INFORIOT Ein 37-jähriger Deutscher ringt derzeit nach einem rassistischen Angriff in der Potsdamer Innenstadt um sein Leben. Durch die Schläge und Tritte, die der aus Äthopien stammende dunkelhäutige Ernyas M. unter anderem gegen den Kopf erlitt, ist er so schwer verletzt, das er in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Der Angriff ereignete sich am frühen Sonntagmorgen gegen 03.55 Uhr an einer sonst menschenleeren Straßenbahnhaltestelle. Dass die Tat einen rassistischen Hintergrund hat, kann als gesichert gelten, weil auf der Handymailbox des Opfers Fragmente des Tatgeschehens dokumentiert sind. Ernyas M. wurde unter anderem als „Scheiß-Nigger“ beschimpft. Dies ist aus ersten Presseberichten zu erfahren (z.B.: hier und hier).
Um sich öffentlich gegen diesen neuerlichen Fall rassistischer Gewalt in Potsdam zu wenden, haben am späten Nachmittag vom Ostermontag zeitweise bis zu 550 Antifas in der Innenstadt demonstriert. Der Protestzug führte vom Platz der Einheit bis in unmittelbare Nähe des Tatortes, wo eine Zwischenkundgebung abgehalten wurde. „Vom dem Widerspruch mit bloßen Worten heute müssen wir weiterkommen: Zum Handeln, um dem rassistischen Terror und den Neonaziangriffen auf Alternative endlich Einhalt zu gebieten“, forderte ein Redner. „Antifaschistischer Selbstschutz ist lebensnotwendig, wie sich jetzt wieder einmal gezeigt hat.“ Anstatt leeren Lippenbekenntnissen gegen Rassismus und dem Herbeireden einer Gewaltspirale zwischen Links und Rechts müsse endlich wahrgenommen werden, dass die Gewalt von Rechts ausgeht und konsequentes antifaschistisches Engagement unterstützt werden, hieß es weiter. In den letzten Monaten hat es über 20 rechte Angriffe in Potsdam gegeben. Dem Opfer des aktuellen Angriffs wurde bei der Demo Solidarität ausgesprochen: „Wir hoffen, dass du durchkommst, wir wünschen dir das Beste.“ Die kurzfristig organisierte Demonstration verlief ohne Zwischenfälle — sie war geprägt vom Entsetzen über das Geschehene. Neben Antifas und Linksradikalen nahmen auch PDS- und Grünen-AnhängerInnen teil.
Die Polizei hat wegen des rassistischen Angriffs mittlerweile eine Sonderkommission mit dem Namen „Charlottenhof“ eingerichtet. Ermittelt wird wegen versuchten Mordes. Eine Belohnung für Hinweise, die zu den Tätern führen, wurde von der Staatsanwaltschaft ausgesetzt. Ein Taxifahrer, der Teile des Tathergangs beobachtete, beschrieb einen der beiden Angreifer gegenüber der Polizei als 1,70 bis 1,80 Meter groß, dunkel gekleidet und mit einer Kurzhaarfrisur, den anderen etwa zehn Zentimeter größer, von kräftiger Statur, mit Glatze und einer schwarzen Bomberjacke mit weißer Aufschrift bekleidet. Es sei möglich, dass es sich bei einer der beiden Personen um eine Frauen handele. Der Zeuge hatte erfolglos versucht, die beiden flüchtenden Täter aufzuhalten. Dem Opfer wurden auch rund 200 Euro Bargeld gestohlen.
Aus der Politik gab es am Montagabend erste Reaktionen: Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bekundete den Angehörigen seine „tiefe Anteilnahme“ und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nannte die Tat “verabscheuenswürdig”.