(Berliner Zeitung, Jürgen Schwenkenbecher) POTSDAM. An diesem Sonnabend soll Potsdam wieder Schauplatz eines Aufmarsches von Rechtsextremisten werden. Bis zu 200 Teilnehmer wollen ab 12 Uhr vom Hauptbahnhof in die Innenstadt ziehen. Angemeldet hat die Demonstration der Hamburger Neonazi Christian Worch bereits am 12. Mai. Wegen der erwarteten Proteste stellt sich die Polizei auf einen Großeinsatz ein. Verstärkung aus anderen Bundesländern sei angefordert worden, hieß es. Berichte, nach denen 4 000 Beamte bereit stehen werden, wollte das Polizeipräsidium Potsdam aber nicht bestätigen. “Wir sind auf alles vorbereitet”, sagte Sprecher Rudi Sonntag.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) mahnte am Dienstag zur Besonnenheit. “Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist inakzeptabel”, erklärte er und warnte vor Szenen wie am vergangenen Wochenende in Hannover. Dort waren bei gewaltsamen Protesten gegen eine NPD-Veranstaltung vier Polizisten und zwei Demonstranten verletzt worden. Vorübergehend hielten die Beamten rund 100 Linke fest, die Steine aus einem Gleisbett holen wollten.
In Potsdam wird es mindestens drei Gegendemonstrationen geben, zu denen die Veranstalter einige tausend Teilnehmer erwarten. Einem Aufruf zum gewaltfreien Protest, den Potsdams Oberbürgermeister Jann Jacobs (SPD) initiierte, haben mehr als 20 Parteien, Organisationen, Vereine und Persönlichkeiten unterzeichnet. Der Protestmarsch (“Potsdam bekennt Farbe”) will zunächst dem Zug der Neonazis folgen, dann aber symbolkräftig einen anderen Weg einschlagen. Mit Unterstützung der Stadt bereitet eine Projektgruppe seit sechs Wochen “kreative Protestaktionen” für den Sonnabend vor.
Doch es sind nicht diese Aktionen, denen die Polizei mit Unbehagen entgegen sieht. Selten zuvor haben Antifa- und linke Gruppen so massiv zu Protesten gegen eine Neonazi-Demonstration aufgefordert. “Verhindern wir diesen Aufmarsch!”, heißt es auf unzähligen Plakaten überall in Brandenburg, auf Flyern und Internet-Seiten.
Zuletzt war Potsdam vor zwei Jahren Ziel rechtsextremistischer Aufmärsche. Im September 2002 versammelten sich 75 NPD-Anhänger in der Landeshauptstadt. Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hatte zuvor ein Verbot des Potsdamer Polizeipräsidenten aufgehoben. Die Kundgebung fand am Stadtrandbahnhof Pirschheide statt. Schon zwei Monate später versammelten sich Anhänger der NPD erneut in Potsdam und marschierten durch das Wohngebiet Am Stern. Und kurz vor Weihnachten des selben Jahres trafen sich Rechtsextreme erneut in Potsdam zu einer Demonstration — angemeldet von Christian Worch. Seinerzeit verlegte die Polizei den Aufmarsch kurzerhand an den Stadtrand. Diesmal gab die Polizei den Neonazis den Weg durch die Innenstadt vor.
Worch, der überall in Deutschland Aufmärsche anmeldet, ist seit 30 Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv. Allerdings hat er sich inzwischen mit der NPD zerstritten. “Der Brandenburger Landesverband ist kaum bereit, für Worch zu demonstrieren”, heißt es in Sicherheitskreisen.
Neben Worch, um den sich die aggressiven “Freien Kameradschaften” gruppieren, sind in Potsdam allerdings auch zwei weitere bekannte Neonazis als Redner angekündigt. Eckart Bräuninger war bei diversen rechtsextremen Organisationen wie Blood&Honour aktiv und soll als Söldner in Kroatien gekämpft haben. Und Gordon Reinholz aus Eberswalde gründete vor drei Jahren den so genannten Märkischen Heimatschutz (MHS), der eng mit der NPD zusammen arbeitet. Der MHS, der seit zwei Wochen auch eine Berliner Sektion hat, will durch Bürgernähe eine neue rechte Jugendkultur etablieren.