(WELF GROMBACHER, MAZ) Um beim renommierten World-Press-Fotowettbewerb in Amsterdam zu gewinnen, muss ein Fotograf normalerweise Bilder aus dem Krieg oder aus einem Krisengebiet einreichen. Giorgio Viera hat in Mexico seine Nachbarin fotografiert und damit im vergangenen Jahr den zweiten Preis geholt. Mit einer Haschischzigarette im Mund liegt das Mädchen auf dem Dach einer Blechhütte vor dem Panorama der umliegenden Slums. Stoned. Die Aufnahme hängt jetzt zusammen mit 26 weiteren im Schaufenster der Fachhochschule Potsdam (FHP), wo die Ausstellung “Kuba — Mexiko: Parallelwelten” zu sehen ist.
Die Fotoschau bildet den Auftakt zum “Festival contre le racisme” (Festival gegen den Rassismus), das seit einigen Jahren dezentral an unterschiedlichen Orten in Europa gefeiert wird, und in diesem Jahr in Potsdam mit dem Hochschulsommerfest kombiniert ist. Neben dem traditionellen Open Air am kommenden Sonnabend mit Sazon, Knorkator und Freygang vor dem Neuen Palais wird es so eine Reihe anderer Veranstaltungen geben. Im Schaufenster der FHP findet heute um 20 Uhr zum Beispiel ein Vortrag über Migrationspolitik an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, morgen um die gleiche Zeit ein Länderabend über Kamerun statt.
Die Fotos des 1972 auf Kuba geborenen und seit fünf Jahren in Mexiko lebenden Giorgio Viera bilden dabei eine stimmige Kulisse. Aufnahmen aus drei Bilderzyklen sind zu sehen, alle in den vergangenen sechs Jahren entstanden: Da ist der alte Mann, der dem Betrachter den Rücken zuwendet und am Fenster seiner Hütte steht, aus der in Kuba entstandenen Serie “Glückliche Bauern”. In der Hängematte baumelt die Gitarre, ein Beweis seiner Lebensfreude.
Und da ist der Indio, der einen Hahn unter verschränkten Armen hält, während ihm seine Frau über die Schulter lugt, aus der Serie “Im Schatten des Kreuzes”. Oder die beiden mexikanischen Jungs aus der Serie “Rebellisches Gebiet”, die zusammen an einer selbst gebauten Wasserpfeife ziehen. Moderne Genreszenen aus einer Welt der Armen. Ihre Bewohner lehnen sich auf gegen Fortschritt, Zukunft, suchen ihr Heil im Glauben.
Giorgio Viera, der viele Jahre als Fotojournalist gearbeitet hat, richtet das Objektiv seiner Leica immer auf die Menschen. “Die besten Aufnahmen macht man, wenn man eine Zeit lang gemeinsam mit ihnen lebt”, sagt er. Deswegen arbeitet er zeitweise auch als Beobachter für Menschenrechtsorganisationen. Seine aussagekräftigen Fotos sind soziologische Studien. Der Dokumentarcharakter hat bei aller Komposition stets den Vorrang. Auch, wenn schon mal eine Aufnahme am Computer mit Photoshop nachbearbeitet wird. Zum Fotografieren kam Viera übrigens durch seine Mutter. “Die arbeitete bei einer Zeitung und als ich einen Job suchte, probierte ich es mal mit dem Fotoapparat.”
Ausstellung im Schaufenster der FHP, Friedrich-Ebert-Straße 4, bis 3. Juni, Mo.-Fr. 11 bis 17 Uhr. Weitere Informationen zum Festival unter www.contre-le-racisme.de.