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Antifaschismus

Potsdamer Neonazis und die Marke „Fourth Time“

Das Label wurde in Tel­tow gegrün­det und im Juli 2011 paten­trechtlich einge­tra­gen. [1] Die ästhetis­che Auf­machung sowie ver­schiedene Motive erin­nern schnell an bekan­ntere neon­azis­tis­che Bek­lei­dungs­marken wie „Thor Steinar“ oder „Eric and Sons“. Wie diese Marken, will auch „Fourth Time“ durch den Ver­trieb von Klei­dung mit neon­azis­tis­chen Inhal­ten Geld ver­di­enen. Anhalt­spunk­te für eine deut­liche Verbindung ins neon­azis­tis­che Milieu liefert „Fourth Time“ genügend.

So ist die Marke, außer über den eige­nen Online-Ver­sand, bish­er nur in einem Ladengeschäft und dessen Inter­netver­trieb der Neon­aziszene in Apol­da (Thürin­gen) erhältlich. Dort kön­nen unter anderem die Marken „Ans­gar Aryan“, „Thor Steinar“ und „Erik and Sons“ erwor­ben wer­den. [2] Auch die über die T‑Shirts trans­portierten Inhalte, unter Berück­sich­ti­gung ver­schieden­er Diskurse (Ver­schwörungs­the­o­rien, nordis­che Mytholo­gie, Revi­sion­is­mus) von und über Neon­azis, sprechen eine deut­liche Sprache. So wer­den in einem Motiv mit dem Titel „Neuschwaben­land“ Bezüge zu neon­azis­tisch-eso­ter­ischen Ver­schwörungs­the­o­rien geliefert. Diese ver­weisen auf eine Expe­di­tion der Nazis in die Antark­tis 1938/39 und das dabei ange­blich neu ent­deck­te „Neuschwaben­land“, um welch­es sich ver­schiedene Mythen und Ver­schwörungs­the­o­rien ranken. Eben­so bedi­ent das Motiv „Mit­ter­nachts­berg“ nordis­che Mythen, wonach der Berg ange­blich eine Sam­mel­stelle für alle Tapfer­en ist, die sich nach dem Tod auf den Weg nach Wal­hal­la machen. Die neon­azis­tis­che Band „Von Thron­stahl“ wid­mete diesem Berg eben­falls einen Song. Das T‑Shirt „Krabbenin­sel – Deutsche Com­pag­nie“ verdeut­licht die Sehn­sucht nach Kolonien und illus­tri­ert die bran­den­bur­gis­che Annex­ion der Vieques Insel im heuti­gen Puer­to Rico von 1689 bis 1693. Eben­falls im Sor­ti­ment befind­en sich eine Hom­mage an Richard Löwen­herz, welch­er den 3. Kreuz­zug gegen die Mus­lime anführte, und an Leonidas von Spar­ta. Mit der Beschrei­bung „Keine Kapit­u­la­tion, wie stark der Feind auch sei.“ wird an den Wider­standswillen und die Gewalt als Möglichkeit der Durch­set­zung poli­tis­ch­er Ziele appel­liert. Einen ähn­lichen Bezug kann der_die geneigte Betrachter_in auch in dem Wikinger­mo­tiv „War­räge – Leben ist Kampf“ herstellen.

Die Köpfe vor und hin­ter der Marke

Über die in Tel­tow wohn­hafte Inhab­erin Andrea Bertel­mann liegen bish­er keine Infor­ma­tio­nen vor, die auf eine entsprechende Szenezuge­hörigkeit schließen lassen. [3] Anderes lässt sich hinge­gen über das zen­trale Mod­el auf der Start­seite, Fotograf bzw. Lay­outer und den Darsteller auf den ange­bote­nen Presse­fo­tos sagen.

Alle drei, aus Pots­dam stam­mend oder momen­tan dort ansäs­sig, sind entwed­er entsprechend öffentlich bekan­nt oder posi­tion­ieren sich ein­schlägig. Beim ersten der drei, dem Mod­el auf der Start­seite der Home­page, han­delt es sich um Gabor Grett. Dieser ist seit 2006 in der Pots­damer Neon­aziszene unter­wegs und seit dem immer wieder auf Neon­azi­aufmärschen region­al und über­re­gion­al zu sehen gewe­sen. Im Jahr 2008 taucht­en dann Bilder von Grett auf, auf denen er gemein­sam mit weit­eren Per­so­n­en mit Base­ballschläger, Machete, Schuss­waffe und er selb­st mit Ton­fa und Hit­ler­gruß posierte; woraufhin die Pots­damer Staat­san­waltschaft wegen Ver­stoß gegen das Waf­fenge­setz ermit­telte. [4] Darüber hin­aus war Grett mehrmals an gewalt­täti­gen Angrif­f­en auf alter­na­tive Jugendliche beteiligt. Im Dezem­ber 2011 wurde er dabei beobachtet, wie er mut­maßliche Teilnehmer_innen eines antifaschis­tis­chen Stadtspazier­gangs in Pots­dam-Wald­stadt fotografierte. Die dabei von ihm geschosse­nen Bilder taucht­en dann einige Tage später im Inter­net auf der Home­page der „Freie Kräfte Pots­dam“ (FKP) auf, zu denen er zu zählen ist. [5] Mit diesen gemein­sam organ­isierte er zulet­zt am 25.03.2012 eine Kundge­bung in Pots­dam-Grube. [6] Die „FKP“ ver­anstal­teten, laut aktueller Chronik des Antifaschis­tis­chen Pressearchiv Pots­dam, sechs Fack­e­laufmärsche im ver­gan­genen Jahr. [7] Bei diesen ver­mummten sich die teil­nehmenden Neon­azis meist mit weißen Masken; wie es für die Aktions­form, die sie den mit­tler­weile ver­bote­nen „Spreelichtern“ entlehn­ten, charak­ter­is­tisch war.

Diese weißen Masken sind auch wiederkehren­des Motiv des Fotografen, der Grett wieder­holt ablichtete, und auch für die Anfer­ti­gung und Bear­beitung der Fotos für „Fourth Time“ ver­ant­wortlich ist. Der 25-jährige Ben­jamin Müller fotografiert seit eini­gen Jahren und ist auf ver­schiede­nen Inter­net­plat­tfor­men („deviantart“, „mod­el-kartei“, „tat­toomod­els“, „tat­toos­in­gles“ und „face­book“) unter dem Pseu­do­nym „Burny“ bzw. „Burny37“ aktiv. [8] Hier präsen­tiert er seine Arbeit­en und ver­bre­it­ete dort zum Teil auch Neon­azipro­pa­gan­da. Diese kommt z.B. in Form von neon­azis­tis­chen T‑Shirts, die sein Mod­el Grett trägt, daher oder durch seine Online­fre­und­schaft zur Neon­azi­größe Uwe Men­zel. Auch zahlre­iche weit­ere Neon­azis aus den Pots­damer Struk­turen, wie z.B. Tom Singer, Chris­t­ian Helm­st­edt und eben Gabor Grett, sind auf seinen Seit­en zu finden.

Immer wieder ist auch Sebas­t­ian Glaser zu sehen, mit dem Müller in Pots­dam und Umge­bung gemein­sam Dirt-Bike und Down­hill fährt. [11] Gerüchte über Glasers Ausstieg aus der Neon­aziszene kön­nen zurück­gewiesen wer­den, da es dazu, außer der Tat­sache, dass Glaser seit ein paar Jahren nicht mehr auf Neon­azi­aufmärschen zu beobacht­en war, derzeit keine Anhalt­spunk­te gibt. Öffentliche State­ments sein­er­seits blieben, bis auf Pöbeleien gegenüber alter­na­tiv­en Jugendlichen, bis jet­zt aus. Auch Neon­azisym­bo­l­iken (Tat­toos, T‑Shirts) gehören weit­er­hin zu seinem All­t­ag. Ben­jamin Müller fotografiert darüber hin­aus offen­sichtlich auch für ver­schiedene weit­ere Labels, Ver­sände und Kalen­der. Dazu gehören u.a. der Fahrrad-Online-Ver­sand „Propheus“ und das „MyOwn Tattoo&Piercing“ Geschäft in Potsdam.

Bei der drit­ten Per­son, die für die Presse­fo­tos von „Fourth Time“ ihr Gesicht zur Ver­fü­gung stellt, han­delt es sich um den Musik­er Sacha Korn. Die Plat­tform „netz-gegen-nazis“ schreibt über den aus Pots­dam-Babels­berg stam­menden Recht­sRock­er: „Mit der bewussten Zurück­hal­tung in sein­er Musik bere­it­et Sacha Korn einen niedrigschwelli­gen Ein­stieg in eine geschicht­sre­vi­sion­is­tis­che, chau­vin­is­tis­che, frem­den­feindliche, homo­phobe, recht­sex­treme Gedanken­welt.“ [9] Seine Kind­heit und Jugend ver­brachte Korn bis Mitte der 90er Jahre in Tel­tow. [10] Mit Blick auf diese Zeit und Region ver­wun­dert es kaum, dass Korn Kon­tak­te ins Neon­az­im­i­lieu knüpfen kon­nte. Vielle­icht genau deshalb taucht dieser nun auf den Presse­fo­tos von „Fourth Time“ auf.

Verbindun­gen der Pots­damer und Tel­tow­er Neonaziszene

Dass die Inhab­erin von „Fourth Time“ in Tel­tow wohnt, scheint erst ein­mal nicht sehr rel­e­vant. Neben Sacha Korns Verbindung in die Stadt gibt es jedoch weit­ere Verbindun­gen zwis­chen der Pots­damer und Tel­tow­er Neon­aziszene. Bis zur Schließung der Großraum-Diskothek „Music­parc Tel­tow“ im Juli 2011 waren Pots­damer und Tel­tow­er Neon­azis dort regelmäßig, zahlre­ich und über mehrere Jahre hin­weg unter den Besucher_innen und dominierten dadurch viele der dort stattge­fun­de­nen Par­tys. Auf hun­derten Bildern im Inter­net entste­ht das Szenario ein­er krassen Hege­monie der dort feiern­den Neon­azis; zu sehen anhand von Motiv­en unzäh­liger Neon­azi-Klam­ot­ten und Grup­pen­bildern, welche nach den Par­tys stets im Inter­net zu find­en waren. Mar­vin Hoff­mann – Gitar­rist der Pots­damer Recht­sRock-Band „Preussen­stolz“ kommt eben­falls aus Tel­tow; daraus ist zu schließen, dass sich die jew­eili­gen Neon­az­imusik­szenen ken­nen und Kon­tak­te pfle­gen. Mit­tler­weile wurde die zuvor in Tel­tow befind­liche Kon­tak­tadresse im Impres­sum der Web­site zu ein­er Anschrift in Berlin-Kreuzberg geän­dert, Erfül­lung­sort und Gerichts­stand befind­en sich jedoch weit­er­hin in Teltow.

Mit dem Wis­sen um diesen neon­azis­tis­chen Kon­text lassen sich auch der Marken­name „Fourth Time“ sowie der Ausspruch „… und es begann das Vierte Zeital­ter“ auf der Web­site klar einord­nen. [11] Die Anspielung auf das ersehnte kom­mende Vierte Reich sollte, so illu­sorisch und größen­wahnsin­nig sie auch erscheint, genau­so wie die gesamte Erschei­n­ung der Marke ernst genom­men werden.

[1] http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/klamotten-fuer-den-zeitgemaessen-szene-style und http://www.tmdb.de/de/marke/FOURTH_TIME_CLOTH__,DE302011038801.html
[2] http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/klamotten-fuer-den-zeitgemaessen-szene-style; http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/ansgar-aryan-mode-mit-mehr-als-nordischem-mythos-9371; http://investigatethorsteinar.blogsport.de/ und http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/erik-and-sons-neonazis-stehen-auf-einheitskleidung
[3] http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/klamotten-fuer-den-zeitgemaessen-szene-style
[4] http://www.pnn.de/potsdam/109679/
[5] http://arpu.blogsport.eu/2011/12/07/potsdamer-neonazis-veroffentlichen-wieder-fotos-von-vermeintlichen-antifaschist_innen/
[6] http://arpu.blogsport.eu/2012/04/12/neonazis-unter-alt-neuem-namen-die-sektion-potsdam/
[7] http://apap.blogsport.eu/2013/01/chronik-neonazistischer-aktivitaten-in-potsdam-und-umgebung-2012/
[8] http://burny37.deviantart.com/
[9] http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/rechtsextremismus-im-patrioten-pelz-sacha-korn-8552
[10] http://de.wikipedia.org/wiki/Sacha_Korn
[11] siehe Web­site von „Fourth Time“

Blick nach Rechts” hat eben­falls einen aktuellen Artikel über die Mode­marke “Fourth Time” verfasst.

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