Schönefeld — Am 29. November 2010 wurden 50 vietnamesische Flüchtlinge durch die Fluggesellschaft Aeroflot vom Flughafen Berlin-Schönefeld über Moskau nach Hanoi (Vietnam) abgeschoben. Die Flüchtlinge waren laut eines taz-Artikels [1] vor allem aus ökologischen und finanziellen Gründen von Vietnam nach Deutschland gekommen. Rund die Hälfte von ihnen war seit September im Abschiebeknast Grünau inhaftiert.
Die Ruhe gestört
Gegen die Sammelabschiebung protestierten rund 30 Menschen aus verschiedenen Spektren, sowohl außerhalb des Flughafens mit einer unangemeldeten Kundgebung, die durch eine Samba-Gruppe unterstützt wurde, als auch innerhalb des Flughafens durch das Zeigen von Transparenten und Schildern, das Rufen von Parolen, sowie das Verteilen von Flugblättern. Während die verhältnismäßig stark vertretene Polizei die Kundgebung ohne größere Probleme auf dem Gehweg gegenüber des Einganges zum Terminal A tolerierte, wurde Protest im Flughafengebäude unterbunden. Jedoch schafften es Aktivist*innen immer wieder, in der Haupthalle, sowie im Obergeschoss des Terminals ihren Unmut über die Abschiebung kundzutun. Dies führte allerdings zu vereinzelten Personalienfeststellungen und Platzverweisen für das Flughafengebäude. Die kontrollierten Personen konnten jedoch weiterhin an der Kundgebung teilnehmen.
Verspätung durch Protest?
Aktivist*innen sprachen gezielt Passagiere an, welche mit derselben Maschine wie die Flüchtlinge fliegen würden. Einzelne Fluggäste erklärten, sollten die Flüchtlinge tatsächlich an Bord sein, würden sie gegen die Abschiebung protestieren. Möglicherweise war dies auch der Grund für die rund halbstündige Verspätung des Abschiebefluges mit der Flugnummer SU 112, welcher gegen 10.20 Uhr von der Anzeigetafel verschwand.; der Start der Maschine war für 9:50 Uhr angesetzt.
Spontane Demonstration
Einige Zeit, nachdem die Maschine gestartet war, machten sich die Abschiebungsgegner*innen in Form eines – ebenfalls unangemeldeten – Demonstrationszuges auf den Weg zum S‑Bahnhof. Die Polizei hielt sich im Hintergrund und vermied eine Eskalation der Lage, sodass ungestört bis zum Bahnsteig demonstriert werden konnte.
„Abschiebestopp – Aeroflot-Boykott!“
Später am Tag wurde der Aeroflot-Geschäftsstelle, die sich Unter den Linden befindet, ein Besuch abgestattet. Auch hier waren Sambistas anwesend und zogen durch ihre Musik die Aufmerksamkeit der Autofahrer*innen und Passant*innen auf sich, welche mit Transparenten und Sprechchören über die Intention der Demonstrierenden informiert werden sollten. So trug ein Transparent beispielsweise die Aufschrift „Täglich sterben mindestens 2 Menschen auf der Flucht nach Europa“ und es wurden Parolen gerufen wie „Um Europa keine Mauer – Bleiberecht für alle und auf Dauer!“ Außerdem riefen die Aktivist*innen zum Boykott von Aeroflot auf, was bereits im Vorfeld die Flüchtlingsräte Berlin und Brandenburg getan hatten. [2] Eine Mitarbeiterin von Aeroflot antwortete auf die Frage, was sie davon halte, dass die Firma, für die sie arbeite, Menschen abschiebe, dazu wolle sie sich nicht äußern.
Nicht leise, aber ruhig
Während der spontanen Kundgebung vor Aeroflot passierten lediglich mehrere Polizeistreifen die Kundgebung, jedoch ohne einzuschreiten. Auch beim Verlassen des Ortes wurden die Aktivist*innen in keiner Weise von der Polizei daran gehindert, mit Transparenten und Musik auf dem Gehweg zu laufen; die Teilnehmer*innen wurden auch nicht „begleitet“ oder angesprochen.
Vom Protest zum Widerstand?!
Zwar verliefen die Aktionen ruhig und ohne größeren Ärger mit der Polizei; jedoch muss festgehalten werden, dass es sich dabei lediglich um Protest handelte, welcher die Abschiebung nicht verhinderte, geschweige denn ein „Bleiberecht für alle“ durchsetzte. Dies ist allerdings aufgrund der gesellschaftlichen Akzeptanz von so genannten „Rückführungen“ (sprich: Abschiebungen), sowie aufgrund des geringen Ausmaßes an Menschen, die Abschiebungen effektiv verhindern wollen, nicht verwunderlich. Dass sich dies am 6. Dezember ändert, wenn die zweite Sammelabschiebung nach Vietnam vollzogen werden soll, wäre wünschenswert, ist aber aufgrund der aktuellen Lage nicht wahrscheinlich. Trotzdem muss die Perspektive klar bleiben:
Für eine Welt ohne Grenzen und Nationen!
Uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für alle!
Fußnoten:
[1] „Rauswurf ins Ungewisse“ vom 11. November 2010
[2] Pressemiteilung vom 26. November 2010
Presseberichteim Vorfeld:
- Märkische Allgemeine vom 8. November
- Neues Deutschland vom 9. November
- Tagespiegel vom 26. November
- Tagespiegel vom 27. November
- taz vom 28. November