Inforiot — Am diesjährigen 1. Mai fanden bundesweit erneut zahlreiche neonazistische Demonstrationen und Kundgebungen statt. Besonders an den Aufmärschen in Halle/Saale und Gera beteiligten sich Neonazis aus Brandenburg. In der Region gab es nur eine extrem rechte Versammlung: In Frankfurt (Oder) veranstalteten örtliche extrem Rechte eine Kundgebung, die von ihrer inhaltlichen Ausrichtung wahrscheinlich nicht jeden Neonazi gefallen hätte.
Mit Thälmann und Karl Marx für ein „Soziales Deutschland“
Der stadtbekannte Neonazi Björn Brusak, häufiger Redner auf rechten Demonstrationen und Anhänger der Europäischen Aktion, meldete zum 1. Mai vor dem Rathaus im Stadtzentrum eine Kundgebung unter dem Motto „Für ein soziales Deutschland“ an. Anders als in der Vergangenheit blieb eine Mobilisierung durch die Gruppierung „Frankfurt (Oder) wehrt sich“, zu deren Umkreis Brusak zu zählen ist, aus. Die aktionsorientierten AktivistInnen um den Neonazi Peer Koss zog es eher nach Gera zur Demonstration des „III. Weg“, an dem sie bereits im vergangenen Jahr teilgenommen hatten.
Die Kundgebung sollte ab 10 Uhr vor dem Rathaus stattfinden. Mit einer halbe Stunde Verspätung trafen die ersten Neonazis, sowie der Anmelder Brusak am Versammlungsort ein. Durch die fehlende Mobilisierung kamen insgesamt nur etwa 20 Personen zusammen. Neben eher weniger bekannten Gesichtern der Frankfurter Neonaziszene beteiligte sich auch Michael Koth aus Berlin, Vorsitzender der Antiimperialistischen Plattform (AiP) zusammen mit weiteren AnhängerInnen an Brusaks Versammlung.
Koth gilt nicht unbedingt als Teilnehmer von typischen Neonazikundgebungen. Er ist eher bekannt als einer der dienstältesten QuerfrontlerInnen in Deutschland, der immer wieder versucht linke und rechte Positionen zu vereinen. Seine Plattform unterstützt das nordkoreanische und syrische Regime und hängt einer kruden Ideologie, irgendwo zwischen Strasser-Brüdern und DDR-Nostalgie, nach. Vorgänger der AiP war u.a. der „Kampfbund deutscher Sozialisten“ (KdS), aber auch maoistische bis stalinistische Splittergruppen.
Damit teilt Michael Koth ähnliche Ansichten, wie der Verschwörungsideologe Björn Brusak, der u.a. auf seinem Youtube-Kanal ebenfalls seine Sympathie für Nordkorea äußerte und in der Vergangenheit mehrmals versuchte in Reden linke und rechte Positionen zusammen zu führen. Kennengelernt haben sich die Querfrontler vermutlich auf den sog. Montagsmahnwachen von Lars Mährholz 2014 in Berlin, an denen beide teilnahmen.
Für die anderen Neonazis, die sonst eher flüchtlingsfeindliche Demonstrationen besuchen, wirkten die Karl Marx-Zitate und die klassenkämpferische Rede von Björn Brusak, der auch schon auf Demonstrationen der Neonazi-Kleinstpartei “Der III. Weg” sprach, eher befremdlich bis peinlich. Trotzdem hielten alle brav die von der AiP mitgebrachten Transparente und Schilder, die jedoch nicht weniger antisemitische und reaktionäre Inhalte transportierten. Zum Teil verirrten sich kurzzeitig auch unbeteiligte Passant_innen zur Kundgebung, da sie annahmen, dies sei die traditionelle 1. Mai-Kundgebung von der Linkspartei.
Neonazis unter sich – Kein Gegenprotest
Die Polizei war mit einem relativ großen Aufgebot vor Ort. In der Vergangenheit gab es bei jedem Neonaziaufmarsch zu lautstarken Protesten von Antifaschist_innen. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ konnte jeweils mehrere hundert Gegendemonstrant_innen mobilisieren. Am 1. Mai 2014 kam es aufgrund von Versäumnissen seitens der Polizei sogar zu gewalttätigen Übergriffen von Neonazis auf Antifaschist_innen nach einer Kundgebung der NPD. Dies sollte diesmal möglichst verhindert werden.
Die enorme Polizeipräsenz war jedoch unnötig. Bis auf ein paar zufällig vorbeikommenden Passant_innen, die ihren Unmut über die QuerfrontlerInnen zum Ausdruck brachten fanden sich keine Gegendemonstrant_innen ein. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ mobilisierte jedenfalls zu keiner eigenen Kundgebung. Auch die Stadtspitze, die von der rechten Ansammlung wissen musste, war nicht in der Lage zumindest in Form von Transparenten sich gegen die Neonazis zu positionieren. Die Linkspartei dagegen hängte zwei große Plakate gegen Rechts auf, jedoch einige hundert Meter entfernt bei ihrem traditionellen Brückenfest, welches jedes Jahr am 1. Mai an der Oder stattfindet. Etwas kurios und äußerst seltsam, warum die Partei nicht fähig dazu war direkt am Rathaus gegen die dort anwesenden rechten Querfrontler zu demonstrieren. Auch wurden Besucher_innen des Festes nicht einmal auf die Anwesenheit derer hingewiesen. Möglich, dass inhaltliche Gründe dafür eine Rolle spielten. Die Rede Björn Brusaks hätte nämlich auch von der Bühne der Linkspatei kommen können. Die Linke tut sich generell schwer im Umgang mit Querfront-Positionen. Mitunter treffen Querfront-Ideen auf Sympathie auch in den eigenen Reihen.
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Eine Antwort auf „Querfront-Kundgebung am 1. Mai in Frankfurt (Oder) ohne Gegenprotest“
Na ja, mal wieder im ‘Toleranten Brandenburg’ Naziaufmärsche toleriert.
Da blieb der Polizei jener gewohnte “Machtaufmarsch” gegen Antifaschisten ‘erspart’!