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Protest von draußen

Rund 250 Teil­nehmer bei Antifa-Demo in Tel­tow / Großes Polizeiaufge­bot, aber keine Zwischenfälle

(Hen­ri Kramer) Die Begrüßung klingt has­ser­füllt. „Kein Platz für Rot­faschis­ten“, ste­ht in großen Krei­de­buch­staben auf dem Vor­platz des S‑Bahnhofs Tel­tow, dem Start­punkt für die Demon­stra­tion gegen Tel­tows recht­sex­treme Szene am Sam­stag. Es bleibt nicht das einzige Zeichen des Nach­mit­tags, dass Neon­azis in Tel­tow aktiv sind. Am Net­to-Markt auf der anderen Seite der Gleise lungern ein paar Recht­sex­treme herum, pöbeln einige der sich näh­ern­den Demon­stran­ten an, so dass die Polizei dazwis­chen gehen muss. Vor­mit­tags hat­ten sich schon zwis­chen 30 und 60 Neon­azis in der Tel­tow­er Alt­stadt zu ein­er nicht angemelde­ten Demo ver­sam­melt, die von der Polizei aufgelöst wurde. Über­all in der Stadt sind Aufk­le­ber mit recht­sex­tremen Sprüchen wie „Deutsch­land über alles“ zu find­en, an Ampeln, Schildern und Elektrokästen.

Gegen solche Zustände wollen die Demon­stran­ten vorge­hen. Dass sie sich am S‑Bahnhof sam­meln, hat einen Grund: Die meis­ten der rund 250 jun­gen Män­ner und Frauen kom­men aus Berlin oder Pots­dam. Ihre Gesichter sind regelmäßig bei Demos solch­er Art zu sehen. Aus Tel­tow sel­ber schenken Ehre­namtler des Net­zw­erks „Tol­er­antes Tel­tow“ Getränke aus. Als der Protest-Zug gegen 15.45 Uhr begin­nt, kom­men nach und nach ein paar junge Leute aus dem Ort dazu. Doch die meis­ten Pas­san­ten schauen eher rat­los auf die Demon­stran­ten mit ihren schwarzen Son­nen­brillen und ihrer dun­klen Klei­dung. Vom mit­ge­führten Trans­porter dröh­nt Rock­musik. Dazu rhyth­mis­che Sprechchöre. „Nazis – raus! Nazis – raus! Nazis, Nazis, Nazis – raus, raus, raus“ und „Aler­ta, Aler­ta – Antifascista“ hallt es durch über­wiegend leere Straßen. Bei solchen Demos sind dies übliche Parolen.

Doch für die Autonome „Antifa Tel­tow-Fläming“ ist es kein nor­maler Protest – son­dern max­i­mal ein Anfang, wie mehrere Sprech­er per Mega­fon beto­nen. „Jugendliche, die in Tel­tow nicht rechts sind, müssen nachts mit Prügel rech­nen“, ruft ein­er der Ini­tia­toren. Und fordert ein alter­na­tives Jugendzen­trum für die Stadt, als sicheren Raum für junge Leute ohne recht­sex­tremes Welt­bild. Die Neon­azis vor Ort hät­ten es „viel bess­er“, so der Antifa-Aktivist: Im Szeneladen „Nordic Thun­der“ in der Neuen Straße kön­nten sie ihre Klam­ot­ten kaufen, im Kaos-Tat­toos­t­u­dio in der Pots­damer Straße sich tätowieren lassen oder „abhän­gen“. Abends stün­den mit der Bar „Red Berry“ in der Ruhls­dor­fer Straße und mit dem „Music­parc Tel­tow“ in der Oder­straße weit­ere Räume zur Ver­fü­gung, an denen Neon­azis nicht behel­ligt wür­den. An allen vier Orten führt die Demo vor­bei. Der „Nordic Thun­der“ ist kom­plett mit Sper­rholz verklei­det – schon in der Nacht zum Fre­itag wurde er von Unbekan­nten mit Steinen und Farbbeuteln attack­iert. „Der Laden muss weg“, ruft ein Antifa-Aktivist, viele klatschen. Für den „Music­parc“ fordern die Autonomen ein „Hausver­bot für Neonazis“.

Fotos im Inter­net zeigen, dass sich in der Diskothek häu­fig Recht­sex­treme aus Pots­dam und Berlin tre­f­fen – mit ein­schlägi­gen, aber nicht ver­bote­nen T‑Shirts der Szene. Eine Sprecherin der Disko ken­nt das Klien­tel, ver­weist aber auf PNN-Anfrage am Fre­itag auf die Ein­lasskon­trollen, die Ver­botenes aus­sortieren wür­den. „Wenn sie ihre Nei­gun­gen hier nicht ausleben, ist das okay für uns“, sagt sie über die rechte Kund­schaft. Zudem wür­den regelmäßig Aus­län­der ihr Haus besuchen: „Das funk­tion­iert doch.“ Deswe­gen sei die Diskus­sion aus ihrer Sicht „lächer­lich“.

Auch am „Red Berry“ zwis­chen den Plat­ten­baut­en des Wohnge­bi­ets Neue Wohn­stadt gibt es für das Anliegen der Demon­stran­ten kein Ver­ständ­nis. Die Bar gilt bei linken Jugendlichen vor Ort als Aus­gangspunkt für nächtliche Über­griffe von Neon­azis. Doch heute hängt vor der Kneipen­tür ein Ban­ner: „Wo bleibt eure Tol­er­anz?“ Drin­nen ste­hen junge Män­ner und fil­men die vor­beiziehen­den Demon­stran­ten – laut Antifa, um an pri­vate Dat­en von Linken zu kom­men. Mit Absper­r­git­tern ist der Laden geschützt, Dutzende Polizis­ten ste­hen davor und dahin­ter – so soll die Demo ohne Zwis­chen­fälle vor­bei geleit­et wer­den. „Wir kriegen euch alle“, schallt es aus den Antifa-Kehlen. Die Stim­mung ist plöt­zlich aggres­siv. Doch bleiben die Rangeleien ohne Fol­gen, schließlich beruhigt sich die Lage. In den Balko­nen der Plat­ten­baut­en ste­hen Leute und beobacht­en den Protest. 18 Uhr ist der Marsch been­det, die S‑Bahn nach Berlin wieder voll. Nach und nach ver­lassen dutzende Ein­satzwa­gen der Polizei die Stadt. Ab 22 Uhr lädt der Music­parc zu sein­er Disko – wie jeden Samstag. 

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