Königs Wusterhausen: Prozess gegen Neonazi-Bande hat begonnen
Am 28. April 2004 überfielen Neonazis 3 Bhutaner an der ARAL-Tankstelle in Königs Wusterhausen. Gestern stand der Hauptverdächtigen, Marcel Kindl(28) vor Gericht.
Marcel Kindl soll, wahrscheinlich unter Beteiligung von Jens Luchterhand(25), die drei asiatischen Männer in jener Nacht beschimpft, geschlagen, getreten und mit Flaschenwürfen zugesetzt haben. Dafür muss er sich nun vor dem Königs Wusterhausener Amtsgericht verantworten.
Jens Luchterhand, der bereits wegen eines anderen Deliktes in der JVA einsitzt, gab vor von den 3 asiatischen Männern provoziert worden zu sein. Doch das konnte Staatsanwältin Carmen Nickel nicht ganz nachvollziehen: “Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, dass diese drei ausländischen Bürger, die in dieser Nacht in deutlicher Minderzahl waren, eine Gruppe rechts aussehende Männer provozierten?”.
Am 16. August wird die Verhandlung mit der Vernehmung von drei weiteren Zeugen fortgesetzt.
KÖNIGS WUSTERHAUSEN Der Fall scheint klar und eindeutig zu sein, die Wahrheitsfindung dagegen ist es nicht. Gestern versuchten Staats- und Rechtsanwälte sowie das Gericht unter Richterin Heidrun Griehl im Amtsgericht von Königs Wusterhausen Licht in das Dunkel einer Tat zu bringen, die vor knapp einem Jahr nicht nur die Bürger in Königs Wusterhausen bewegte. Richterin und Schöffen müssen die Frage zweifelsfrei klären, ob der 28-jährige Angeklagte Marcel K. in mehreren Fällen Körperverletzungen und Misshandlungen an drei Ausländern unter Beteiligung einer unterbekannten Person begangen hat und zur Strafe verurteilt werden kann. Die Zeugenvernehmung erfolgt in Hindi, einer Sprache, für deren Übersetzung extra Dolmetscher Syed Sarwar Zahir aus Berlin anreisen musste und die die Urteilsfindung zusätzlich kompliziert.
Was passierte am 28. April 2004 nachts gegen ein Uhr an der Aral-Tankstelle in Königs Wusterhausen? Drei asiatisch aussehende junge Männer wollten in jener Sommernacht mehrere Flaschen Bier im Tankstellenshop kaufen und den Weg nach Hause antreten. Dieser Wunsch endete in einem Desaster und für zwei der Männer im Krankenhaus. Eine Gruppe augenscheinlich rechts gesinnter junger Leute fühlte sich durch das Erscheinen der drei Bhutaner gestört. Einer schlug und trat zu. Doch war es Marcel K.?
Zeuge Jens L. (25), er befindet sich derzeit wegen einer anderen Straftat in der JHV Brandenburg, sagte gestern: “Die drei Herren haben provoziert. Marcel wollte schlichten, dann flogen Flaschen. Wir haben die Flaschenwerfer verfolgt und die Polizei gerufen”. Die Folge sei gewesen, dass sich: Marcel K. selbst mit Schnittverletzungen am Kopf in Behandlung hätte begeben müssen. Er beschrieb den bulligen, 1,80 Meter großen Angeklagten ohne Schulabschluss, der in jener Nacht ein schwarzes T‑Shirt mit weißen Keltenkreuz, grüne Bomberjacke und abgeschnittene Bundeswehrhosen getragen haben soll, als leicht betrunken und ruhig. Es könne schon sein, dass K. gesagt habe: “Verpisst Euch, Ihr Kanaken! Aber: Die haben uns provoziert, indem sie da standen, ziemlich angetrunken waren und uns grinsend angeschaut haben”, so der Zeuge.
Die sind schon zum Teil seit knapp zehn Jahren in Deutschland. Ihnen sitzt die Angst im Nacken. “Jetzt kann ich nachts nicht mehr auf die Straße gehen. Ich habe Angst, Todesangst”, so der 25-Jährige, dem an jenem Abend im vergangenen August derart ins Gesicht geschlagen und in den Rücken getreten wurde, dass der Arzt im Achenbach-Krankenhaus unter anderem ein Nierenhämatom diagnostizieren musste. Staatsanwältin Carmen Nickel scharf zum Zeugen und Freund des Angeklagten: “Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, dass diese drei ausländischen Bürger, die in dieser Nacht in deutlicher Minderzahl waren, eine Gruppe rechts aussehende Männer provozierten?”
Doch die Identifizierung des Täters durch die drei Asiaten ist schwierig: “Ein 100-prozentiges Wiedererkennen ist nicht möglich”, so einer der Betroffenen. Aber die Gestalt stimme. Sein Bekannter dagegen bestätigte das nicht. “Es war dunkel, alles ging so schnell. Ich wollte nur weglaufen”. Staatsanwältin Nickel bei der mühsamen Befragung: “Wir sind aber hier, um Täter zur Verantwortung zu ziehen. Wir müssen die Tat genau beweisen können”. Und: Sei denn der Angeklagte mit seinem unsportlichen Äußeren überhaupt in der Lage, jemanden in Brust und Rücken zu treten? Am 16. August wird die Verhandlung mit der Vernehmung von drei weiteren Zeugen fortgesetzt.