über Hass- Graf­fi­ties in Drewitz gedreht. Zusam­men mit Ingrid Schramm, ein­er bun­desweit bekan­nten Aktivistin gegen Recht­sex­trem­is­mus, liefen sie dabei durch das Wohnge­bi­et und nah­men mit der Kam­era auf, wie sich Hak­enkreuze oder Has­s­parolen mit ein­fachen Mit­teln ent­fer­nen lassen. „Bald soll der Film auf unser­er Inter­net­seite zum Tol­er­anzedikt veröf­fentlicht wer­den“, kündigte Wet­zel an.

Das The­ma Ras­sis­mus war bei den Schülern gestern allerd­ings nicht von Haupt­in­ter­esse: Maria Ulrich vom Leib­niz-Gym­na­si­um kri­tisierte zum Beispiel, dass schon der Umgang der Pots­damer Schulen untere­inan­der von zu viel Neid und Vorurteilen geprägt werde: „Woran liegt das?“ Auf die Frage ging der Pots­damer Poli­tikpro­fes­sor Heinz Kleger ein, der den Entwurf für das Tol­er­anzedikt vorgelegt hat­te. „Auch so eine Diskus­sion muss geführt wer­den: In ein­er Leis­tungs­ge­sellschaft darf Wet­tbe­werb nicht in Aggres­siv­ität oder For­men des Mob­bings umschla­gen.“ Ger­ade um solche The­men und Erleb­nisse aus dem per­sön­lichen Umfeld der Pots­damer gehe es bei der Diskus­sion ums Tol­er­anzedikt – dem Pro­jekt der gescheit­erten Pots­damer Bewer­bung zur Stadt der Wis­senschaft, das mit einem Extra-Preis gefördert wird.

Die Aktion soll dabei in den kom­menden bei­den Monat­en ihren Höhep­unkt erre­ichen. Im Mai wer­den in möglichst vie­len Schulen und im gesamten Stadt­ge­bi­et Tafeln aufgestellt, an denen alle Pots­damer ihre Mei­n­un­gen zu den The­sen des Tol­er­anzedik­ts abgeben kön­nen. „Es wäre ein Erfolg, wenn wir 20 000 bis 30 000 Unter­schriften sam­meln, die sich für eine tol­er­ante und weltof­fene Stadt aussprechen“, nan­nte Kleger das Ziel – und warnte davor zu glauben, die aufgestell­ten The­sen seien so for­muliert, dass jed­er sich dazu beken­nen könne. Im Gegen­teil, sagte er: Denn gäbe es genug Tol­er­anz, wenn in Pots­dam eine Moschee gebaut wer­den soll? Die Antworten auf manchen anony­men Briefen zum Tol­er­anzedikt klin­gen da deut­lich skeptisch.

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