ORANIENBURG/HENNIGSDORF Die Tat ist ungeheuerlich: Ein 39-jähriger Hennigsdorfer provoziert mit einem 20-jährigen Schwarzafrikaner auf der Berliner Straße in Hennigsdorf einen Streit. Er pöbelt den Farbigen auf übelste Art und Weise an. Ein Streifenpolizist geht dazwischen. Der angetrunkene Hennigsdorfer lässt jedoch nicht locker. Er lauert dem Asylbewerber auf. Als der stark gehbehinderte Farbige vom Einkaufen zurückkommt, brüllt der Angreifer “Scheißneger” und schlägt seinem Opfer brutal ins Gesicht.
Wegen Körperverletzung und Beleidigung hat das Oranienburger Amtsgericht Michael Werner G. gestern zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Der arbeitslose Angeklagte ist vorbestraft. Er muss die Strafe absitzen.
“Die Tat zeugt von einer ganz erbärmlichen Gesinnung”, sagt der Staatsanwalt. Und er liest dem Angeklagten weiter die Leviten: “Sie haben sich den Schwächsten rausgesucht, einen Schwarzafrikaner und einen Behinderten. Zutiefst verachtenswert.” 15 Monate Freiheitsstrafe fordert er.
Der Nebenkläger geht noch einen Schritt weiter: Er spricht von einer klar “rassistisch motivierten Straftat”. Härte fordern beide von Richterin Christine Weiß.
Der Angeklagte, der einen langen Zopf trägt, ist weitgehend geständig. Zum Schluss stammelt er sogar eine Entschuldigung. Seit neun Jahren ist er arbeitslos und polizeilich bekannt. Wegen Förderung der Prostitution und eines Betäubungsmitteldelikts saß er bereits 15 Monate im Knast.
Am 21. Juni rastete er im vergangenen Jahr dann in Hennigsdorf wieder aus. Michael Werner G. hatte den ganzen Tag getrunken. Zur Tatzeit hatte er mindestens 2,37 Promille intus. Er ist mit dem Rad auf dem Weg nach Hause. In der Berliner Straße steuert er auf sein Opfer mit dem Rad direkt zu. Er zeigt ihm den Stinkefinger und pöbelt ihn grundlos an. Ein Revierpolizist geht dazwischen, versucht zu schlichten.
Das Opfer, Ibrahim Y., lebt seit vier Jahren im Hennigsdorfer Asylbewerberheim. Der 20-Jährige kommt aus Sierra Leone. Nach dem Streit auf der Straße kauft er in dem Penny-Markt an der Berliner Straße ein. Michael Werner G. überbrückt die Zeit in einem benachbarten Biergarten. Als Ibrahim Y. aus dem Supermarkt kommt, stürmt der Angreifer erneut auf ihn zu. Die Situation eskaliert. Michael Werner G. verpasst ihm zwei Schläge ins Gesicht. Die Polizei kann den Täter noch am selben Abend schnappen.
“Es gab viele Passanten, keiner kümmerte sich”, sagt das Opfer wortgewandt vor Gericht aus. “Wenn ich Deutscher gewesen wäre, hätte er mich nicht angegriffen”, ist Ibrahim Y. überzeugt. Und ein wenig versöhnlich: “Es gibt in Hennigsdorf viele nette Leute, nur wenige sind aggressiv und verbale Aggressionen halte ich auch aus.”