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Prenzlau: Gebürtige Griechin schildert “Alltägliches”

PRENZLAU Sie weiß nicht, ob sie es richtig macht, mit ihren Erleb­nis­sen an die
Öffentlichkeit zu gehen. Sie fürchtet böse Reak­tio­nen und
Anfein­dun­gen. Sie spricht mit dem Bürg­er­meis­ter der Stadt darüber, mit
dem 1. Beige­ord­neten, zuvor mit Ihrer besten Fre­undin, die eine
Deutsche ist. Sie set­zt sich mit Ihrem Mann hin und schreibt dennoch
alles auf … 

Mein Name ist Maria Droug­ka-Schäfer. Ich bin griechische
Staats­bürg­erin, seit 15 Jahren ver­heiratet mit meinem aus Deutschland
stam­menden Mann, und nur seinetwe­gen in Deutsch­land. Da bin ich mir
mit­tler­weile, nach knapp sieben Jahren “Leben in der Uck­er­mark” mehr
als sicher.
Mehrjährig Schulbeste, Abitur bere­its mit 17, abgeschlossene
Aus­bil­dung als griechis­che Recht­san­wältin, vier Jahre Anfangspraxis,
dann die Heirat mit meinem Mann, Umzug nach Deutschland.
Deutschstudi­um an der Uni Bochum, Auf­baus­tudi­um an der LMU München,
einige Jahre Arbeit, jet­zt Erziehung der bei­den gemein­samen Kinder zu
mündi­gen, tol­er­an­ten, aber wach­samen Menschen.
Mein Mann ist hier Lei­t­en­der Angestell­ter in der Sparkasse Uckermark.
Er hat sich 1995 aus Inter­esse für Ost­deutsch­land entsch­ieden, trotz
mehrerer Alter­na­tiv­en “im West­en”. Wir waren eben unvoreingenommen,
trotz einiger Berichte über Aus­län­der­feindlichkeit, die wir bereits
gehört hat­ten. Er arbeit­et viel, ich muss manchen Gang in der Stadt
ohne ihn gehen. Es ist manch­er Gang dabei, auf den ich verzicht­en könnte.
Gefühl: Unerwünscht
Seit ich in der Uck­er­mark wohne, geben mit einzelne, nicht aber etwa
wenige, hier das Gefühl, eine uner­wün­schte Aus­län­derin zu sein. Dieses
Gefühl hat­te ich vorher nicht. Mein Mann hat es auch nicht kennen
gel­ernt, als er zwei Jahre Aus­län­der war, als er im griechischen
Aus­land arbeitete.
Hier ist das anders. Ich weiß zwar nicht, woher sich einige das Recht
nehmen, zum Beispiel mich in ein­er Arzt­prax­is, in ein­er Bäck­erei, oder
am hel­licht­en Tag auf offen­er Straße anzupö­beln, zu beschimpfen
und/oder zu belei­di­gen. Aber sie tun es, frech, unver­froren, meine
Per­sön­lichkeits- und Men­schen­rechte mit Füßen tre­tend, die sie für
sich zuallererst und lau­thals jed­erzeit und über­all ein­kla­gen würden.
Sie pfle­gen für sich und ihres­gle­ichen das eingängige Klis­chee vom
asyl­suchen­den Aus­län­der, der faul, ja vielle­icht auch ein bisschen
krim­inell ist. Auf jeden Fall aber nix tut und “uns auch noch auf der
Tasche liegt”. Meist ken­nen sie nicht ein­mal einen einzi­gen Ausländer
per­sön­lich. Ich denke, sie wollen nicht, weil es Klis­chee und
Hass-Objekt gle­icher­maßen zer­stören würde. Eine unan­genehme Wahrheit
für beschränk­te und kleinkari­erte Denker.
Die Belei­di­gun­gen sollen mir nicht nur das Gefühl geben, unerwünscht
zu sein, son­dern auch zweitk­las­sig, weil nicht deutsch. Ein solches
Ver­hal­ten gibt mir aber nur das Gefühl, dass diejeni­gen nicht einmal
drit­tk­las­sig sind, obwohl sie gerne erstk­las­sig wären: Sprüche die man
mir zuruft, wie “Aus­län­der raus!, hat man euch immer noch nicht
ver­bran­nt!, sollte man ins KZ steck­en!, habe ich in Tem­plin gehört, wo
wir sechs der sieben Jahre wohn­ten. Von Deutschen, die sich womöglich
auch noch als gute Deutsche beze­ich­nen wür­den. Für mich ist das ein
Hohn — auf die deutsche Nation. Unser Sohn wurde von einem
verkehr­swidrig auf dem Gehweg fahren­den Mann um die 50 umgefahren.
Kom­men­tar mit einem vor­wurfsvollen Blick auf mich, als Süd€päerin
erkennbar: “Bei ihm wäre es sowieso egal, ob er über­fahren wor­den wäre
oder nicht.” Anstelle ein­er fäl­li­gen Entschuldigung und Anteilnahme.
Ich wusste damals nicht, wovon mir mehr schlecht war: Von seiner
Alko­hol­fahne, seinem ver­wahrlosten Ausse­hen, oder sein­er Art.
Ein der Schul­be­hörde auf­fäl­liger Schüler pöbelte mich mit seinen
Altersgenossen an. Der Anzeige meines Mannes gegen ihn fol­gte damals
nur die Ein­stel­lung durch die Staat­san­waltschaft. Er habe Einsicht
gezeigt, hieß es in der Stel­lung­nahme. Davon kon­nte ich vier Wochen
später am Mark­t­platz nichts fest­stellen, als er nach dem Vorübergehen
so tat, als plage ihn Brechreiz, wohl um mich damit zu erniedri­gen. Er
hat zu wenig Ver­stand, um zu sehen, dass es anderen ordentlichen
Men­schen bei seinem Ver­hal­ten schlecht wer­den müsste. 

“Schwarzes Mist­stück”

Auf dem Mark­t­platz bei einem Fest kam es ein­mal vor, dass ich mit
meinen Kindern als “schwarze Mist­stücke” beschimpft wurde. Wir fragen
uns, ob das die Erziehungsleis­tung der Eltern dieser Kinder ist.
In der Friedrich­straße kann man mir am 11. Juni am hel­licht­en Tag und
auf offen­er Straße zurufen, dass “man diese ver­dammten Aus­län­der alle
erschießen müsste”, ohne das jemand dem Mit­tfün­fziger entgegentritt
und ihn damit kon­fron­tiert. Das gibt mir Grund zu denken, wie viele
Andere denn vielle­icht noch in die gle­iche Rich­tung denken.
Wenn wir diese Vorkomm­nisse Bekan­nten schildern, sehen wir die
Betrof­fen­heit. Sie wis­sen, “welch­es Pack da teil­weise rumläuft”
(Zitat). Es herrscht Rat­losigkeit. Viele gehen ihrer Arbeit nach,
manche müssen sehen, wie sie finanziell über die Run­den kom­men. Sie
ken­nen uns, wir unter­hal­ten uns darüber bei der Garte­nar­beit, es
erscheint ihnen gespen­stisch, macht sie verlegen.
Für mich ist es eben­so gespen­stisch. Denn ich bin betrof­fen. Ich kann
mich schlecht wehren. Unflätige Schimpf­worte habe ich nicht studiert,
vie­len scheinen sie zweit­er Vor­name gewor­den zu sein. Da kann ich
nicht mithal­ten. Ich bin auch nicht so kräftig. Anderen
Mittel€päern kommt da wieder das Bild vom hässlichen Deutschen in
den Sinn. In meinem Land hät­ten Men­schen, die daneben ste­hen, nicht
zuge­se­hen, sie hät­ten sofort einge­grif­f­en, auch zugepackt, da gibt es
kein Ver­tun. Da scheinen sich Südlän­der all­ge­mein mehr Menschsein
bewahrt zu haben, während man hier auf den Boden sieht. Hier in der
Uck­er­mark ist bei ein­er solchen Sit­u­a­tion erst ein­er, bess­er eine
beherzt und mutig für mich einge­treten: Unsere Kinderärztin, Frau Dr.
Dehmel in Tem­plin. Das wer­den wir bei­de niemals vergessen. Darin liegt
der Unter­schied: In der Tat eben.
Nicht der Mittelpunkt
Wenn meinem Mann die Arbeit nicht so gefall­en würde, wie sie es tut,
wenn wir nicht auch gute und aufrechte Men­schen hier getrof­fen hätten:
Wir wären nicht mehr hier. Die Uck­er­mark ist schön, aber auch wieder
nicht Mit­telpunkt der Welt.
Anderen Aus­län­dern oder Deutschen aus anderen Teilen des Lan­des könnte
ich diese Gegend lei­der wegen dieser ras­sis­tis­chen Äußerun­gen zu
viel­er ihrer Bewohn­er nicht empfehlen. Egal, ob sie Land und Leute
ent­deck­en möcht­en. Oder hier arbeit­en sollen, oder vielle­icht ein
Unternehmen ansiedeln wollen, das den 24 Prozent offiziell
Arbeit­slosen Arbeit bieten kön­nte. Eine Empfehlung wäre so, als ob ich
diejeni­gen mor­gen auch noch lobe, die mich heute treten. Das kann nach
heutigem Stand nie­mand von mir ver­lan­gen. Das ist schade. Aber es ist
die Folge der Ver­let­zun­gen, die diese Leute mir zuge­fügt haben.
Men­schen mit Vorurteilen
Ohne meinen Mann aus Deutsch­land gin­ge es mir in mein­er Heimat besser.
Nicht dass Griechen­land mehr Geld hätte als dieses Land. Nein. Das
braucht es nicht. Es hat viele andere Dinge, von denen Touris­ten, die
nur die Ober­fläche ken­nen ler­nen, schon schwär­men. Es müssen also die
richti­gen Dinge sein. Das heißt für mich auch: Die Uck­er­mark ist,
geschla­gen mit Men­schen mit Vorurteilen, und Gren­zen im Denken,
wirk­lich schlimm dran, wenn nicht jed­er Einzelne, der Ras­sis­mus und
Aus­län­der­hass sieht, etwas dage­gen tut. Wie gesagt, darin liegt der
Unter­schied: In der Tat.

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