Im brandenburgischen Blankenfelde schlugen Neonazis eine Journalistin zusammen. Rechtsextreme Angriffe auf Journalisten sind keine Seltenheit.
Es war ein gezielter Angriff. Mitten in Blankenfelde schlugen am vorletzten Wochenende mehrere Neonazis auf eine Journalistin und einen Fotografen ein. Diese wollten über das Treffen der »Heimattreuen Deutschen Jugend« (HDJ) in dem kleinen brandenburgischen Ort südlich von Berlin berichten. Das passte den Neonazis offensichtlich nicht. Presse gleich Feind, verkündet die rechte Szene von der NPD bis hin zu den »Freien Kameradschaften« ständig. »Die Presse lügt«, so ist oft auf Schildern zu lesen, die NPD-Mitglieder bei Aufmärschen hochhalten. »Scheiß-Systempresse«, brüllen Kameradschafter gerne auf ihren Veranstaltungen.
An jenem 4. Oktober waren rund 250 Anhänger der »Heimattreuen Deutschen Jugend« zum »6. Märkischen Kulturtag« angereist. Auch viele Frauen mit Kindern kehrten im Gasthof »Zur Eiche« ein. Mit solchen Veranstaltungen und Fahrten will die HDJ Kindern ab sieben Jahren und Jugendlichen bis 25 Jahren eine »heimat- und volksbewusste Einstellung« beibringen. Der Verein mit Sitz in Berlin und »Einheiten« im Bundesgebiet möchte sie zu »volksbewussten Deutschen« erziehen. So sollen sie etwa lernen, dass es ohne Adolf Hitler keinen VW Golf geben würde.
Bei solchen Erziehungszielen könnte das D zwischen dem H und dem J im Kürzel fast vergessen werden. Die Journalistin Andrea Röpke und der sie begleitende Fotograf wussten sehr genau, wen sie da beobachteten. Um sich nicht zu gefährden, hatten sie in der Nähe eines Supermarkts, etwa 100 Meter vom Gasthof entfernt, begonnen, die Veranstaltung zu filmen. Trotzdem fielen sie auf.
»Die haben meinen Namen gerufen und sind sofort auf uns losgegangen«, erzählt Röpke, die für Fernsehmagazine wie »Panorama« und »Kontraste« und für Zeitschriften wie Blick nach rechts und die taz arbeitet. »Wir rannten in den Supermarkt«, erzählt sie. Doch niemand der rund 20 Kunden half, als die Neonazis den Journalisten folgten. Zwischen den Regalen warf einer der Angreifer Röpke mehrfach zu Boden und versuchte, ihr die Kamera zu entreißen. Als ihm das nicht gelang, schlug er ihr ins Gesicht. »Ganz gezielt«, sagt sie und betont: »Das war unbändige Wut, das hat man gespürt.« Sie erlitt Prellungen und Hämatome und es kam zu einer Blutung hinter einem Auge. Der Fotograf wurde von einer »Kameradin« traktiert, ohne größere Blessuren davonzutragen.
Aus Sicherheitsgründen hatte Röpke tags zuvor eigens das Landeskriminalamt in Berlin über das Treffen informiert. Die Berliner Beamten geben an, die Brandenburger Kollegen unterrichtet zu haben. Im Verfassungsschutzbericht Brandenburgs wird der »Märkische Kulturtag« vom Jahr 2005 erwähnt. Erst nach dem Angriff jedoch traf die Polizei ein – über 45 Minuten später. Mehrmals sollen die herbeigerufenen Sanitäter über Funk Polizei angefordert haben. Vor dem Markt hatten sich immer mehr Neonazis versammelt. Röpke bat später einige der Augenzeugen des Geschehens, eine Aussage zu machen. Aber niemand wollte das tun. »Die hatten alle Angst und wollten damit nichts zu tun haben«, glaubt sie.
Im Funkenflug, dem vierteljährlich erscheinenden Magazin der HDJ, war gerade ein ganzseitiger Bericht über Röpke veröffentlicht worden – mit Bildern von ihr und mit ihrer Privatadresse. Sie hatte Anfang August über ein »Junglager« der HDJ in Fromhausen bei Detmold berichtet. Der Slogan »Der Heimat und dem Volk treu« war am Eingang des selbstgebauten Holzforts zu lesen. Zwischen den Jurte-Zelten bewegten sich Mädchen mit langen Haaren und blauen Röcken und Jungen mit Hemd und Knickerbockern. Die HDJ erinnert an die »Wiking-Jugend«, die im Jahr 1994 wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit der Hitlerjugend verboten wurde. Im Jahr 1999 scheiterte die Verbotsaufhebung. Ein Jahr später soll die HDJ aktiv geworden sein. Ehemalige Kader der Wiking-Jugend wie Gerd Ulrich, der zum NPD-Ordnerdienst gehört, fielen schon bei der HDJ auf. In der Szene, so erzählt ein Aussteiger, sei es schick, die Kinder zur »ideologischen Erziehung und körperlichen Ertüchtigung« mit der HDJ auf »Fahrt« gehen zu lassen. Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, schwärmt: Die HDJ »macht sehr gute Jugendarbeit, kann ich Eltern nur empfehlen«.
Bereits am 12. August stellten Angehörige der HDJ Röpke und anderen Kollegen nach. Mit dem Auto versuchten sie, die wegfahrenden Journalisten von der Straße zu drängen. Zu Übergriffen auf Journalisten kam es auch am 17. September, als Pastörs und fünf weitere Mitglieder der NPD in den Landtag zogen. In der »Radeberger Bierstube« richtete die Partei ihre Party am Wahlabend aus. Ein Ordner der Partei ging an der Auffahrt einen Kameramann des NDR an. Die NPD bemüht sich seit längerem, Journalisten auf Parteitagen, Festen und auch Pressekonferenzen nicht ungestört arbeiten zu lassen. Kritische Berichte, die die Partei entlarven, hintergründige Recherchen, die Strukturen aufdecken, stören.
»Schweinejournalist, dich kriegen wir«, drohen Kameradschafter gerne bei ihren Aufmärschen, wo mal kurz geschubst, getreten und geschlagen wird. Ein Fotograf wurde vor kurzem so schwer in den Unterleib getreten, dass er ärztlich behandelt werden musste. Ein anderer Fotograf nahm vor der Berufschule in Verden auf, wie Bewohner des Neonazizentrums »Heisenhof« Material verteilten. Ein Neonazi fuhr ihn mit den Wagen an.
Der Besitzer des »Heisenhofs«, der Neonazianwalt Jürgen Rieger, stellt ebenfalls Journalisten nach. Am 12. Oktober verurteilte ihn das Landgericht Verden zu einer Geldstrafe von 1 600 Euro. Er hatte einen Journalisten bedroht: »Wenn der Heisenhof brennt, dann brennst du auch. Ich werde dich auf einen Grill legen und langsam durchbraten.« Vor einer laufenden Kamera sagte Rieger einmal: »So warten Sie es doch ab, wenn der erste Reporter umgelegt ist. Dann wissen Sie es, es geht los.«
Zwei der Neonazis, die Röpke und ihren Kollegen angegriffen haben, Sebastian R., der für den Funkenflug verantwortlich ist, und Rocco K., sind inzwischen ermittelt. Dank der Aufnahmen Röpkes und des Fotografen. Trotz des Angriffs hatten sie die Kameras weiter laufen lassen.