Rathenow: „Bürgerbündnis“ plant Marsch durch die Stadt
An Versammlungen im Stadtgebiet von Rathenow nahmen heute mehrere hundert Menschen teil. Die Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ zog ungefähr 450 Versammlungsteilnehmer_innen, etwas weniger als letzte Woche. Die zivilgesellschaftliche Initiative „Rathenow zeigt Flagge“ zog mit ihrem Veranstaltungskonzept ungefähr 250 Menschen an, ebenfalls weniger als am vergangenen Dienstag. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Für den nächsten Dienstag wurde seitens des „Bürgerbündnisses Havelland“ eine weitere Kundgebung mit Demonstration durch die Stadt angekündigt. „Rathenow zeigt Flagge“ wird wahrscheinlich ebenfalls wieder präsent sein. Eine genaue Aktionsform steht zur Stunde aber noch nicht fest.
Bürgerbündnis polarisiert weiter
Die 450 Sympathisanten des „Bürgerbündnisses Havelland“, darunter wieder ungefähr 50 Neonazis, hatten sich, wie in der vergangenen Woche, wieder ab 18.30 Uhr auf dem Märkischen Platz versammelt. Sich dort einzufinden wurde zuvor u.a. wie Veranstaltungsseite in einem sozialen Internetnetzwerk sowie gedruckten und als Postwurfsendung verteilten Flyern kommuniziert. Gemäß Statement des „Bürgerbündnisses“ ging es bei der massiven Werbeaktion vor allem darum, mehr Versammlungsteilnehmer_innen anzulocken als in der Vorwoche. Die Zahl von 500, wie in der vergangenen Woche, wurde jedoch heute nicht erreicht. Auch die Stimmung war deutlich weniger euphorisch. Lediglich wenn die Redner_innen Begriffe, wie „Lügenpresse“, „Volksverräter“, „Merkel muss weg“ und „Wir sind das Volk“, in ihren Beiträgen nutzten, war eine mitreißende Atmosphäre erlebbar. Als Redner_innen traten heute hauptsächlich Christian Kaiser und Nico Tews auf. Des Weiteren wendeten sich eine Frau namens Susanne sowie ein älterer Herr an das versammelte Volk. Erstmals wurden vom „Bürgerbündnis Havelland“ auch Forderungen an die Politik gerichtet. Diese hatten hauptsächlich mit dem Thema Asyl zu tun. Unter anderem wurde ein Limit bzw. eine Höchstzahl für die Aufnahme von Flüchtlingen gefordert. Ansonsten wurde sich auch wieder von Nazis distanziert, ohne dass sich die Veranstalter_innen aber tatsächlich an ihre Worte gebunden sahen.
Neonazis verteilten Flyer für Demo des „Bürgerbündnisses“
Für die heutige Versammlung hatten nämlich auch wieder bekannte Neonazis mobilisiert. Der Nauener Kommunalpolitiker Maik Schneider (NPD) hatte beispielsweise im Vorfeld auf seiner öffentlich einsehbaren Seite in einem sozialen Internetnetzwerk verkündet „die Rathenower“ wieder „unterstützen“ zu wollen. Bereits in der vergangenen Woche sei, seinen Angaben zu Folge, „ein kleiner Trupp der Nauner NPD“ vor Ort gewesen. Dieser hatte dort mehrere Banner mit rassistisch motivierten Parolen gezeigt. Die Aktion sollte nun offenbar nicht nur planmäßig wiederholt werden, sondern auch noch mehr Gesinnungsgenoss_innen anlocken. Schneider dazu auf seiner Seite: „Dass es diesmal noch mehr Bürger werden die gegen dieses asoziale System demonstrieren, haben wir im Vorfeld hundert von Briefkästen in Nauen mit Infomaterial versehen.“ Als Fotobeweis für die Verteilaktion präsentierte Maik Schneider mit Infoflyern des „Bürgerbündnisses“ bestückte Briefkästen. Sollten die Fotos und seine Angaben dazu authentisch sein, sind dies klare Indizien für eine Zusammenarbeit zwischen dem „Bürgerbündnis Havelland“ und der NPD.Tatsächlich nahm heute auch wieder eine Delegation Neonazis aus Nauen an der Kundgebung des „Bürgerbündnisses“ teil. Diese hatten sich vor den Redner_innen mit Bannern präsentiert, schwenkten Fahnen oder waren als Ordner eingesetzt.
Neonazis als Ordner
Rathenower Neonazis waren übrigens ebenfalls auf der Kundgebung des „Bürgerbündnisses Havelland“ als Ordner erkenntlich, darunter der mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Peer D. Er saß mehrere Jahre in einer JVA ein, weil er sich u.a. mit weiteren Gesinnungsgenossen im Juni 2005 dazu verabredete, den Jugendclub in Premnitz anzuzünden. Des Weiteren hatte er 2008 einen Premnitzer Stadtverordneten der Linkspartei mit Reizgas angegriffen. Als Ordner wird D. offenbar trotzdem gerne genommen, nicht nur vom „Bürgerbündnis Havelland“. Auch bei Kundgebungen der NPD ist er öfter mit einer Ordnerbinde zu sehen.
„Rathenow zeigt Flagge“ sucht Dialog
Trotz des weiterhin sehr polarisierenden Charakters der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ sucht das zivilgesellschaftliche Aktionsbündnis „Rathenow zeigt Flagge“ weiter die Verständigung. Bewusst sei die Gestaltung der Kundgebung auf dem August-Bebel-Platz nicht als „Gegenveranstaltung“ beworben worden. Es würde weiter der Dialog gesucht. Vorurteile, Sorgen und Ängste, sollten, so die Veranstalter_innen, dadurch ausgeräumt werden. Es gab auf der Kundgebung auch die Möglichkeit, entsprechende Fragen oder Anregungen schriftlich und anonym zu stellen. An dem Motto: „Mein Rathenow, mit Herz statt Hetze“ hielt das Aktionsbündnis jedoch weiterhin fest, frei nach dem von Bürgermeister Ronald Seeger am heutigen Abend verwendeten Reim: „Mein Rathenow mit Herz und Verstand: bunt und tolerant“. Einfach über die andere Veranstaltung hinwegsehen und warten was da komme, wollten aber viele Menschen auch nicht. Vor allem junge Leute zeigten sich noch immer schockiert von der Versammlung des „Bürgerbündnisses Havelland“ am vorhergehenden Dienstag. Eine junge Frau, die sich als Maria vom „Laut und bunt“-Jugendiniative vorstellte, meinte: „Was ich da gesehen habe, erinnerte mich an Szenen die ich nur aus Dokumentationen und Geschichtsbüchern kenne.“ Und für sie noch schlimmer: „…dass da drüben Menschen stehen, die einmal Freunde waren, meine Ansichten teilten und jetzt diesem Blödsinn zujubeln“.Der Ohnmacht ergeben wollte sich die junge Frau jedoch nicht, vielmehr sei es sehe jetzt an der Zeit „zu handeln“ und „ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit sowie gegen Rassismus und Fremdenhass zu setzen“.
Klare Trennlinie zwischen Versammlungen
Nach dem es in der vergangenen Woche zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und Antifaschist_innen am Rande beider Veranstaltungen gekommen war, zeigte die Polizei heute massive Präsenz. Zwischen beiden Lager wurde nicht nur eine Polizeikette aufgestellt, sondern auch eine Sperre aus Fahrzeugen errichtet. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Auch die verbale Auseinandersetzung war deutlich abgeschwächter als in der vergangenen Woche.
Fotos: hier