INFORIOT Am Mittwoch, den 1. Juli 2009, wurde ein junger Antifaschist wegen Sachbeschädigung und versuchten Diebstahls angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, bei einer DVU-Kundgebung im September letzten Jahres in Potsdam den Stromgenerator der rechtsextremen Veranstaltung zerstört zu haben. Das Verfahren wurde eingestellt, der Angeklagte zu 20 Sozialstunden verpflichtet.
Rückblick
Zum Abschluss ihres Wahlkampfes für die Kommunalwahlen in Brandenburg veranstaltete die DVU eine Kundgebung am 20.09.2008 auf dem Luisenplatz in Potsdam.
Den rund 50 DVU-Sympathisierenden standen damals etwa 1000 Protestierende entgegen. Da sie dennoch von Absperrgittern und Polizeischutz umringt waren und störungsfrei ihre Kundgebung abhalten konnten, zerstörten Demonstrant_innen das Notstromaggregat, sodass der vor kurzem verstorbene DVU-Landtagsabgeordnete Schwemmer minutenlang hilflos ohne Ton auf der Bühne stand und die Kundgebung abgesagt werden musste.
Aus Solidarität und um mögliche Prozesskosten der Aktionist_innen finanziell etwas zu decken, spendeten noch am gleichen Tag viele Menschen Geld, unter ihnen der Linke- Politiker Hans-Jürgen Scharfenberg und Oberbürgermeister Jann Jakobs.
Die Verhandlung
Beim Prozess am Mittwoch war der DVU-Landesvorsitzende Hans-Gerd Wiechmann aus Niedersachsen geladen.
Er stellte für die Wahlkampfveranstaltung die Logistik und Ordner aus Niedersachsen. Laut seiner Aussage sah er den Angeklagten lediglich, wie ihn die Polizei festhielt, nicht jedoch wie er den schätzungsweise 150€ teuren Stromgenerator zerstörte.
Die Zeug_innenaussage eines Streetworkers verdeutlichte, dass in diesem Fall nicht die kriminelle Energie entscheidend war (wie es bei Diebstahl eigentlich wäre), sondern die politische Motivation diese Veranstaltung zu verhindern, die rechtes Gedankengut transportiert.
Der Angeklagte ließ eine Erklärung durch seinen Anwalt verlesen, in der einräumte, dass er den Generator zerstörte, floh und von der Polizei festgenommen wurde. Weiterhin wurde verdeutlicht, welche polizeilichen Maßnahmen der Angeklagte über sich ergehen lassen musste- Freiheitsentzug und stundenlange Ingewahrsamnahme.
Wie wichtig der Protest gegen rechte Veranstaltungen wie die DVU-Kundgebung, die auch in diesem Jahr am 20. September in Potsdam wieder stattfinden soll, ist,verdeutlicht der Angeklagte in einer Erklärung:
Warum ist Widerstand gegen Nazis notwendig
Alle Menschen in der bestehenden Gesellschaft sind über die 12 Jahre nationalsozialistischer Herrschaft, über die Millionen Toten des Krieges, über die Millionen Toten aus den Konzentrationslagern informiert. Somit wissen alle, was ein politisches System des Nationalsozialismus kennzeichnet. Terror, Menschenvernichtung und Willkür. Genau deshalb ist es so verachtenswert. Ebenso wissen auch alle, dass es schon damals Menschen gab, die dieses System bekämpften und Widerstand leisteten. Menschen verschiedener politischer Meinungen, allen voran die KommunistInnen, aber auch SozialdemokratInnen und ChristInnen. Auch nicht vergessen sind die vielen jüdischen Widerstandsgruppen und die PartisanInnen Osteuropas. Nicht alle Menschen taten es wie ein Großteil der deutschen Bevölkerung damals. Mitmachen, Wegschauen und nichts bewusst haben wollen. Es gab einen Widerstand und auch wenn er nicht in der Lage war Nazideutschland zu besiegen, so war es doch ein Fanal der Menschlichkeit und Hoffnung in einem Land des Todes. Viele dieser Menschen starben damals im Kampf gegen Faschismus und Krieg. Doch scheinbar verhallte ihr Ruf nach einer besseren Welt ungehört und offenbar sind die Toten schon vergessen.
Schon längst ist es wieder aus der Mode geraten sich einzumischen. Hier in Deutschland werden Duckmäuser und Untertanen erzogen, Menschen die Wegschauen, Abnicken und Passieren lassen.
Menschen, die wieder nach unten treten und nach oben buckeln. Diejenigen, die sich dem widersetzen, werden kriminalisiert.
Schon seit geraumer Zeit wieder sterben Menschen auf den Straßen durch neonazistische Gewalt in diesem Land und nichts passiert. Die hoch gepriesene Zivilgesellschaft existiert nicht. Was bringt es ein paar Nazis wegzusperren?
Schon längst wieder stößt nazistisches Gedankengut in die Mitte der Gesellschaft. Und fällt auf fruchtbaren Boden. Schnell werden Menschen unterteilt, in solche, die uns nützen und solche die uns ausnutzen (Günther Beckstein) und das trotz Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen.
Die Vergangenheit, das was damals passierte, hat an Aktualität nichts eingebüßt. Auch hier in Potsdam gibt es organisierte nazistische Strukturen von der DVU, der NPD und den so genannten „Freien Kameradschaften“. Sie wirken auf der Straße und im Parlament. Sie hetzen gegen das Flüchtlingsheim am Schlaatz, verprügeln Menschen auf offener Straße und verbreiten ihre menschenverachtende Propaganda überall in der Stadt. Das hier in Potsdam noch niemand gestorben ist, ist alleine antifaschistischem Engagement und dem Zufall zu verdanken.
Widerstand gegen Nazis ist aktuell und notwendig. Ebenso die Analyse der bestehenden Verhältnisse, denn „wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen“ (Max Horkheimer). Antifaschistisches Engagement bedeutet auch, sich mit den Ursachen des Faschismus auseinander zu setzen und diese radikal (an der Wurzel) zu bekämpfen. Und eben nicht Büttenreden und Absichtserklärungen in den Parlamenten und in den Medien von sich zu geben.
Egal, wie heute geurteilt wird, für mich ist der Kampf und die Auseinandersetzung gegen Antisemitismus, Neonazis und die kapitalistische Gesellschaft mit all ihren Ungerechtigkeiten ohne Alternative. So wusste schon Rosa Luxemburg „So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd- trotz alledem.“