Dieses Jahr fand der jährliche Naziaufmarsch am 1. Dezember Wochenende in Königs Wusterhausen (KW) statt. Seit 2003 demonstrieren die Neonazis jährlich für ein „nationales Jugendzentrum“. Der erste Aufmarsch ging am Nikolaus 2003 von Rudow nach Schöneweide und auch in den nächsten Jahren war stets der Berliner Süd-Osten betroffen. Mit der Größe des Naziaufmarsches wuchs in den letzten Jahren auch der Protest. So mussten die Nazis 2008 bereits nach Lichtenberg ausweichen, da ihnen alle Routen in Neukölln oder Treptow-Köpenick auf Grund von linken Anmeldungen verwehrt blieben. In Lichtenberg kam es dann auch zu massiven Protesten und Ausschreitung der mehr als 1000 Antifas. So kam es, dass die Nazis dem Protest dieses Jahr auswichen und den Aufmarsch Königs Wusterhausen verlegten.
Doch auch in Königs Wusterhausen wurden sie mit Protest konfrontiert. Das lokale „Bündnis gegen Rechts“ hatte eine Gegendemo und einen Weihnachtsmarkt gegen den Naziaufmarsch organisiert. Um die lokalen Antifaschist_innen zu unterstützen riefen mehrere Berliner Antifa Gruppen, das Bündnis für Demokratie und Toleranz Treptow-Köpenick, sowie die Bürgermeisterinnen mehrerer Ost-Berliner Stadtteile dazu auf gemeinsam nach Königs Wusterhausen zu fahren. Ab 10 Uhr trafen sich deshalb mehr als 150 Berliner Antifaschist_innen am S‑Bhf Treptower Park und machten sich gemein auf zum Ort des Naziaufmarsches. Dabei konnten bereits bei der Anreise mehrere Nazis davon überzeugt werden, dass heute kein guter Tag für sie werden würde. Am Bahnhof in KW angekommen mussten die Berliner_innen ersteinmal gründlichste Vorkontrollen der Bullen über sich ergehen lassen, so dass es hier zu einigen Verzögerungen und ersten Unmutsbekundungen der Angereisten kam. Nachdem sich die angereiste Gruppe zunächst in Kleingruppen zerstreut hatte, sammelten sich gegen 12 Uhr etwa 600 Antifaschist_innen am Auftaktort der Gegendemo. Die Demo bot ein durchweg sehr gemischtes Erscheinungsbild. Neben den angereisten Antifas beteiligten sich verschiedene Parteien, wie DKP und Grüne, sowie auch ältere Kwer Einwohner_innen an den Protesten. Insgesamt war die Stimmung zunächst sehr entspannt und die angereisten Antifas wurden vom Lauti nett begrüßt, von dem später auch noch einige gute Redebeiträge gehalten wurden. An der Kreuzung Cottbusser Str./ Karl-Marx-Str. gab es dann die erste Blockade auf der Naziroute. Die Blockade konnte zunächst auch gehalten werden, obwohl die Polizei mehrfach versuchte die Demonstrant_innen abzudrängen. Allerdings herrschte nun zunehmende Unklarheit innerhalb der Gegendemo welcher Punkt denn nun der beste Blockadepunkt sei, so dass die Blockade nach etwa 30 Minuten wieder freiwillig aufgegeben wurde und die Demo weiter zog. Die Bullen beschränkten sich während der Demonstration hauptsächlich darauf wichtige Kreuzungen abzusichern und war ansonsten eher schwach an der Demo präsent. Die Demo nahm mit der Zeit einen zunehmendend chaotischeren Verlauf, da vereinzelt Nazis am Rande antifaschistische Platzverweise erhielten und die Polizei an der Kreuzung R.Becher Str. / Goethe Str. plötzlich versuchte die Route der Gegendemo zu verändern, was ihnen dann auch gelang. Auf der Erich-Weinert Str. kam es dann schließlich zum finalen Blockadeversuch der Gegendemo. Etwa 300 Antifaschist_innen weigerten sich hier nach einer geplanten Zwischenkundgebung ihren Weg fortzusetzen und blockierten die Strecke auch nach dem Abzug der Reste der offiziellen Gegendemo. Die Blockade in der Erich-Weinert Str. hielt ca. 1 ½ Stunden, bis sich die Nazis schließlich bis auf wenige hundert Meter genähert hatten und Heinrich-Heine Str. / Erich-Weinert Str. ausharren mussten. Nach den obligatorischen drei Durchsagen begannen die Bullen dann mit dem Räumen der Blockade. Leider hatten sich viele Antifaschist_innen anscheinend von dem massiven Auftreten der Polizei einschüchtern lassen oder hatten andere Gründe, so dass schließlich viele Menschen die Blockade verließen und bei der Räumung nur noch knapp 100 Blockierer_innen aushielten, die sich zu einer friedlichen Sitzblockade entschlossen hatten. Bei der Räumung der Sitzblockade gingen die Bullen gewohnt brutal vor: Antifaschist_innen wurden die Hände ins Gesicht gedrückt, gehebelt, geschlagen und auch einige Gegenstände dürften zu Bruch gegangen sein. Wer nach dieser Auflösung nicht schnell genug weg kam, wurde anschließend gekesselt und im Spalier zum „Weihnachtsmarkt gegen Rechts“ gebracht. Die übrigen, verstreuten Antifas konnten dann auch nichts mehr ausrichten und sammelten sich nach einigen Verfolgungsjagden mehrheitlich auf besagtem Weihnachtsmarkt. Hier zeigten die Bullen auch nocheinmal wessen Geistes Kind sie sind und nahmen mehrere Antifaschist_innen ohne ersichtlichen Grund fest. Am Fontaneplatz zogen schließlich auch die Nazis unter massivem Polizeischutz vorbei, so dass die anwesenden Antifaschist_innen hier ihren Protest nur verbal ausdrücken konnten. Nach dem die Nazis vorbei waren, versuchten die angereisten Berliner_innen wieder zum Bahnhof zu gelangen, was Dank der Polizeiabsperrungen jedoch nur teilweise und in Kleingruppen gelang.
Fazit Zum ersten Mal seit 2003 haben die Neonazis ihren Dezemberaufmarsch nicht in Berlin durchgeführt. Zudem waren es dieses Mal nicht einmal 300 Neonazis, was einen klaren Rückgang im Vergleich zu den letzten Jahren darstellt. So nahmen im Jahr 2008 noch 800 Neonazis an diesem Aufmarsch teil. Hier zeigt sich, dass die kontinuierlichen Proteste erfolgreich sind und den Nazis ihren Aufmarsch zunehmend erschwerend. Die Zahl von 600 Gegendemonstrant_innen und mehr als 150 angereisten Berliner Antifas ist unter den Umständen dieses Jahr sicherlich auch eine ordentliche Zahl, so wurde in Berlin noch nicht einmal seit einer Woche für die Proteste in KW geworben. Trotzdem muss festgestellt werden, dass es mit einer besseren Organisation im Vorfeld und mehr Einigkeit bei den Blockaden möglich gewesen wäre, den Aufmarsch zumindest stark zu verkürzen. Insbesondere da die Gegendemo die Naziroute mehrfach kreutzte wäre hier mehr möglich gewesen.
Die Proteste vor Ort wurden organisiert vom lokalen Bündnis gegen Rechts: www.bgr-kw.de