Potsdam — Wegen zwei erfolgreichen spektakulären Blockadeaktionen in Hessen und der Pfalz muss sich am Montag ein Aktivist vor dem Amtsgericht Potsdam verteidigen. „3 bzw. 5 Jahre nach den Vorkommnissen, nachdem Parallelverfahren bei der anderen zuständigen Richterin bereits eingestellt wurden, hält Richterin Ahle es für nötig, zu untersuchen, ob dabei nicht doch Ordnungswidrigkeiten begangen worden seien. Schon 3 Mal stand ich für meine körperliche Anwesenheit ’08 in der Nähe eines Betonblockes auf der Castorstrecke vor Gericht. Eine Strafbarkeit konnte nie festgestellt werden und nun, fast 5 Jahre danach, soll ich wegen dieses 150€-Bußgeldes schon wieder nahezu 500km quer durch die Republik reisen. Dass muss man sich mal vorstellen!“ so Christof, der Betroffene. „Es mag für viele nicht nachvollziehbar sein, weswegen ich das Geld nicht einfach zahle, aber mein Gerechtigkeitswille und von mir aus auch Trotz ist größer als die Trägheit. Der politisch motivierten Verfolgung dafür, dass ich mich für eine intakte Umwelt einsetze, werde ich mich nicht beugen. Gerade angesichts des Trends zum Atomexport z.B. durch die Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik Lingen kann ich nicht an das Gerede von einem Atomausstieg glauben“
Nach einer internen Reform der Bundespolizei 2009 – also erst nach einem der verhandelten Vorfälle – werden sämtliche Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Bahnanlagen in Potsdam verhandelt. Somit wird das Recht auf den gesetzlichen Richter und Zugang zu Gericht, also der grundgesetzlich garantierte „effektive Rechtsschutz“ mit Füßen getreten, meinen die Aktivisten und machten dies erst letzten Monat am Brandenburger Tor – einem der Wahrzeichen Potsdams deutlich. Sie kletterten die Säulen empor und hissten Transparente. „Wir würden andere Orte für die politische Auseinandersetzung wählen, aber wenn das Gericht uns zum Tanz einlädt, dann kommen wir! Wir lassen uns nicht kriminalisieren. Der Protest gegen die Atomkraft ist legitim!“ erklärt Karsten, einer, dessen Verfahren zwecks Beteiligung an der Kletteraktion zum Castor ’10 mittlerweile eingestellt worden ist.
Bei dieser Aktion hingen südlich von Kassel 2 Kletterer_innen an Seilen von einer gut 70m hohen ICE-Brücke wenige Meter über der Transportstrecke. Dem Betroffenen im Prozess wird vorgeworfen, auf der Brücke die Seile der Kletterer_innen gesichert zu haben und sich damit unbefugt auf den Bahnanlagen aufgehalten zu haben und eine betriebsstörende Handlung vorgenommen zu haben. Nur ein Polizist ist – nach einigem Hin und Her — als Zeuge geladen und derfand bislang in der Akte überhaupt keine Beachtung. „Es scheint, als solle gar nicht inhaltlich verhandelt werden. Wie soll ein Zeuge, der mich – einem Formblatt zufolge — lediglich dem Gewahrsam zugeführt hat, Aussagen über all die juristischen Details, auf die es ankommt, treffen können? Dass für mich und meine Unterstützer dafür etliche Tage an Arbeit draufgehen, scheint Frau Ahle nicht zu stören!“ so Christof.
Der zweite am Montag verhandelte Fall führt das gerichtlich Treiben ad absurdum. 2008 soll Christof sich bei einer Betonblock-Ankettaktion bei Berg/Pfalz als Unterstützer auf den Gleisen aufgehalten haben. Damals wurde die Fahrt des Castorzuges um 12 Stunden verzögert. Mit deutlich mehr Verzögerung – nämlich bis jetzt – ging das juristische Nachspiel voran. An mehreren Prozessterminen wurde bereits versucht, den Betroffenen in der Sache zu verurteilen – bislang erfolglos. Christof dazu: „Bereits 2010 wurden uns Einstellungen der Verfahren versprochen — eine glatte Lüge. Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass Gerichte die Privilegien der Herrschenden absichern und die Atommafia in ihrem Treiben stützen, aber es macht doch immer wieder wütend.“
18. März, 10 Uhr am Amtsgericht Potsdam, Jägerallee 10–12, Saal 21