Bericht eines Teilnehmers:
Etwa 20 Menschen beteiligten sich am 12.2. an einer Protestaktion gegen die am selben Tage begonnene Videoüberwachung am Bernauer Bahnhofsvorplatz — Veranstalter der Überwachungseröffnung war die Polizei.
Eine zum selben Zeitpunkt angekündigte offizielle
Eröffnungsveranstaltung der Videoueberwachung fiel aus unbekannten Gründen aus. Stattdessen lud die Polizei die Presse in ihre Kaserne direkt an die Bildschirme. Als die JournalistInnen uns dann auf den Bildschirmen sahen, kamen sie sofort angefahren um über unsere Aktion berichten zu
können. Mit Schily- und Schönbohm-Masken verteilten wir Flugblaetter. Auf einem Transpi stand “Besser als die Stasi — Videoüberwachung in Bernau”.
Die ebenfalls herangeeilten PolizistInnen forderten uns auf, die Vermummung abzunehmen, nahmen einige Personalien auf, drohten Platzverweise und Festnahmen an, zogen dann aber unverrichterter Dinge ab. Eine kleine nette Aktion, mit wenig Vorbereitung und hohem lokalen Medienecho.
Bericht eines Korrespondenten der Volxini:
Heute wurde auf dem Bernauer Bahnhofsvorplatz die Videoüberwachung offiziell gestartet. Sie ist Teil der von dem Brandenburgischen Innenminister Schönbohm vorrangetrieben Verschärfung des Polizeigesetzes. Die SPD/CDU Koalition im Landtag hatte letztes Jahr der Überwachung öffentlicher Plätze in Brandenburg erst mal in einer 6‑jährigen Probehase zugestimmt. Die Kamerastückzahl wurde auf 15 beschränkt. Bei der internen Suche des Ministeriums nach potentiellen Plätzen zur Überwachung machten die Polizeipräsidien nur vereinzelt Angaben, dass sich in ihrem Bereich Kriminalitätsschwerpunkte befänden. Daraufhin drängte Schönbohm, jedes Präsidium müsse mindestens einen Platz benennen.
In Bernau nannte das zuständige Präsidium den Bahnhofsvorplatz. Am Dienstag um 11:00 Uhr wurde dann auch in der Polizeiwache in Bernau der Presse die Überwachungstechnik präsentiert. Währendessen protestierten anwesende Bernauer zusammen mit der Volksinitiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei gegen diese Art der staatlichen Kontrolle. Die anwesende Sprecherin der Initiative, Beate Netzler dazu: „Die Auswahl des Platzes passt voll und ganz in das Konzept des Innenministeriums, wie es sich auch schon in Rathenow und Potsdam gezeigt hat. Die Regierung sucht verzweifelt nach einem Ort, wo sie die Kameras installieren kann und konstruiert einen Kriminalitätsschwerpunkt an dem es eigentlich bloß Auto- und Fahrraddelikte gibt. Um Fahrraddiebstähle zu verhindern, muss die Landesregierung nicht so massiv in die Grundrechte der Bürger eingreifen, hier ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben.“
Stattdessen schlägt Netzler einen bewachten Parkplatz oder die bessere Ausleuchtung des Platzes in der Nacht vor. Die Polizisten, die ständig damit beschäftigt seien, sich wegen der kurzen Eingreifzeit bei einer Straftatmeldung durch den überwachenden Beamten in der Nähe des Platzes zu bewegen, wären besser direkt vor Ort aufgehoben. Schon allein durch diese zusätzliche Streife verringere sich laut Netzler wahrscheinlich schon die Kriminalität. Da bräuchte es dann auch keine Kamera mehr. „Aber so was erfasst dann auch keine Statistik und Schönbohm kann seine Überwachung als Erfolg darstellen.“
Unterdessen haben sich die vorwiegend jungen Leuten mit einem Transparent postiert. „Besser als die Stasi — Videoüberwachung in Bernau“ ist auf ihm zu lesen. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass wir schon längst bei DDR-Methoden in der Überwachung angekommen sind“, sagt ein Bernauer Teilnehmer. Die Tendenz hin zum totalen Überwachungsstaat à la George Orwell sei schon längst zu spüren, Videoüberwachung nur ein weiter Punkt in einer langen Liste von genetischem Fingerabdruck bis biometrischen Daten.
Vor der Kamera sind alle gleich verdächtig, die Unschuldsvermutung praktisch abgeschafft. Dem entgehen die Aktionisten symbolisch indem sie Masken mit dem Konterfei von Schönbohm und Schily vor dem Gesicht tragen. Die Polizei kam eine halben Stunde nachdem die Aktion vor dem Kameraauge anfing und verbot allen Teilnehmern sich zu vermummen. „Ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“, hieß es. Erst nach mehrmaligen Bitten der Teilnehmer durfte ein ebenfalls anwesender Pressefotograf die Protestierenden mit Maske ablichten.
Die Meinung der Vorbeigehenden war sehr unterschiedlich. Einige stimmten der Kritik der Gruppe zu, andere winkten ab und meinten sie hätten ja nichts zu verbergen, aber vielleicht Verbrecher. Andere nahmen sich einfach nur die mit zahlreichen Fakten gespickten Flugblätter.
Einige der Passanten blieben auch stehen und beobachteten das Treiben sehr genau. Drei Jungs, die in der Nähe standen, fragten in die Menge, wozu denn dieser ganze Trubel gut sei. Geduldig erklärte eine Teilnehmerin den Schülern worum es bei der Videoüberwachung gehe. Im letzten Satz brachte sie es auf den Punkt: „Dann werdet ihr zukünftig erwischt, wenn ihr Vormittags nicht in die Schule gehen wollt.“ Einer der Drei überlegte nicht lange und antwortete: „Dann geh ich halt woanders hin, wenn ich schwänze.“