Im Prozeß um den Mord an dem 16jährigen Marinus Schöberl im brandenburgischen Potzlow wurden am Mittwoch und an den beiden Verhandlungstagen zuvor Zeugen aus dem Umfeld des Opfers und der Tatverdächtigen vernommen.
Drei erwachsene Zeugen aus Strehlow, dem Heimatort der Täter, erschienen vergangenen Freitag zunächst nicht vor dem Landgericht Neuruppin. Sie mußten durch die Polizei zugeführt werden. Unter ihnen war Monika S., die bereits wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt ist. Ihre Anwältin hat jedoch Widerspruch eingelegt. Die Mißhandlungen an Marinus hatten in der Nacht zum 13. Juli 2002 in ihrem Haus begonnen. Sie hatte nicht eingegriffen. Der Zeuge Rainer Sch. sagte, er habe Angst vor den Tatverdächtigen.
Vier jugendliche Zeugen bestätigten am Freitag, Marcel habe ihnen bereits lange vor dem Auffinden der Leiche durch die Polizei am 16. November 2002 von dem Mord erzählt. Sie hätten ihm nicht geglaubt, weshalb sie auch nicht zur Polizei gegangen seien.
Die 15jährige Marie-Christin K. erzählte, zwei Freunde von ihr hätten von dem Mord und von dem Ort, an dem Marinus »begraben« sein sollte, erfahren. Zu dritt seien sie zu der Stelle gegangen, erzählte sie unter Tränen. Die beiden Jungen hätten gegraben und die skelettierte Leiche gefunden. Matthias M. (16) habe daraufhin die Polizei angerufen.
Am Montag wurden zunächst Martin M. (19) und Madeleine K. befragt. Marcel S. (18), einer der drei Angeklagten, hatte mit ihnen um 25 Euro gewettet, daß er ihnen Marinus’ Leiche zeigen könne. Mit einer Taschenlampe und einer Axt bewaffnet ging man zu den Schweineställen der ehemaligen LPG. Der Schädel des Ermordeten soll zu sehen gewesen sein. Nach der »Besichtigung« habe Marcel den beiden gedroht, sie seien »auch dran«, wenn sie den grausigen Fund der Polizei meldeten.
Matthias M. sagte aus, er sei von Nicole B., ebenfalls Zeugin im Verfahren, mit Pfefferspray angegriffen worden, nachdem er die Polizei benachrichtigt hatte. Nicole B. sitzt derzeit wegen ihrer Beteiligung an einem Angriff auf einen Afrikaner in Haft. Wegen der gleichen Tat verbüßt der älteste Angeklagte, Marco S. (24), bereits seit August 2002 eine 32monatige Gefängnisstrafe.
Unter den Zeugen vom Montag war auch die Leiterin des Strehlower Jugendclubs, Petra Freiberg. Die Sozialarbeiterin gab an, für vier Jugendklubs in der Region verantwortlich zu sein. Über die schulische und berufliche Entwicklung der Angeklagten und des Opfers, die regelmäßig im Strehlower Club verkehrten, war sie indes nicht informiert. Sie war in den Tagen nach der Entdeckung von Marinus Leiche begehrte Interviewpartnerin der Medien.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Mord aus niederer Gesinnung und zur Verdeckung der vorangegangenen Körperverletzung vor und geht von einem rechtsextremen Tathintergrund aus. Die Beschuldigten zwangen ihr Opfer, sich als »Jude« zu bezeichnen, woraufhin sie es noch brutaler demütigten und quälten als zuvor. Marcel S. und Sebastian F., zum Tatzeitpunkt 17 und 18 Jahre alt, müssen mit einer Jugendstrafe von zehn Jahren Haft rechnen, Marco S. mit lebenslänglich. Die Verteidiger Marcels und Marcos deuteten dagegen an, auf verminderte Schuldfähigkeit wegen des exzessiven Alkoholkonsums und wegen des geringen Intelligenzquotienten der Brüder plädieren zu wollen. Das Urteil wird am 18. Juni erwartet.