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Antifaschismus

Rathenow: Prozessauftakt gegen NPD Stadtrat

Michel Müller während einer NPD Kundgebung am 31. Oktober 2015 in Brandenburg an der Havel. Damals verurteilte er gewaltverherrlichende Slogans der Gegendemonstrant_innen. Heute stand Müller selber wegen einer Gewalttat vor Gericht.
Michel Müller während ein­er NPD Kundge­bung am 31. Okto­ber 2015 in Bran­den­burg an der Hav­el. Damals verurteilte er gewaltver­her­rlichende Slo­gans der Gegendemonstrant_innen. Heute stand Müller sel­ber wegen ein­er Gewalt­tat vor Gericht.

Am Vor­mit­tag musste sich der Rathenow­er NPD Stad­trat Michel Müller vor dem Amts­gericht Rathenow wegen des Tatvor­wur­fes der Kör­per­ver­let­zung ver­ant­worten. Die ihm zur Last gelegte Straftat erfol­gte, nach bish­eri­gen Erken­nt­nis­sen, allerd­ings außer­halb sein­er poli­tis­chen Betä­ti­gung. Detail­liert wird Müller vorge­wor­fen, am späten Abend des 7. Dezem­ber 2014 in einem Restau­rant in Rathenow, grund­los auf den Zeu­gen T. los­ge­gan­gen zu sein und ihn dabei erhe­blich ver­let­zt zu haben.
Gewalt­tat nach Zechtour
Dies räumte der Angeklagte in ein­er von seinem Recht­san­walt ver­lese­nen Erk­lärung im Wesentlichen auch ein, eine genaue Erin­nerung an die Tat stritt er allerd­ings, auf Grund eines ange­blich hohen Alko­holpegels, aber ab. Daraufhin bat der Richter um eine detail­lierte Angabe zum Alko­holkon­sumam Tattag. Der Angeklagte Müller gab an, am Vor­mit­tag des 7. Dezem­ber 2014 gemein­sam mit vier oder fünf weit­eren Per­so­n­en, an die genaue Anzahl könne er sich nicht erin­nern, nach Berlin zu einem Fußball­spiel des BFC Dynamo, gefahren zu sein. Auf dem Weg dor­thin habe er bere­its mit seinem Bekan­nten P. eine 1,5 Liter Flasche Wod­ka- Cola- Gemisch getrunk­en. Er gab an, für diese erste Mis­chung unge­fähr 600ml Wod­ka ver­wen­det zu haben. Auf die Frage, wo genau in Berlin dieses Spiel stattge­fun­den habe, sagte Müller, er könne sich nicht genau daran erin­nern, er sei seinen Fre­un­den nur hin­ter­her gelaufen. Weit­er gab Müller zu Pro­tokoll, dass das Spiel bis ca. 15 Uhr ging. Auf dem Weg zur U- oder S- Bahn, da war er sich auch nicht mehr ganz sich­er, haben er und sein Begleit­er P. in einem Super­markt eine weit­ere Flasche Wod­ka gekauft und diese auf dem Weg zum Span­dauer Wei­h­nachts­markt getrunk­en. In Span­dau angekom­men, liefen Müller und P. ihre „üblichen Sta­tio­nen“ ab. Zuerst gön­nten sie sich mehrere Bech­er Feuerzan­gen­bowle, er schätzt 2- 3 Stück. Dann gin­gen sie in den näch­sten Super­markt, um sich eine weit­ere Flasche Wod­ka zu kaufen und diesen dann mit Glüh­wein zu mis­chen. Müller erzählte weit­er, dass die Gruppe dann mit dem let­zten Zug nach Rathenow gefahren sein. Zuvor habe man sich aber am Bahn­hof vor der Abfahrt noch eine Flasche Wod­ka gekauft. In Rathenow angekom­men, sollte die Zech­tour dann in einem Restau­rant am Schwe­den­damm weit­erge­hen. Müller gab an, dass er nicht mehr wüsste, wie sie dort hingekom­men sind. Jedoch sei er sich sich­er, dass ihn jemand gefahren haben muss, da der Weg zu Fuß sehr weit sein. Müller wüsste aber nicht mehr ob sie mit einem Taxi gefahren sind. Daraufhin hak­te der Richter ein und fragte, ob er sich wirk­lich sich­er sei, dass er Gedächt­nis­lück­en habe. Müller bejahte dies. Er könne sich auch nicht mehr daran erin­nern, ob er am Schwe­den­damm weit­er getrunk­en hätte. Laut ein­er Zeu­ge­naus­sage wurde Müller aber mit Bier in der Hand gese­hen. Anschließend fuhr der Angeklagte mit sein­er Ein­las­sung fort. Müller erzählte, dass er seinen Fre­und B. mit dem später Geschädigten ste­hen sah. Bei­de sollen sich über eine gemein­same Ex-Fre­undin unter­hal­ten haben. Müller stellte sich dazu. Er gab an, dass eine anges­pan­nte Stim­mung herrschte. Kurz nach­dem Müller hinzukam, ver­ließ B. die Runde. Der Angeklagte glaubt sich dies­bezüglich zu erin­nern, dass es nun eine „Rangelei“ mit dem Betrof­fe­nen T. gegeben hat­te und er dann irgend­wann auf ihm lag. Auch hier betonte Müller, das ihm das Geschehene ange­blich wahnsin­nig Leid täte, „eigentlich.“ Kor­rigierte sich dann aber in „nicht eigentlich, es tut mir leid.“ Weit­er­hin sagte er, dass es „ein Rumge­fuch­tel bei­der­seits gegeben haben soll, „aber nicht wie ein Boxkampf.“ „Das ich ihn an den Armen fest­ge­hal­ten habe, ich kann‘s nicht genau sagen […] klingt merk­würdig, aber ich weiß nur noch, dass mich mein Nach­bar nach Hause gefahren hat“, so der Angeklagte weit­er. Abschließend bekräftigte Müller, nach der Tat mit dem Betrof­fe­nen T., welchen er nach eigen­er Aus­sage zuvor nicht gekan­nt haben will, Kon­takt aufgenom­men zu haben. Der Angeklagte soll sich entschuldigt und Schadenser­satz ange­boten haben.
Betrof­fen­er mit Gesichts- und Oberkörperverletzungen
Nach der Ein­las­sung des Angeklagten kam auch der Betrof­fene als Zeuge zu Wort. T. gab an Müller bis zum Tatzeit­punkt nicht gekan­nt zu haben. Auch er berichtete zunächst von dem Gespräch mit B. und das der Angeklagte später dazu kam. Dann ging B. und die Sit­u­a­tion eskalierte. Müller soll dann ohne ersichtlichen Grund zu geschla­gen haben. Den ersten Schlag kon­nte der Betrof­fene T. aber abwehren. Der zweite soll ihn dann so ins Gesicht getrof­fen haben, dass er stürzte. Müller drehte sich dann um und soll wohl wieder die Absicht gehabt haben in das Restau­rant zu gehen. Als dem Angeklagten aber gewahr wurde, dass sein Opfer wieder ver­suchte auf zuste­hen, stürzte er sich erneut auf den Betrof­fe­nen und schlug weit­er auf ihn ein. Der Kon­flikt wurde erst durch das Ein­greifen eines Bekan­nten von T. und ein­er Kell­ner­in aufgelöst. Der Betrof­fene gab an, durch die gewalt­täti­gen Hand­lun­gen des Angeklagten erhe­blich ver­let­zt wor­den zu sein. Er sagte aus, dass Müller ihm die Quer­fort­sätze 2- 4 gebrochen, eine Rip­pen­prel­lung erlit­ten sowie mehrere Ver­let­zun­gen im Gesicht zuge­fügt habe.
Einige Wochen nach der Tat soll sich der Angeklagte allerd­ings bei dem Zeu­gen entschuldigt haben. Müller habe T. dies­bezüglich zu Hause aufge­sucht. Der Angeklagte hat­te den Betrof­fe­nen in diesem Rah­men darauf hingewiesen, dass im Falle ein­er Ver­hand­lung und ein­er Verurteilung zu Schadenser­satz, kein Geld von ihm zu erwarten wäre, da er ange­blich selb­st nichts besitze. Soll­ten sie sich aber außerg­erichtlich eini­gen bot Müller T. an, die „Sache“ über seine Ver­sicherung laufen zu lassen. Der Betrof­fene hat­te für der­ar­tige Vorschläge jedoch kein Ver­ständ­nis. „Der ange­botene Ver­sicherungs­be­trug ist nachträglich eine Ohrfeige gewe­sen und hat die Entschuldigung zunichte gemacht“, so T. heute vor Gericht. Müller saß nun in der Klemme. Sein Recht­san­walt ver­suchte daraufhin Wider­sprüche in T. Aus­sage her­auszuar­beit­en. Auf die Frage des Vertei­di­gers, warum T. seinen Man­dan­ten bei der ersten Gegenüber­stel­lung nicht erkan­nt und iden­ti­fiziert habe, gab dieser an, bei der Gegenüber­stel­lung aus Angst vor Müller vor ein­er ein­deuti­gen Benen­nung des Angeklagten Abstand genom­men zu haben. Der Zeuge hat­te sich nach der Tat im Inter­net über Michel Müller kundig gemacht und habe auf Grund dessen Strafreg­is­ter, welch­es öffentlich ersichtlich sei, Furcht vor Müller bekommen.
Den Ein­druck das Müller während der Tat stark alko­holisiert war hat­te T. übri­gens nicht. Der Zeuge verneinte, auf Nach­frage des Richters, und gab an, dass er lediglich den Ein­druck hat­te, dass der Angeklagte leicht angetrunk­en sei.
Anschließend fol­gte ein internes Rechts­ge­spräch zwis­chen Recht­san­walt, Richter und Staat­san­walt unter Auss­chluss der Öffentlichkeit.
Ein weit­er­er Zeuge brachte keine neuen Erken­nt­nisse. Die eben­falls als Zeu­g­in vorge­ladene Kell­ner­in war nicht erschienen.
Abschließend entsch­ied der Richter, dass der Ter­min der Hauptver­hand­lung aus­ge­set­zt wird und ein Sachver­ständi­gengutacht­en erstellt wer­den soll, um die Frage nach dem min­i­malen bzw. max­i­malen Alko­holisierungs­grad des Angeklagten zu tre­f­fen. Der neue Ver­hand­lung­ster­min soll von Amtswe­gen bekan­nt gegeben wer­den und nicht mehr in diesem Jahr stattfinden.
Angeklagter ein­schlägig vorbestraft
Der Angeklagte Müller ist bere­its wegen mehrerer Gewalt­de­lik­te und einem Gewaltver­brechen vorbestraft.
Am 29. Juli 1999 wurde er vom Amts­gericht Rathenow zu ein­er Frei­heitsstrafe von 6 Monat­en, aus­ge­set­zt zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Diesem Urteil liegt eine Auseinan­der­set­zung mit linken Jugendlichen am let­zten Okto­ber­woch­enende 1998 zu Grunde. Der Angeklagte Müller hat­te dabei mit einem Motor­rad­helm auf den dadurch Geschädigten eingeschlagen.
Am 3. Dezem­ber 2002 wurde Michel Müller erneut wegen Gewalt­tat­en verurteilt. Das Landgericht Pots­dam ver­hängte damals eine Gesamtju­gend­strafe von drei Jahren und sechs Monat­en, ohne Bewährung, gegen ihn. Müller hat­te sich zum einen an ein­er Het­z­jagd gegen pak­istanis­che Asyl­suchende beteiligt, die später von unbekan­nt gebliebe­nen Täter_innen zusam­mengeschla­gen und schw­er ver­let­zt wor­den. Das Gericht erkan­nte hierin eine Bei­hil­fe zum ver­sucht­en Mord in Tatein­heit mit gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung. Tattag war der 01. Jan­u­ar 2000. Zum anderen hat­te sich Müller an einem Fall bru­taler Selb­stjus­tiz beteiligt. Dabei wurde einem mut­maßlichen Schutzgelder­press­er aufge­lauert und dieser in der fol­gen­den Auseinan­der­set­zung von Michel Müller und anderen Tätern am 24. Feb­ru­ar 2001 zusam­mengeschla­gen. Das Gericht sah hierin eine Nöti­gung in Tatein­heit mit gefährlich­er Körperverletzung.
Poli­tis­ch­er Back­ground des Angeklagten 
Michel Müller gilt als Drahtzieher für flüchtlingsfeindliche Hetze im Landkreis Havelland. In den 2000er Jahren saß er u.a. wegen einer Hetzjagd auf Asylsuchende mehrere Jahre im Gefängnis. Seit Oktober 2015 ist er auch regelmäßig, wie hier am 8. Dezember 2015, an Aufzügen des flüchtlingsfeindlichen “Bürgerbündnisses Havelland” beteiligt.
Michel Müller gilt als Drahtzieher für flüchtlings­feindliche Het­ze im Land­kreis Havel­land. In den 2000er Jahren saß er u.a. wegen ein­er Het­z­jagd auf Asyl­suchende mehrere Jahre im Gefäng­nis. Seit Okto­ber 2015 ist er auch regelmäßig, wie hier am 8. Dezem­ber 2015, an Aufzü­gen des flüchtlings­feindlichen “Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land” beteiligt.

Obwohl die heute ver­han­delte Straftat offen­bar keinen poli­tis­chen Hin­ter­grund hat­te, wurde durch die Ver­hand­lung doch offen­sichtlich, in welchem Milieu sich der Angeklagte nach wie vor bewegt. Müllers Fre­unde P. und B. gehörten, genau wie er sel­ber, der 2005 ver­bote­nen Kam­er­ad­schaft „Hauptvolk“ an. P. war, vor dem Ver­bot, sog­ar der let­zte Domain­in­hab­er der Inter­net­präsenz dieser Vere­ini­gung. Des Weit­eren ist der BFC Dynamo für neon­azis­tis­che Zwis­chen­fälle eines Teiles sein­er Anhänger_innen berüchtigt. Im Havel­land existiert zum Beispiel die lose neon­azis­tis­che „Fan“-Gruppierung „BFC Hooli­gans Rathenow / Prem­nitz, zu der auch der Angeklagte gehören soll. Darüber hin­aus ist Michel Müller mit­tler­weile auch lan­desweit für die NPD aktiv. So sitzt er als „Organ­i­sa­tion­sleit­er“ im Bran­den­burg­er Lan­desvor­stand der Partei, sowie darüber hin­aus noch als Abge­ord­neter in der Rathenow­er Stadtverord­neten­ver­samm­lung und im Kreistag Havel­land. Des Weit­eren gilt er als ein­er der Drahtzieher der aggres­siv­en „Anti-Asyl“-Proteste in der Region. An den flüchtlings­feindlichen Ver­samm­lun­gen des „Bürg­er­bünd­niss­es Havel­land“ nahm er auch regelmäßig teil.

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