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Prozess wegen versuchten Mordes

Pots­dam - 3. Juli 2005, in den frühen Mor­gen­stun­den: Der Pots­damer Tamás B. ste­ht mit seinem Fre­und Christoph B. in der Friedrich-Ebert-Straße vor einem türkischen Imbiss in der Nähe von Bäck­er Braune. Eben haben sie sich noch einen Dön­er gekauft – für den Heimweg nach ein­er Par­ty im Waschhaus. Ein paar Minuten später wer­den bei­de Opfer bru­taler Gewalt. 13 Anhänger der recht­en Szene haben den „aktiv­en Linken“ und seinen Begleit­er niedergeschla­gen, getreten und ihre Gesichter zer­schnit­ten. Am 20. Dezem­ber begin­nen die Prozesse gegen elf der Täter am Landgericht Pots­dam – wegen ver­sucht­en Mordes. 27 Ver­hand­lungstage wer­den fol­gen. Ende März sind die let­zten Ver­hand­lungstage geplant.

Auf der gestri­gen Pressekon­ferenz des Vere­ins „Jugend engagiert sich in Pots­dam“ (JeP), sprach Tamás B. in der Stadt- und Lan­des­bib­lio­thek über seine Erleb­nisse in dieser Som­mer­nacht: Eine Tram, die in Rich­tung Platz der Ein­heit vor­bei­fuhr brem­ste so plöt­zlich, dass es qui­etschte, erin­nert sich Tamás B. Jemand hat­te die Not­bremse gezo­gen. Dann sprangen „unge­fähr 15 Ver­mummte raus“, umzin­gel­ten die bei­den. Ein­er habe gefragt: „Welch­er ist es?“ Da habe eine Frauen­stimme geant­wortet: „Das fette Zeck­en­schwein!“ Danach habe er nicht mehr viel mit bekom­men. Nach einem Schlag mit ein­er vollen Bier­flasche auf seinen Hin­terkopf fiel er bewusst­los zu Boden: „Ich wurde erst wieder wach, als mir jemand ins Gesicht getreten ist“. Seit­dem hört Tamás B. schlecht auf einem Ohr, sein Fre­und traf es noch schlim­mer: Der „unpoli­tis­che“ 25-Jährige stellte sich vor den Gle­ichal­tri­gen, um ihn zu schützen. Die Schläger zer­schnit­ten mit ein­er abge­broch­enen Flasche sein Gesicht und seinen Hals – nur zwei Zen­time­ter neben der Halss­chla­gad­er. Nach knapp zwei Minuten habe ein­er der Ver­mummten gerufen: „Weg, weg!“, erzählte Tamás B. Der Spuk war vorüber.

Dank der Aufze­ich­nun­gen der Überwachungskam­eras in der Straßen­bahn kon­nten noch am sel­ben Tag die ver­mut­lichen Täter festgenom­men wer­den. Sechs Erwach­sene zwis­chen 22 und 32 Jahren sowie eine Jugendliche sitzen seit­dem in Unter­suchung­shaft. Am näch­sten Dien­stag wer­den auch Tamás B. und Christoph B. im Gerichtssaal sitzen, bei­de lassen sich als Neben­kläger durch ihre Anwälte vertreten: „Das war ein heimtück­isch­er Anschlag“ auf Tamás B., so Christoph B.s Anwalt Volk­er Wieder­s­berg. Tamás B. sei den Recht­en bekan­nt gewe­sen, er ist für die Öffentlichkeit­sar­beit der Antifa an der Uni­ver­sität Pots­dam zuständig. Der Anwalt könne sich nicht vorstellen, dass die Täter davon aus­ge­gan­gen sind, dass ihre Opfer über­leben. Als sie vom Tatort ver­schwan­den lag Tamás B. regungs­los am Boden, sein Fre­und blutete stark aus der Hal­swunde. Im Klinikum Ernst vom Bergmann, in das bei­de ein­geliefert wur­den, habe man ihnen gesagt, dass sie noch ein­mal großes Glück hat­ten, so Tamás B. Laut Wieder­s­berg sei das Beson­dere an diesem Fall, dass die Tat ganz ein­deutig vor poli­tis­chem Hin­ter­grund ste­he. Die Tatverdächti­gen gehörten zum „inneren Zirkel“ der recht­sex­tremen Szene in Berlin und Pots­dam. In der bran­den­bur­gis­chen Lan­deshaupt­stadt küm­mert sich der Vere­in JeP um die Opfer rechter Gewalt. Der will nun eine „Beobach­tungs­gruppe“ auf­bauen, so Vere­inssprecherin Friedrike Johannsen. Diese soll den Prozess begleit­en und ein Prozess-Tage­buch führen. Zehn Per­so­n­en „aus Poli­tik und Kul­tur“ haben laut Johannsen ihre Teil­nahme bere­its fest zuge­sagt – darunter auch die Bun­desvor­sitzende von Bünd­nis 90/Die Grü­nen, Clau­dia Roth. Zudem plane JeP, dass Schulk­lassen an eini­gen Ver­hand­lun­gen teil­nehmen, mit denen anschließend über rechte Gewalt in Pots­dam disku­tiert wer­den soll. Unter­stützt wird der Vere­in dabei von der Pots­damer Sicher­heit­skon­ferenz. Am Fre­itag sollen die Details zur Prozess­be­gleitung besprochen werden.

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