Gestern fand vor dem Landgericht Potsdam der erste Prozesstag gegen fünf junge Antifaschisten statt, die im Juni 2005 einen Neonazi mit einem Schlagstock verletzt haben sollen.
Die Sicherheitsvorkehrungen für den Prozess gegen die beschuldigten Antifaschisten waren enorm. Überall vor und in dem Gerichtsgebäude hatten sich Polizisten positioniert. Für Presse und Prozessbeobachter war es zugleich der bis zur Urteilsverkündung letzte Prozesstag, weil auf Wunsch einer jugendlichen Beschuldigten der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt wurde. Nach dem Jugendgerichtsgesetz besteht diese Möglichkeit, wenn es im Interesse der Heranwachsenden geboten ist.
Anklage wegen Körperverletzung
Neben Beobachtern waren auch viele Unterstützer der Angeklagten angereist, weil die Potsdamer Soligruppe, die den Fall von Beginn an betreut, mit Neonazis im Gericht rechnete, die sich jedoch nicht blicken ließen. Sowohl die Soligruppe für die Angeklagten als auch Rechtsanwalt Steffen Sauer, der die Beschuldigte Julia S. vertritt, stehen dem Beschluss, die Öffentlichkeit auszuschließen, mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits sei es richtig, dass mit dem Ausschluss die Beschuldigten entlastet würden, sagt Paul B. von der Soligruppe. Andererseits, stelle eine »demokratische Öffentlichkeit auch immer einen Schutz für Verhandlungen dar«.
Alle fünf Beschuldigten Antifaschisten sind wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Ihnen drohen Strafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Die Höchststrafe sei jedoch wegen der geringen Verletzungen des mutmaßlichen Opfers auszuschließen, meint Sauer.
Eine der nun vor Gericht stehenden Antifas ist Julia S. Die 22-Jährige hatte voriges Jahr fünf Monate in U‑Haft gesessen. Gegen sie war von Staatsanwalt Peter Petersen wegen versuchten Mordes ermittelt worden. Gleichzeitig war gegen eine Gruppe von Neonazis, die zwei alternative Jugendliche überfallen und schwer verletzt hatten, wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt worden.
Die Begründung für Petersen für die lange U‑Haft war, dass eine antifaschistische Gesinnung, per se einen »niederen Beweggrund« darstelle, da die Tötung von Neonazis von Antifas propagiert würde. Für die Soligruppe ist es ein Skandal, dass Petersen, der die Äußerung nie zurückgenommen habe, nun als Vertreter der Staatsanwaltschaft im Prozess auftrete. Auch der Potsdamer Bürgermeister Jann Jakobs (SPD) hatte Petersen damals kritisiert, weil der Eindruck entstehen könne, in Potsdam werde mit zweierlei Maß gemessen.
Ex-Wiking-Jugend Führer als Nebenklägeranwalt
In Folge eines Angriffs auf einen alternativen Potsdamer Jugendclub kam es 2005 immer wieder zu Übergriffen von Rechten auf alternative Jugendliche. Dabei erhielten die Potsdamer »Kameraden« auch Unterstützung von Berliner Neonazis.
Das vermeintliche Opfer und Nebenkläger Benjamin Ö., der in der rechten Szene Potsdams aktiv ist, wird von Anwalt Wolfram Nahrath vertreten. Nahrath war in den 90er Jahren Vorsitzender der »Wiking-Jugend«, die aufgrund ihrer ideologischen und organisatorischen Nähe zur »Hitlerjugend« 1994 verboten wurde. Die braune Gesinnung des Anwalts, der in der Vergangenheit Gerichte immer wieder als Propagandabühne missbraucht habe, werde im Verfahren noch zum Thema gemacht, kündigte Rechtsanwalt Sauer an.