RATHENOW Aus Mangel an Beweisen wurde gestern ein Verfahren am Rathenower Amtsgericht eingestellt. Angeklagt war Christopher Nsoh, 33-jähriger Asylbewerber aus Kamerun. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute in Berlin Wohnenden vor, auf einer Pressekonferenz am 29. August 2000 zwei Polizistinnen verleumdet zu haben.
Viele werden sich an die Ereignisse jener Tage erinnern, sie sorgten bundesweit für Aufsehen. Am 25. August waren der britische Fotoreporter Justin Jin und drei afrikanische Asylbewerber aus Rathenow (darunter Christopher Nsoh) von einem damals 21-jährigen Rathenower in der Bahnhofstraße mit ausländerfeindlichen Sprüchen beleidigt und mit einem Pflasterstein bedroht worden. In einem Schnellprozess wurde der Täter wenige Tage später zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Das, was gestern vor dem Amtsgericht verhandelt wurde, hatte sich im Schatten dieses Vorfalls abgespielt. Auf einer Pressekonferenz zu den Geschehnissen am 29. August 2000 hatte Christopher Nsoh die beiden Polizistinnen, die zu dem Einsatz gerufen worden waren, beschuldigt, das Opfer des Angriffs, den Fotografen Justin Jin, rüde und respektlos behandelt zu haben. Diese Vorwürfe hatten die Beamtinnen sowie die Leitung des Oranienburger Polizeipräsidiums weit von sich gewiesen und gegen Nsoh Anzeige wegen Verleumdung erstattet.
In der vom Staatsanwalt vorgetragenen Anklageschrift hieß es, Nsoh habe die Beamtinnen beschuldigt, den Fotografen Jin “mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen” in das Polizeiauto gedrängt zu haben. Als Beweis hatte die Staatsanwaltschaft einen Fernsehbeitrag des ORB über die besagte Pressekonferenz angefordert. Ein Beitrag, dessen Aussagekraft — so stellte es sich nach der Vorführung im Gerichtssaal heraus — allerdings gegen Null tendiert.
Zwar spricht der Reporter in dem Film von besagten “zusammengebundenen Händen”. Es ist aber nicht nachweisbar, ob es sich dabei um eine wörtliche Übersetzung der in Englisch geäußerten Vorwürfe Nsohs oder vielmehr eine freie Interpretation des Journalisten handelte.
Nsoh selbst bestritt diesen Wortlaut. Jin sei am Arm gepackt und ins Auto gedrückt, aber nie gefesselt worden, sagte er. Nsohs Verteidiger beschuldigte die Staatsanwaltschaft, mit unzulänglichen Beweismitteln operiert zu haben. Für den Vorwurf der “zusammengebundenen Hände” gebe es nicht den geringsten Anlass. Der Kern der Anklage sei damit nichtig. Dass die Polizeibeamtinnen sich an besagtem Abend nicht korrekt verhalten hätten, sei in einem anderen Verfahren übrigens bereits geklärt worden.
Das Gericht stellte das Verfahren wegen Mangels an Beweisen ein und legte fest, dass die Landeskasse die Verfahrenskosten zu tragen habe.