INFORIOT In mehreren Städten Brandenburgs fanden an diesem Wochenende rassistische und flüchtlingsfeindliche Versammlungen statt. Dabei erreichen die Teilnehmer_innenzahlen, die sich bei den meisten Veranstaltungen im dreistellgen Bereich bewegen ein neues Höchstniveau. Während am Sonnabend in Brandenburg an der Havel “nur” 50 NPDlerInnen und SympathisantInnen eine Kundgebung abhielten, marschierten nach Polizeiangaben 700 RassistInnen in Lübbenau (Dahme-Spreewald) gegen Asylsuchende auf. Der folgende Artikel fasst die Ereignisse des Wochenendes zusammen.
Freitag: Cottbus, Senftenberg
NPD-Hetze in Cottbus
Erneut marschierte am Freitag, den 30. Oktober, die Brandenburger NPD in Cottbus-Sachsendorf auf. In üblicher Manier wurde im Vorfeld der Demonstration versucht die Parteinähe der Veranstaltung zu vertuschen. Mit einem Mobilisierungsvideo ohne Parteibezug sollte eine Eindruck des “bürgerlichen Protestes” erzeugt werden. Doch sowohl Video, als auch die RednerInnen vor Ort offenbarten klar, dass es sich um eine NPD Demonstration handelt. Auf der Demonstration, zu der schätzungsweise 300 Menschen zusammengefunden waren, redeten der Brandenburger NPD-Vize Ronny Zasowk, die Pressespecherin und Chefin der NPD Barnim-Uckermark Aileen Rokohl und die NPD Funktionärin Manuela Kokott. Ebenso sprach der rassistische Liedermacher Björn Brusak auf der Demonstration. Nach Schilderung des Bündnisses “Cottbus Nazifrei” soll ein beträchtiger Teil der DemonstrantInnen den Aufzug zum Ende hin verlassen haben. Auch konnte die Demonstration nicht das Potential an Menschen auffangen, die sich Wochen zuvor jeweils auf den Norma Parkplatz in der Boxberger Straße versammelt hatten. Bei den vorwiegend illegalen Ansammlungen kamen bis zu 400 BürgerInnen (Inforiot berichtete). Für den Cottbuser Raum scheint die NPD kein wirkliches Zugpferd der rassistischen Anti-Asyl-Bewegung zu sein. In zwei Wochen will die Partei erneut eine Demonstration in Cottbus abhalten. Laut Polizei wurde im Anschluss an die Demonstration eine Gruppe von DemonstrantInnen überprüft und zwei davon in Gewahrsam genommen. Sie sollen zuvor lautstark “Heil Hitler” skandiert haben.
BraMM-Aufmarsch in Senftenberg zeitweise blockiert
Die Gegenproteste an dem Freitagabend verlagerten sich eher in das benachbarte Senftenberg. Dort hatte der Brandenburger PEGIDA Ableger, die “Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung” (BraMM) zu einer Demonstration mit dem Motto “Es hat sich Ausgemerkelt” aufgerufen. Knapp 200–250 Menschen nahmen an dem Aufzug teil. Etwa 300 Gegendemonstrat_innen nahm an mehreren Gegenveranstaltungen teil. Auf den Kirchplatz hatten sich Vertreter_innen verschiedenster Organisationen und Parteien versammelt. Auf dem Neumarkt fand eine weitere Kundgebung statt. Zum Beginn der Demonstration formierte sich eine Menschenblockade in der Bärengasse und zwang so den BraMM-Aufzug zum Stopp. Ihre Demonstration konnte BraMM jedoch trotzdem durch die Stadt führen.
Unterstützung aus Sachsen
Auf der Demonstration redete der BraMM-Chef und Vorsitzende der Freiheitlichen Liga e.V., Haiko Müller. Weitere Gastredner aus Sachsen kamen außerdem zu Wort. Unter anderem sprach Engelbert Merz aus Hoyerswerda, der für das Bürgermeisteramt im sächsischen Bautzen kandidiert hat. Merz war bis 2011 Mitglied der CDU und gründete 2013 in Hoyerswerda die Kleinstpartei “die Alternativen”. Zur Bundestagswahl wurde die Partei nicht zugelassen. Anderthalb Jahre später kandidierte er im Kreis Bautzen–Hoyerswerda–Kamenz und erlang 2.000 Stimmen, was einem Anteil von 1,3% der Wähler_innenstimmen entsprach. Anfang 2014 gründete er mit weiteren MitstreiterInnen den Verein “Mündige Bürger”, für den er als Bürgermeisterkandidat in Bautzen antrat. Er ist Anhänger der islamfeindlichen PEGIDA-Bewegung. Laut der Sächsischen Zeitung (SZ) soll er seit Oktober 2014 regelmäßig an den Aufmärschen in Dresden teilnehmen. In Bautzen trat er in Vergangenheit als Hauptredner der asylfeindlichen PEGIDA-Demonstrationen auf.
AfD-Offensive in Südbrandenburg
Am 27. November will BraMM erneut eine Demonstration in Senftenberg durchführen. Zufällig will auch die AfD eine Veranstaltung am selben Tag in Senftenberg abhalten. Zu dem wollen die RechtspopulistInnen am kommenden Mittwoch, den 4. November, eine Anti-Asyl-Demonstration in Cottbus durchführen. Als Zugpferd ist der Brandenburger Fraktionsvorsitzende und Bundes-Vize Dr. Alexander Gauland angekündigt. Gegen die AfD-Demonstration in Cottbus hat sich breiter Protest formiert. Die Bündnisse “Cottbus Nazifrei” und “Cottbuser Aufbruch” wollen unter dem Motto “Herz statt Hetze” mit vielfältigen Aktionen ein positives Zeichen setzen. Vom Heronplatz soll eine Demonstration abgehalten werden, die am Altmarkt und dem Oberkirchplatz, wo weitere Veranstaltungen stattfinden, Halt machen soll.
Samstag 270 Neonazis in Bad Freienwalde gegen Geflüchtete
Am Samstag, den 31.Oktober, demonstrierten etwa 270 RassistInnen gemeinsam mit den neonazistischen Parteien NPD und Die Rechte unter dem Motto „Ostbrandenburg erwacht! Für den Schutz unserer Heimat und Werte — gegen die unkontrollierte Masseneinwanderung“ gegen die Entstehung von Asylunterkünften in Bad Freienwalde (Märkisch-Oderland). Auf der Facebookseite „Brandenburg erwacht”, wurde, wie bereits zu der Neonaziveranstaltung vor zwei Wochen in Wriezen, zur überparteilichen Versammlung auf dem Marktplatz in Bad Freienwalde aufgerufen. Am 8. und 21. November sollen weitere Proteste stattfinden.
Überparteilich = NPD, Die Rechte und AfD
Als RednerInnen traten der Anmelder Lars Günther, der NPD ?ler Andrew Stelter, NPD-Funktionärin Manuela Kokott und NPD-Landeschef Klaus Beier. Zwar stellte sich Letzterer als Vertreter einer „deutschfreundlichen Partei“ und nicht explizit der NPD vor, um den „überparteilichen“ Charakter der Versammlung zu unterstreichen, dennoch waren anhand der OrdnerInnen, RednerInnen, Plakaten und Fahnen die politische Parteinahme für NPD und Die Rechte deutlich: Neben Neonazis aus der Region, wie Robert Gebhardt (Die Rechte MOL), Rene Herrmann (Zentralversand, Die Rechte), Jan-Paul Jäpel (ex-Freie Nationalistischen Uckermark) oder Kai Hasselmann (Klänge des Blutes) waren auch Gesine und Ronny Schrader als VertreterInnen von Die Rechte Berlin vor Ort. Unter den VersammlungsteilnehmerInnen befanden sich neben den genannten ParteiaktivistInnen von NPD und Die Rechte insbesondere viele AnwohnerInnen. Außerdem nahm an der Versammlung der Brandenburger AfD-Pressesprecher Detlev Frye mit drei weiteren älteren Männern teil.
Der übliche rassistische Stumpfsinn
Anmelder Lars Günther aus Berlin, der bereits in seiner Heimatstadt in Wriezen die Veranstaltung angemeldet hatte, schwadronierte in seiner Rede vom Schutz der „Existenz unseres Volkes und unserer deutschen Kinder“, in Anlehnung an die sogenannten 14 Words — das rassistische Bekenntnis des US-amerikanischen Neonazis David Lane. Außerdem lobte Günther die Abschottungspolitik des ungarischen Präsidenten Victor Orbán.
Die Reden von allen vier Neonazis waren insgesamt einfallslos, gespickt mit den immer wieder gleichen falschen Behauptungen und dem gleichen rassistische Sprech, der vielerorts in Brandenburg zu hören ist. Die Menge jubelte zur Hetze gegen Politik, Geflüchtete und Demokrat_innen, die von den Neonazis spottend als „Gutmenschen“ bezeichnet wurden. Kokott ließ keinen Zweifel daran, dass sich ihre Ablehnung der Asylpolitik gegen alle Geflüchteten richte. So meinte sie in ihrem Redebeitrag, dass es sich bei den Flüchtlingen ohnehin nicht um politisch Verfolgte, sondern um „Illegale Einwanderer und Asylschmarotzer“ handele. Klaus Beier, der als letzter Redner auftrat, rief die Polizei auf an die Grenzen zu fahren und diese zu sichern, denn er meinte an die anwesende Polizei gerichtet: „hier werden Sie nicht gebraucht, wir sind friedlich“.
Vor der Kirche, gegenüber des Marktplatzes, sammelte sich der Gegenprotest aus etwa 100 Menschen aus Stadtpolitik, Kirche und antirassistischen Initiativen. Die Versammlungen, die vom Bürgermeister angemeldet worden war, übertönte zeitweise die Neonaziveranstaltung mit lauter Musik und Redebeiträgen.
NPD floppt in Brandenburg an der Havel
Die teilnehmerInnenschwächste Versammlung fand am Sonnabend in Brandenburg an der Havel statt. Ungefähr 50 NPDlerInnen und vermeintliche SympathisantInnen hielten eine Kundgebung “gegen Asylbetrug” am Neustädtischen Markt ab. Zu dem wurde die Kundgebung von “freien Kräften” und MitgliederInnen der Kleinstpartei “III.Weg” unterstützt. Als Redner auf der Kudngebung traten auf der Rathenower NPD Stadtverodnete und Chef des Kresiverbandes Havel-Nutze Michel Müller und das Bad Belziger Stadtverordnete André Schär auf. Zur Gegenkundgebung versammelten sich hingegen knapp 200 Bürger_innen und Antifas.
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Blau-braune Allianz in Lübbenau
In Lübbenau hielten knapp 700 Menschen eine asylfeindliche Demonstration ab. Zur Veranstaltung hatte der Afd-nahe Verein “Zukunft Heimat e.V.” aufgerufen. An der Demonstration nahmen eine Vielzahl prominenter AfD-Funktionäre, darunter Andreas Kalbitz und Jens-Birger Lange teil. Lange kandidierte am 11. Oktober für das Amt des Landrates in Dahme-Spreewald und erzielte mit 22,9% das zweitbeste Ergebnis. Auch die NPD-Jugendorganisationen, die Jungen Nationaldemokraten (JN) Brandenburg und zahlreiche weitere Neonazis nahmen an dem Aufzug teil. Lokale Szenekenner_innen gehen davon aus, dass die Initiative “Zukunft Heimat e.V.” und die Veranstaltung stark durch die ehemaligen Mitglieder der “Widerstandbewegung Südbrandenburg” geprägt sein soll.
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Sonntag: Neonazis mit mehr Zulauf in Frankfurt (Oder)
Zum 1. November riefen erneut Neonazis der Gruppierung „Frankfurt/Oder wehrt sich“ zu einer Demonstration unter dem Motto „Stopp dem Asylwahn“. Für die Frankfurter extrem Rechte um den inzwischen in Beeskow wohnenden Peer Koss war es bereits die sechste Versammlung in diesem Jahr. Unterstützt wurde sie dabei von Anfang an vom extrem rechten „III. Weg“, aber auch von der NPD. Das Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ mobilisierte gegen den Aufmarsch.
Wieder mehr Neonazis auf der Straße
Die Demonstration der Neonazis sollte, wie bereits bei ihrem Aufmarsch im April, an der Strassenbahnhaltestelle „Stadion“ starten und von dort in die Innenstadt ziehen. Die Mobilisierung war damals wegen erneut angekündigter Proteste recht kurzfristig angekündigt worden und konnte nur 55 Neonazis auf die Strasse bringen. Auch sonst nahm die Teilnehmendenzahl seit dem ersten Aufmarsch am 17. Januar kontinuierlich ab und lag bei ihrer letzten Kundgebung am 3. Oktober bei nur noch 40. Diesmal konnten jedoch deutlich mehr Personen mobilisiert werden. Insgesamt nahmen an dem Aufmarsch knapp 150 Personen teil. Darunter waren neben Neonazis aus verschiedenen Teilen Brandenburgs auch erstmals seit Februar wieder eine erkennbare Zahl an sogenannten „besorgten BürgerInnen“. Auch die Anzahl der jugendlichen TeilnehmerInnen war auffallend hoch gewesen. Die Partei „Die Rechte“ um Robert Gebhardt aus Bad Freienwalde bildete einen eigenen Block. „Der III. Weg“ und die NPD waren ebenso personenstark vertreten.
Die Demonstration startete kurz nach 15 Uhr und zog über die Walter-Korsing-Straße und Paul-Feldner-Straße vorbei an der Arbeitsagentur auf die Logenstraße ins Stadtzentrum. Anders als vorher befürchtet, war das Ziel der Demonstration nicht die geplante Unterkunft für geflüchtete Familien am Karl-Ritter-Platz am nördlichen Rand der Innenstadt, sondern der Vorplatz des Kaufland-Einkaufszentrum, auf dem sich bei den letzten extrem rechten Veranstaltungen immer die Gegendemonstrierenden versammelt hatten. Anheizer der Neonazis war erneut der Finkenheerder Björn Brusak, der gegen Geflüchtete und die sog. “Lügenpresse” hetzte. Am zweiten Mikrofon stimmte eine Frankfurter Fleischerverkäuferin die Menge mit „Kriminelle Ausländer raus“ ein und ergänzte „und die Anderen hinter her“. Am Rande wurden dabei immer wieder Pressevertreter_innen bedroht und gegen die Regionalzeitung „MOZ“ gehetzt, während zeitgleich die rassistische Menge „Pressefreiheit“ fordere.
Auf dem Kaufland-Vorplatz fanden an diesem Tag die einzigen inhaltlichen Beiträge der Neonazis statt. Neben Hauptredner Björn Brusak standen erneut Manuela Kokott (NPD) und Pascal Stolle („III. Weg“) am Mikrofon. Ein weiterer Redner, vermutlich ebenfalls vom „III. Weg“, hetzte in einer kurzen Rede gegen Geflüchtete. Auch sonst unterschieden sich die Reden inhaltlich kaum voneinander. Hetze gegen Geflüchtete, die Bundesregierung sowie Beleidigungen in Richtung der Gegendemonstrierenden, garniert mit ein paar verschwörungsideologischen Elementen in Brusaks Beitrag, sind die Quintessenz der Reden. Im Anschluss zogen die Neonazis weiter zum Hauptbahnhof, wo sie ihre Demonstration kurz nach 17 Uhr beendeten.
Zulauf zu Gegenprotest stagniert
Zu der Kundgebung des Bündnis „Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)“ am Oderturm versammelten sich ab 14 Uhr etwa 200 Antifaschist_innen, darunter auch der Oberbürgermeister, der zu einem friedlichen Miteinander und Protest gegen Neonazis aufrief. Am Rande provozierte der einschlägig vorbestrafte Neonazi Sven Lemke mit zwei Begleitern den Protest gegen ihren Aufmarsch. Aufmerksame Antifaschist_innen vertrieben die Rechten, die sich anschließend hinter Polizeikräften versteckten. Lemke erstattete zudem Anzeige wegen Körperverletzung.
Wie in anderen Städten, die mit regelmäßigen rassistischen Aufmärschen in den letzten Monaten konfrontiert sind, stagniert ebenso in der Oderstadt die Anzahl der Gegendemonstrierenden. Waren am 17. Januar, beim ersten Aufmarsch von „Frankfurt/Oder wehrt sich“, noch 700 Menschen gegen Neonazis auf der Straße gegangen, konnten bei den folgenden Aufmärschen immer weniger Leute mobilisiert werden. So sind Blockaden, zu denen das Frankfurter Bündnis immer wieder aufruft, kaum noch möglich. Die Brandenburger Polizei war in Frankfurt mit einem Großaufgebot vor Ort um mögliche Auseinandersetzungen zu verhindern. Sogar ein Hubschrauber war im Einsatz. Über die Pressestelle waren, wie üblich, keine Informationen zum Einsatz zu erfahren.
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